EM in Lünen: Zwei jubeln, zwei verlieren Nicht für alle Anbieter lohnte sich Public Viewing

EM in Lünen: Zwei jubeln, zwei verlieren: Nicht für alle Anbieter lohnte sich Public Viewing
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Für Okay Sen war die Fußball-Europameisterschaft ein Experiment. Nicht etwa sportlich, sondern gastronomisch. Denn Sen betreibt gemeinsam mit seinem Kollegen Taylan Kutlar das „Café Seepark“ in Lünen. Beide zeigten die EM-Spiele auf der großen Leinwand. Doch nicht alle: die Partien der Deutschen, die Partien der Türken (nach je fünf war bekanntlich Feierabend für die beiden Teams) sowie die beiden Halbfinals und das Endspiel.

Obwohl die deutsche Mannschaft ausschied, waren die Betreiber vom "Café Seepark" mit ihrer Public-Viewing-Bilanz sehr zufrieden. Das war nicht überall so...
Obwohl die deutsche Mannschaft ausschied, waren die Betreiber vom "Café Seepark" mit ihrer Public-Viewing-Bilanz sehr zufrieden. © Jura Weitzel

Experimente sind geglückt

„Für uns war es eine Erfahrung wert, wie man mit so vielen Kunden umgeht – hinsichtlich Infrastruktur und Personal, Arbeitskräfte oder Sicherheit. Für uns war das ein Testlauf, was weitere Events angeht“, sagt Sen. Experiment geglückt, kann man ihm und Kutlar nur gratulieren. Denn, so Sen selbst: „Die Leute haben das sehr gut angenommen.“

Auch Pierre Radziejewski nutzte die Möglichkeit des Public Viewings für eine ganz eigene Premiere. Er ist der Betreiber der Bar „Ab ins Greif“. Die eigentlich im August erst richtig öffnet, als Nachfolgebetrieb der ehemaligen Kultkneipe „Das Greif“. Für die Spiele der deutschen Fußballer machte der Gastronom eine Ausnahme. Und wurde nicht enttäuscht: „Wir hätten nicht gedacht, dass so viele Leute kommen würden.“

Free TV und Dortmund

Weniger gut lief die Europameisterschaft für die beiden anderen Gastrobetriebe in Lünen, die die Spiele zeigten - die „Manhattan Sports Bar“ und die „Pirates Cocktailbar“. Deren Inhaberin Sylvia Wilke: „Bei den Spielen der Vorrunde hatten wir 20 bis 30 Zuschauer, ab dem Achtelfinale waren es ein bisschen mehr.“ In der anderen Bar wurden die Partien vor der K.o.-Phase gar nicht erst gezeigt. „Da hatten wir Betriebsferien, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass während der Vorrunde kaum Spiele in Kneipen oder Bars geschaut werden“, sagt Steffi Haack von der „Manhattan Sports Bar“.

Am Seepark wurden auch die Spiele der türkischen Nationalmannschaft gezeigt.
Am Seepark wurden auch die Spiele der türkischen Nationalmannschaft gezeigt. © Jura Weitzel

Unabhängig voneinander waren beide Betreiberinnen der Meinung, dass die große Nähe zu Dortmund dem eigenen Angebot geschadet habe. Eine Stadt als Ausrichter mehrerer großer EM-Spiele, die dazu noch selbst ein unvergleichlich größeres Public Viewing anbot - dagegen hätten die kleineren Bars in Lünen nicht bestehen können. Und nicht dagegen, so fügt Steffi Haack hinzu, „dass fast ausnahmslos alle Spiele im Free TV übertragen wurden.“

„Nur ein paar Zufallsfliegen“

Dem Umsatz im „Café Seepark“ schadeten ARD, ZDF und RTL nicht. „Jedes Spiel der deutschen Mannschaft war ausgebucht“, sagt Okay Sen. Er und sein Teilhaber mussten sogar eine Obergrenze einziehen: bei rund 600 Zuschauern war Schluss. Nicht ganz so gut, aber immer noch die Erwartungen der „Seepark“-Gastronomen übertreffend war die Resonanz bei den Partien der türkischen Nationalmannschaft. „Zwischen 300 und 400 Besucher“ so Sen, seien zu den Spielen von Calhanoglu und Co gekommen, „mit steigender Tendenz“.

Die Laune beim Public Viewing war gut - dem tat auch das Ausscheiden der deutschen Mannschaft keinen Abbruch.
Die Laune beim Public Viewing war gut - dem tat auch das Ausscheiden der deutschen Mannschaft keinen Abbruch. © Jura Weitzel

Von solchen Zahlen konnten Radziejewski, Haack und Wilke nur träumen. „Zwischen 40 und 70 Besucher“ hätten sich die Spiele der deutschen Mannschaften im „Ab ins Greif“ angesehen, so der Betreiber - dennoch mehr als von ihm erwartet. Enttäuscht wurden dagegen die Erwartungen von Haack und Wilke. Auch die Feierstimmung, die vor allem die vielen Oranje-Fans in der Nachbarstadt verbreiteten, schwappte nicht in die Bars nach Lünen über. Steffi Haack von der „Manhattan Sports Bar“: „Bei uns waren ein paar Niederländer – aber nur deshalb, weil Dortmund dicht war. Und danach, nach dem Halbfinale, ein paar Engländer, die aber auf dem Weg nach Berlin waren, um sich das Endspiel vor Ort im Olympiastadion anzusehen. Das waren also nur ein paar Zufallsfliegen.“

Niederlage schmälerte Umsatz

Ein Umstand minderte den Umsatz zusätzlich in den Lüner Locations zusätzlich: das Ausscheiden der deutschen Mannschaft im Viertelfinale. „Wenn die Deutschen dringeblieben wären, hätte es besser ausgesehen“, meint etwa Sylvia Wilke von der „Pirates Cocktailbar“. Für Pierre Radziejewski war das Public Viewing nach dem 1:2 gegen die Iberer gleich ganz beendet - er zeigte im „Ab ins Greif“ von vornherein nur die Spiele der Nagelsmann-Elf.

Im „Café Seepark“ gingen die Live-Übertragungen auch nach dem Ausscheiden der Deutschen (und der Türken) weiter. Ohne die Marketingmaßnahmen von Sen und Kutlar hätte das EM-Projekt dennoch nicht funktioniert. „13 bis 15 Sponsoren“ (Okay Sen) hätten das Public Viewing unterstützt - für sie sei während der Übertragungen in verschiedener Form geworben wurde. „Sonst hätte sich das für uns nicht gelohnt.“

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Anmerkung der Redaktion

Steffi Haack, Betreiberin der Manhattan Sportsbar, fühlt sich durch den Artikel nicht korrekt wiedergegeben. „Ich sehe mich nicht als Verlierer, nur weil bei mir nicht so viele Zuschauerinnen und Zuschauer während der EM-Spiele waren. In meiner Bar habe ich gar nicht die Möglichkeit, ein Public Viewing auszurichten bzw. hunderte Menschen zu empfangen. Daher hatte ich mich im Vorhinein bewusst dazu entschieden, drei Wochen in den Urlaub zu fahren. Ich hatte schon damit gerechnet, dass nicht so viel los sein wird. Darüber hinaus kann man unsere Bar auch gar nicht mit Café mit großem Außenbereich vergleichen.“