Anwältin aus Lünen wagt Schritt in die Selbstständigkeit „Wollte meine eigene Frau sein“

Medizinrechtlerin Anke Vorrink: „Ich wollte meine eigene Frau sein“
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Wer in einer Klinik abgewiesen, wem die falsche Seite operiert oder etwas falsch zusammengeschraubt wurde, kann sich bei Anke Vorrink melden. Sie kümmert sich auch um all jene, bei denen ein Tupfer im Bauchraum vergessen oder die im Pflegeheim schlecht gelagert wurden und sich deswegen wund gelegen haben. Um die, bei denen Prothesen schlecht versorgt wurden oder die sich vom Zahnarzt falsch behandelt fühlen. Anke Vorrink tritt dann gerichtlich oder außergerichtlich für ihre Rechte, für Schadensersatz und Schmerzensgeld ein.

Im Alter von 48 und nach 16 Jahren als angestellte Anwältin bei verschiedenen Dortmunder und Bochumer Anwaltskanzleien und dem Bremer Gesundheitsamt hat Anke Vorrink Anfang 2024 noch einmal einen ganz neuen Lebensschritt für sich gewagt: Sie machte sich als Fachanwältin für Medizinrecht und mit dem weiteren Schwerpunkt Arbeitsrecht selbstständig. In einer Bürogemeinschaft gemeinsam mit dem Anwalt Lars Lanius, die im Lüntec in Lünen-Brambauer beheimatet ist, hat sie ihren Platz gefunden. Die beiden jeweils selbstständigen Anwälte teilen sich nun unter anderem das Sekretariat.

Behandlungsfehler im Fokus

„Ich wollte selbst auswählen, welche Themenbereiche ich bediene“, erklärt sie. „Als angestellte Anwältin hat man da nicht die Wahl. Und es wird darüber bestimmt, welche Fortbildungen man machen und in welche Richtung man gehen darf.“ Selbst aussuchen wollte sie auch, welche Seite sie vertritt: die Ärzte- oder die Patientenseite. „Wenn man angestellt ist, wird das alles so ein bisschen von oben herab bestimmt, wie das bei jedem anderen Arbeitnehmer oder jeder Arbeitnehmerin auch der Fall wäre“, erklärt sie.

Einen Großteil der von ihr ausgewählten und angebotenen Rechtsgebiete macht Medizinisches aus: Arzthaftungsrecht, also Behandlungsfehler, Diagnosefehler oder Verstöße gegen die Aufklärungspflicht, das gesundheitsbezogene Sozialrecht, wo sie sich mit Leistungen, Anträgen oder Rechnungen beschäftigt und dem Schwerbehindertenrecht (Feststellung einer Schwerbehinderung oder Widerspruchs- und Klageverfahren). Außerdem bietet sie Arbeitsrecht im Falle von Krankheit oder Behinderung, an.

Anke Vorrink am Schreibtisch
Mit Freude arbeitet sich Anke Vorrink durch Gesetzbücher. Ihr Diktiergerät ist ihr dabei ein täglicher Begleiter. © Kristina Gerstenmaier

„Ich wollte meine eigene Frau sein“, sagt Vorrink. „Ich wollte nicht mehr vorgegeben bekommen, wo und wie ich zu arbeiten habe. Das war ein ganz großer Antrieb für mich. Außerdem komme ich aus einer Generation, in der ich als Frau nicht immer die Chancen bekommen habe, die ich gerne gehabt hätte. Das möchte ich jetzt gerne ändern.“

Zum Beispiel hatte sie nicht als zweites Standbein Arbeitsrecht wählen können. Jetzt schon. Selbstbestimmt Fortbildungen machen zu können, zu Netzwerktreffen zu gehen, sich die Zeit selbst einzuteilen, all das wollte sie nach 16 Jahren als zugelassene Anwältin nun erreichen. „Ich habe das auch schon genutzt“, erzählt die gebürtige Nordhornerin strahlend. „Ich bin zum Arbeitsgericht gestiefelt und habe mich dann einen ganzen Vormittag in Sitzungen gesetzt. Die Freiheit hätte ich als Angestellte nie gehabt.“ Auch dafür, innerhalb des Medizinrechts die Patientenseite zu vertreten – und nicht mehr die Ärzte, wenn diese für Fehler oder Versäumnisse haftbar gemacht werden sollen –, hat sie sich ganz bewusst entschieden.

