Um 18.48 Uhr am Montag merkt Mareike Stückmann, dass Erdbeben in Bergkamen wieder ein Thema sind. „Ich stand in der Küche, als es plötzlich heftig gewackelt hat“, sagt die Oberadenerin. Sie ist nicht die einzige, der der Schreck in die Glieder fährt. Etliche Nachbarn rund um die Sugambrer- und die Preinstraße und den Römerberg spüren die Erschütterung ebenfalls. Sie ist auch westlich der Bahnlinie im Bereich der Straße Ägypten wahrzunehmen, wie eine Anwohnerin berichtet.
Für Menschen, die schon länger in Bergkamen leben, stellt das ein Deja-Vu-Erlebnis dar. Als unter der Stadt noch Steinkohle abgebaut wurde, ließen die Bergsenkungen häufiger die Wände wackeln, Erdbeben waren keine Seltenheit. Mareike Stückmann kann sich daran erinnern: „Aber da war ich noch ein Kind.“ Als Erwachsene habe sie aber noch kein Erdbeben erlebt.

Kein Wunder. Seit 2010 ist das Thema Bergbau in Bergkamen erledigt. Aber dass nun wieder die Erde wackelt, hängt mit seinem Erbe zusammen. Genauer gesagt mit dem Grubenwasser. Die RAG hebt derzeit den Grubenwasserpegel an, dadurch füllen sich die Hohlräume unter Tage, was wiederum Spannungen im Gestein löst und die Erde zum Beben bringt. „Im Herbst 2019 haben wir die ersten Erdbeben im Hamm registriert“, sagt Dr. Kaspar D. Fischer, der Leiter des Seismologischen Observatoriums der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschungseinrichtung unterhält ein Netz von Messpunkten in der Region.
Die Beben wandern westwärts
Die Beben wanderten westwärts, sagt Fischer, und haben Bergkamen schon länger erreicht. In diesem Jahr bebte die Erde nicht zum ersten Mal. Am 9. Januar registrierten die Bochumer ein Beben der Magnitude 1,7 auf der Richterskala, dessen Epizentrum nördlich des Fakt-Campus lag. Dort befand sich früher die Zeche Grimberg 3/4. Am 18. Februar bebte die Erde südlich des Monopol-Geländes in Bergkamen-Mitte. Das jüngste Beben mit der Stärke von 1,5 spielte sich deutlich weiter westlich ab. Sein Epizentrum befand sich zwischen der Preinstraße und dem Römerbergstadion.

Eine abschließende Erklärung für die Westwanderung der Beben habe die Forschung noch nicht, sagt Fischer. Allerdings sei der Zusammenhang mit der Grubenwasserhebung offensichtlich: „Auch in Ibbenbüren und im Saarland hat es solche Erdbeben gegeben.“ An der Saar sei der Grubenwasseranstieg allerdings gestoppt worden. Der Pressesprecher der RAG, Christof Beike, teilt auf Nachfrage mit: „Wir haben auch immer wieder darauf hingewiesen, dass durch den Anstieg kleinere Erderschütterungen zu erwarten sind. Aber im Umfang und in der Anzahl überhaupt nicht vergleichbar mit denen aus dem aktiven Abbau.“
Die Bergkamener müssen sich also womöglich darauf einstellen, weitere Erdbeben zu erleben. „Es kann aber auch sein, dass das in zwei bis drei Monaten vorbei ist“, meint Fischer. Mit ernsthaften Schäden rechnet der Forscher nicht: „In Hamm hat es ein Beben mit der Magnitude über zwei gegeben, ohne dass etwas beschädigt worden ist.“

Gleichwohl will Fischer die Auswirkungen dieser Bergbau-Folgen nicht klein reden: „Das kann schon psychisch belastend sein, wenn man nachts durch ein Beben aus dem Schlaf gerissen wird.“ Das gelte vor allem für jüngere Menschen, die sich an die aktive Bergbauzeit und ihre regelmäßigen Erschütterungen nicht mehr erinnern könnten. Da sich das Beben am Montag am frühen Abend ereignete, dürfte es wohl nur wenige Oberadenerinnen und Oberadener um den Schlaf gebracht haben. Am 14. November 2022 allerdings bebte in Bergkamen-Mitte am Fakt-Campus die Erde um 1.08 Uhr. Bei einer Stärke von 0,7 hat das allerdings niemand gemerkt.
Bergschäden reguliert die RAG
Auch in Oberaden hielt sich am Montag die Aufregung offenbar in Grenzen. Bei der RAG jedenfalls habe sich kein Anwohner gemeldet, so Sprecher Beike. Angesichts der geringen Stärke der Erderschütterungen seien Schäden „so gut wie ausgeschlossen“.
Allerdings berichtet Mareike Stückmann, ihr Mann haben im Keller Haarrisse entdeckt, die vorher noch nicht dagewesen seien. Falls die wirklich durch das Beben entstanden sind, handelt es sich um Bergschäden. Die werde die RAG regulieren, versicherte Beike: „Wie gewohnt kann man sich hier an die bekannte Bergschadenshotline der RAG wenden: Telefon: 0800 / 27 27 271 oder per Mail an bergschaeden@rag.de.“
