Jogginghosen-Verbot an Lüner Schule Kleiderordnung sorgt für Diskussionen

Kleiderordnung an KKG: „Schüler sollen den Raum bekommen, sich ausdrücken zu dürfen“
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Wieso entscheiden Erwachsene ständig, was Kinder tragen dürfen? Das fragt sich Eva-Maria Till, vierfache Mutter aus Lünen. „Jeder sollte das tragen dürfen, was ihm gefällt“, ist sie überzeugt. „Aber natürlich keine politischen Parolen.“ Damit stellt sie sich gegen die gerade vom Bundeselternrat vorgebrachte Forderung nach Bekleidungsregeln an Schulen. „Wir empfehlen Schulen, einen Konsens über eine Kleiderordnung zu schließen“, hatte die Vorsitzende des Bundeselternrates Christiane Gotte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt und davon gesprochen, damit „lottriger Kleidung“ entgegen zu wirken. Ein derartiger Konsens solle dann auch in die jeweilige Schul-Hausordnung aufgenommen werden.

Die Frage nach Kleiderordnungen an Schulen ist schon seit Jahren immer wieder Thema: Welche Kleidungsstücke sind dafür geeignet, sie in der Schule zu tragen? Welche nicht? Und sollte es für deutsche Schulen nicht vielleicht sogar Schuluniformen geben?

„Wir sind durch unsere Berufskleidung, egal ob als Arzt oder Handwerker, noch früh genug uniformiert“, findet hingegen Eva-Maria Till. „Schüler sollen den Raum bekommen, sich ausdrücken zu dürfen“, sagt sie und erzählt die Anekdote einer Auseinandersetzung mit ihrem Sohn. „Er ist 1,85 Meter groß und sagt, dass er den ganzen Tag auf viel zu kleinen Stühlen sitzen muss. Da möchte er es wenigstens bequem haben. Das kann ich irgendwie verstehen“, sagt sie. Er gehe in Jogginghose zur Schule. Ein anderer ihrer Söhne geht auf die Lüner Käthe-Kollwitz-Gesamtschule (KKG).

Kleiderordnung an der KKG

Dort gibt es schon seit März dieses Jahres eine Kleiderordnung: Keine bauchfreie Kleidung, keine Jogginghosen oder Leggins, keine Kopfbedeckung und keine diskriminierenden Schriften auf den Textilien. Die Einführung der Kleiderordnung sorgte für Aufsehen: Neben der Diskussion um die Möglichkeit zu Ausdrucksfreiheit und Individualismus Heranwachsender war auch Thema, dass die Schüler in die Ausgestaltung des Regelkatalogs nicht einbezogen wurden. Sie beriefen sich auf einen Artikel des Landes-Schulgesetzes, nach dem eine Kleiderordnung dann an Schulen eingeführt werden darf, wenn die Schüler damit einverstanden sind.

Waren sie aber nicht. „Natürlich darf niemand durch die Kleidung eines Mitschülers diskriminiert werden“, hatte der stellvertretende Schülersprecher Collin Goelzner im Mai gesagt, „aber ich bin gegen ein Jogginghosenverbot und die Mädchen sollen Leggins als Primärhose tragen dürfen. Und auch Kopfbedeckungen sind ok.“ Man habe sich als Schülerschaft übergangen und nicht ernst genommen gefühlt.“ Der damalige Schulleiter Reinhold Bauhus hatte den Schülern versprochen, das Gespräch umgehend nachzuholen und die Vorschläge der Schüler zu berücksichtigen.

Reinhold Bauhus hatte sich mit Ende des Schuljahres als Schulleiter in den Ruhestand verabschiedet. Nun ist Bodo Gundelach als neuer Schulleiter am Zug. „Die Zusammenarbeit mit den Schülern soll gestärkt werden“, sagt er und spricht von einer guten Zusammenarbeit.

Die detaillierte Kleiderordnung der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen. Gültig seit dem 20. März 2023.
Die detaillierte Kleiderordnung der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen. Gültig seit dem 20. März 2023. © Käthe-Kollwitz-Gesamtschule

Schüler dürfen ausgestalten

In einer der nächsten Schulkonferenzen, die sich zu je einem Drittel aus Lehrern, Eltern und Schülern zusammensetzt, soll das Thema Kleiderordnung noch einmal auf den Tisch kommen. Die Schüler sollen dann Gelegenheit bekommen, an der Ausgestaltung mitzuwirken. Sie können einen Antrag stellen, was geändert werden soll.

An einem Austausch mit den Schülern ist Gundelach sehr gelegen. Er habe Gespräche mit allen Klassen dazu geführt. „Die Sinnhaftigkeit einer angemessenen Kleidung wird aber nicht in Frage gestellt“, sagt er. „Vor allem geht es ja um die Jogginghose. An dieser Frage scheiden sich die Geister.“

Insgesamt sei seine Beobachtung, dass die Kleiderordnung weitgehend eingehalten wird. In einzelnen Fällen werden Schüler auch darauf angesprochen und dazu angehalten, sich umziehen zu gehen, was auch ohne Diskussion getan werde. Denn: „Im Moment gibt es diese Regeln und die Schüler sollen sich daran halten. Die Regeln sind nicht beliebig“, sagt Gundelach. Er persönlich steht hinter der Kleiderordnung.

„Die Schüler haben den Anspruch, Individualität auszudrücken. Aber wie sie sich kleiden, ist auch ein Statement zur Schule. Es drückt ihre innere Haltung zur Schule aus. Und Schule ist eben nicht Freizeit.“ Von einer Schuluniform möchte er aber absehen. Nicht, weil er die Grundidee, soziale Unterschiede unkenntlich zu machen, nicht für gut hielte. Sondern weil Uniformität in Deutschland ein Problem sei und man gelernt habe, das kritisch zu sehen. „Es gibt aber“, so sagt Gundelach, „im Moment wirklich drängendere Probleme, um die wir uns kümmern sollten, als die Kleiderordnung.“

Eva-Maria Till sieht das ähnlich. Und es sei nicht Aufgabe der Schule, die Kinder anzuziehen.

So gekleidet dürfte dieses Mädchen nicht an der KKG auftauchen.
So gekleidet dürfte dieses Mädchen nicht an der KKG auftauchen. © Kristina Gerstenmaier