„Patienten haben kaum eine Chance“

Während ihrer bisherigen Berufslaufbahn hatte Anke Vorrink überwiegend die Ärzteseite vertreten, hatte diese in Sachen vergessene Tupfer und wund gelegene Patienten unterstützt. „Aber es war traurig zu sehen, dass die Patienten oft kaum eine Chance haben“, erklärt sie ihre Entscheidung.

Außerdem gebe es einen großen Beratungsbedarf bei gesundheitsbezogenem Sozialrecht; also Dingen wie der Einschätzung des Pflegegrades oder Beantragung von Hilfsmitteln bei der Krankenkasse. „Solche Dinge werden häufig nicht in der gebotenen Tiefe geprüft“, erklärt sie.

Ein weiterer Grund, nun Patienten vertreten zu wollen, ist ganz pragmatischer Natur: „Auf Ärzte- und Krankenhausseite läuft vieles über Mund-zu-Mund-Empfehlungen“, erklärt Vorrink. „Da ist es schwierig, als Einzelanwältin Fuß zu fassen.“

Katze aus Mosaiksteinen auf einem Handy
In ihrer Freizeit gestaltet Anke Vorrink gerne Mosaikwerke. Hier zeigt sie eines ihrer Lieblingsstücke. © Kristina Gerstenmaier

Dabei sieht sie ihre besondere Stärke darin, als Übersetzerin zu agieren. „Patientinnen und Patienten verstehen manchmal gar nicht, worum es genau geht oder wo genau die Stolpersteine liegen. Da kann ich vermitteln“, erklärt sie und spricht von einer „echten Sprachbarriere“, die dort herrscht. Als „Arbeiterkind“ – Tochter eines Elektromeisters und einer Rechtsanwaltsfachangestellten – bewege sie sich in ihrer Biografie immer zwischen zwei Welten, sagt sie, und könne deswegen gut zwischen ihnen vermitteln. Bevor sie studierte, hatte sie Justizfachangestellte gelernt und neben dem Studium immer gearbeitet.

Ausgleich findet die Anke Vorrink in Yogilates – einer Kombination aus Yoga und Pilates. Außerdem ist sie Mosaikkünstlerin, sogar mit Zertifikat. „Ich habe als Kind schon und überall, wo ich gehe und stehe, gerne Steine und Muscheln gesammelt“, erzählt sie. Und dass ihr Arbeitszimmer zu Hause tatsächlich zweigeteilt ist: In der einen Hälfte widmet sie sich der Juristerei, die andere ist der Kreativität vorbehalten und belegt von Steinen aller Art.

Schwer, Fuß zu fassen

Für die Zukunft wünscht sich die Unternehmerin natürlich, „dass es läuft“. Als größte Herausforderung sieht sie aktuell, sich zu etablieren. „Das hätte ich, als ich an meinem Businessplan saß, gar nicht so erwartet“, sagt sie. „Ich war, was Anfragen angeht, viel optimistischer und dachte, es reicht, auf der Seite der Bundesrechtsanwaltskammer registriert zu sein. Man muss aber tatsächlich viel mehr Werbung betreiben, als ich dachte, und Kanäle bedienen, die ich nicht auf dem Schirm hatte“, sagt sie und lässt Stichworte wie Google-Optimierung, Keywords und Wordpress fallen. Dinge, auf die sie keine Gründerberatung vorbereitet habe. „Diese ganzen Werbe- und Marketinggeschichten musste ich erst einmal lernen. Und da ist es eben schwierig, als Gründerin ohne viel Budget und Bewertungen mitzuhalten.“

Auf die Frage nach ihren Wünschen und Zielen für 2025 antwortet sie: „Ich wünsche mir, dass es hier mit der Kanzlei weiter gut geht, dieser Traum von Eigenständigkeit und Selbstständigkeit aufgeht.“