Elektronischer Krankenschein ist Pflicht Manche Ärzte setzen trotzdem auf Papier

Von Claudia Lohmann
Elektronischer Krankenschein: Manche Ärzte setzen noch auf Papier
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„Es dauert vermutlich noch circa ein halbes Jahr, bis alles digital läuft“, sagt Pascal Lange, Leiter des DAK-Servicezentrums in Unna. Zwar ersetzt seit dem 1. Januar 2023 die elektronische Krankschreibung den ausgedruckten Krankenschein, aber so mancher Patient bekommt vom Arzt doch noch einen Ausdruck, wie Lange weiß. „Den müssen die Arbeitnehmer dann auch abgeben“, erklärt er. Auch wenn die Daten zusätzlich elektronisch übertragen werden. „Das ist natürlich doppelt gemoppelt.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe geht davon aus, „dass zum Start am Jahresbeginn nicht alle Arbeitgeber technisch und organisatorisch in der Lage waren und sind, die AU digital abzurufen und weiterhin Papierausdrucke von ihren Arbeitnehmern fordern werden.“ Praxen sollten daher selbst entscheiden, ob sie vorerst weiterhin die AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber ausdrucken, um nachträgliche Anfragen der Patienten nach einer Papierbescheinigung zu vermeiden.

Wenn aber alles umgestellt ist, hat der Arbeitnehmer mit der Krankmeldung künftig nichts mehr zu tun, erklärt Pascal Lange. Die Meldung werde von den Arztpraxen oder Krankenhäusern direkt an die zuständige Krankenkasse elektronisch übermittelt. Dort rufen Arbeitgeber die Daten ab. Das ist seit diesem Jahr auch verpflichtend, so Lange. „Die Kunden bekommen nur noch einen Ausdruck für sich.“

Finanzielle Vorteile für die Patienten

Die erste Meldung beim Arbeitgeber entfalle dadurch aber nicht. Je nach Unternehmen müssen die Krankgeschriebenen anrufen oder eine Mail schicken, um ihren Ausfall zu melden. Und auch zum Arzt gehen muss man weiterhin, um eine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen.

Die Vorteile der elektronischen Krankschreibung liegen laut Lange nicht nur darin, dass die Arbeitnehmer den Zettel nicht mehr überbringen oder zum Arbeitgeber schicken müssen. Das neue System sei auch nachhaltig und bietet einen finanziellen Pluspunkt: „Es gibt keinen Krankengeldverzug mehr, weil die Ärzte die Krankschreibung übermitteln müssen.“

Wer vergessen hat, seinen Schein einzureichen, konnte in der Vergangenheit das Pech haben, für einen Zeitraum kein Krankengeld von der Krankenkasse zu erhalten. Die Sorge müssen Langzeit-Kranke nun nicht mehr haben.

Aluminiumwerk Unna
Das Aluminiumwerk ist ein großer Arbeitgeber in Unna. Es erklärt, dass die elektronische Krankschreibung mit Aufwand verbunden ist und noch nicht alle Ärzte mit dem System arbeiten. © Udo Hennes

Das sagen Arbeitgeber in Unna

Bei den größeren Arbeitgebern in Unna scheint das neue System gut zu funktionieren – wenn die Ärzte mitmachen. Obwohl es seit dem 1. Januar verpflichtend ist, würden scheinbar noch nicht alle Ärzte an dem Verfahren teilnehmen, erklärt Kristina Kortmann von den Stadtwerken auf Anfrage.

„Bei den Ärzten, die an dem Verfahren teilnehmen, klappt es auch mit dem Abruf über die Krankenkassen. Die anderen Ärzte stellen noch klassisch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) aus.“

Auch der Unnaer Arbeitgeber Woolworth erklärt, dass die Abfrage der Meldungen technisch funktioniere, von manchen Mitarbeitenden aber noch ausgedruckte Krankschreibungen kommen. Ob der Weg einfacher ist als vorher? „Wir werden erst von einer Arbeitserleichterung sprechen können, wenn das Verfahren in ausnahmslos allen Arztpraxen etabliert ist.“

Das Aluwerk Unna gibt indes einen Einblick in die internen Prozesse um die elektronische Krankschreibung. Zwar funktioniert die Elektronische AU „einigermaßen okay“, es wäre aber schöner, wenn sie dem Arbeitgeber direkt übermittelt würden. „Die Arbeitgeber müssen Einzelanfragen für ihre Arbeitnehmer stellen“, erklärt Nadine Lausmann auf Anfrage. Dafür muss die Firma die Versicherungsnummer, das Geburtsdatum und die Betriebsnummer eingeben.

Zudem sei es wichtig, dass der Arbeitnehmer mitteilt, ab wann genau er fehlt, weil das für die Abfrage benötigt wird. „Rückmeldungen der Krankenkassen kommen teilweise leider nicht zeitnah.“ Das sei problematisch, da die AU dem Arbeitgeber spätestens am 4. Tag vorliegen müsse. Auch gebe es nicht für alle elektronische Scheine: Privatversicherte und Kinderkrankenscheine kämen weiter in Papierform.

Arzt Dr. med. Arne Krüger, Lünen
Der Lüner Arzt Dr. med. Arne Krüger erklärt, dass die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Praxen keine Erleichterung beschert. Das liegt auch am System. © Quiring-Lategahn

Arzt: Okay, aber nicht besser

Auch dem Aluwerk ist aufgefallen, dass noch nicht alle Ärzte mit dem System arbeiten. Woran das liegen könnte, wissen wohl am besten die Ärzte selbst. Einer von ihnen ist Dr. med. Arne Krüger, Allgemeinmediziner in Lünen, Vorsitzender des Lüner Ärztevereins und KVWL-Notdienstbeauftragter. „Begeisterungsstürme sehen anders aus“, sagt Krüger ganz offen.

Für Arztpraxen seien die neuen Abläufe keine Erleichterung, was vor allem an der Technik liegt. Wo Ärzte früher einen Zettel ausgedruckt und den Patienten mitgegeben haben, müssen diese nun verschickt werden – von dem Computer aus, der mit dem Kartenlesegerät ausgestattet ist. Sitzt der Arzt an einem anderen Gerät, muss der Schein erst übertragen werden.

„Sobald ich den Auftrag losschicke, kann ich mit dem Rechner nichts anderers machen, bis alles verschickt ist. Das mag Kleinkram sein, aber bei 30 bis 40 Patienten am Tag läppert sich das“, erklärt Krüger. Da das System dahinter nicht auf Schnelligkeit getrimmt sei, dauere die Übertragung schon mal eine Weile. „Die Sanduhr, die sich dreht, sorgt dann für helle Freude“, so der Mediziner. Es gebe zudem Arbeitgeber, die noch auf einen Ausdruck bestehen. „Je kleiner die Firma, desto schwieriger.“

In seiner Arztpraxis klappt es bisher, aber eine Arbeitserleichterung erfährt er durch das System aktuell nicht. Krüger fasst es so zusammen: „Es ist ok, aber Liebe sieht anders aus.“