„Die Kritiker der Kinderbeichte zeichnen ein völlig falsches Bild von der Kirche“. Der Meinung ist Jürgen Schäfer, Pfarrdechant aus Werne. Er bezieht sich dabei auf die Kritik von einzelnen Seelsorgern und des forensischen Psychiaters Harald Dreißing, Leiter einer umfangreichen Missbrauchsstudie aus 2018. Ein Beichtstuhl finde in Werne schon viele Jahre keine Anwendung mehr. Und generell sei die Beichte für Kinder freiwillig und habe einen anderen Fokus als die Vergebung schwerer Sünden. Auch andere Geistliche aus Gemeinden in Lünen und Selm stimmen ihm zu. Es gibt aber auch Unterschiede.
„Ich habe selbst schon als Kind nicht mehr in einem Beichtstuhl gebeichtet“, sagt Schäfer. Diese Methode gehöre in die Großelterngeneration. In seiner Gemeinde würden Kinder schon seit 25 Jahren völlig anders die Beichte durchführen. Heute, so sagt er, setzen sich mehrere Seelsorger mit den Kindern an den Tisch und richten im Gespräch den Blick auf das, was Kinder Gutes tun, während das Schlechte aufgeschrieben und später verbrannt werde.
Was ist gut, was ist schlecht?
Die Erstkommunion soll ein Fest der Versöhnung sein, sagt Pfarrer Schäfer. In Werne wolle man sich nicht auf das Beichten konzentrieren. Sondern darauf, dass Kinder lernen, was gut ist, was schlecht, und vor allem, dass sie sich immer an einen Seelsorger wenden könnten, wenn ihnen etwas auf der Seele laste, so Schäfer.
Auf die Kritik, dass die Kinder vor der Erstkommunion zu jung zur Beichte seien, sagt er: „Kinder sind intelligenter als man denkt. Die verstehen das schon ganz gut. Allerdings kommt es immer darauf an, wie viel man von ihnen verlangt.“

Der Lüner Pfarrer Thomas Roddey widerspricht dem allerdings. Er finde die Kritik des Alters berechtigt, jedoch sei sich sein Team in der Sache nicht einig – unter anderem Pastor Christian Kluczynski, der die Kinderbeichte anders als Roddey durchführt. „Ich würde am liebsten die Erstbeichte ganz aus der Kommunionsvorbereitung rausnehmen und in die Firmvorbereitung legen, weil da können die Jugendlichen glaube ich mehr Erfahrungen machen und sich besser reflektieren“, sagt Roddey.
Beichten für Kinder, die wollen
In Lünen ist die Beichte zur Erstkommunion daher freiwillig. Das findet Roddey, Leiter des Pastoralen Raums Lünen, auch gut so: „Wenn die Kinder die Erfahrung machen wollen, können sie das tun. Die werden dann darauf vorbereitet und können dann ein Beichtgespräch formulieren.“
Das finde in Lünen dann in einem offenen Raum, der Sakristei, statt. „Die Tür zum Kirchraum steht immer offen, sodass das Kind die Tür im Blick hat. Wenn es sich unwohl fühlt, kann es rausgehen.“ Ein Beichtstuhl gehört nicht mehr zur Beichte. Man sitze sich an einem Tisch gegenüber, meist mit Kerze und Kreuz am Tisch.
Die offene Atmosphäre hat direkt einen doppelten Zweck, so Roddey. Das ist einerseits Schutz der Kinder aber auch Schutz vor dem Eindruck, der entstehen könnte, wenn Kinder mit einem Pfarrer allein in einem Raum sind. Ähnliches sagt auch Claus Themann, Leitender Pfarrer der St. Ludger Gemeinde in Selm. Er lege bei der Erstbeichte großen Wert auf Freiwilligkeit.
Schutz und Freiwilligkeit
„Jedes Kind wird gefragt, ob es die Hand aufgelegt haben möchte“, sagt Themann. Dass das abgelehnt wird, passiere nicht oft, aber werde dann respektiert. Als weiteren Schutz werde vor der Beichte das betreffende Zimmer mit den Kindern inspiziert. Während der Beichte dürfen die Eltern vor Ort sein, und ebenso wie in der Lüner und Werner Kirche bleibt die Tür zum Beichtraum offen.

Anders als in den anderen Gemeinden sei die Kinderbeichte in Selm aber von der Erstkommunion gelöst. Sie werde erst danach durchgeführt und alle Kommunionskinder nochmal angeschrieben. Das führe dann dazu, dass die Beichtgruppe meist etwas kleiner sei.
Auch der Selmer Pfarrer findet allerdings: das Alter von neun oder zehn Jahren sei angemessen: „Schon in dem Alter merken Kinder, dass ihnen schlechte Sachen leid tun.“ Erst im Jugendalter mit der Beichte anzufangen halte er für zu spät, „es geht letztlich darum, dass ein Mensch merkt, was ist richtig und falsch ist. Das lerne ich doch nicht erst mit 14.“