Dieter Wagner aus Lünen wird zum Trauerredner 30 Minuten, um ein Leben zu fassen

Dieter Wagner wird Trauerredner: 30 Minuten, um ein Leben zu fassen
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Dieter Wagner aus Lünen ist von Beruf eigentlich Lehrer an einem Berufskolleg in Dortmund. Und nebenbei arbeitet er als Künstler gemeinsam mit seiner Frau Catharina. „Und das nicht ganz unerfolgreich“, sagt der Lüner im Gespräch mit uns. Ab sofort kann Wagner eine weitere Tätigkeit zu seinem Repertoire hinzufügen. Denn er hat sich zum Trauerredner ausbilden lassen.

„Ich bin im Leben spontan in Situationen gekommen, in denen ich für Freunde, Bekannte und Verwandte Reden gehalten habe während eines Trauerfestes bei der Beisetzung. Das habe ich schon mehrmals gemacht. Und ich bin danach immer wieder angesprochen worden: ‚Du solltest das machen.‘ Sowas merkt man sich ja und nimmt das auch irgendwie ernst.“

Um sich die Frage zu beantworten, ob er das nötige Werkzeug zum Trauerredner hat, entschied sich Wagner deshalb, an einer Ausbildung an vier Wochenenden in Dortmund teilzunehmen.

Zufällig habe er von freien Plätzen in dem Lehrgang erfahren. „Ich fand das Konzept so überzeugend, dass ich dachte: Ich warte jetzt nicht ab, ich mache das jetzt einfach. Obwohl ich eigentlich keine Zeit hatte.“ Denn durch seinen Beruf als Lehrer ist Wagner aktuell ausgelastet. Doch im Jahr 2027 geht er in Rente. Und für diese Zeit in zweieinhalb Jahren kann er sich den Job als Trauerredner gut vorstellen.

Dass er von dem Lehrgang begeistert ist, der erst am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen ist, hört man an seiner Stimme. „Es ist etwas Wunderbares, sehr Forderndes, aber sehr Praxisnahes, mit einer großen Lernintensität.“

Denn damit die Teilnehmer sich auch räumlich und körperlich in ihren künftigen Job einfinden konnten, fanden die Lehrgänge in einer Trauerhalle nahe dem Hauptfriedhof in Dortmund statt. „Wir haben eine Bestattung durchgespielt, mit Musikbegleitung bis ans Grab.“ Denn auch die technische Seite so eines Anlasses muss geübt werden.

Gespräch bis in die Nacht

Ergriffen hat Wagner aber vor allem die Arbeit auf der menschlichen Ebene. Denn eine der Aufgaben sei es gewesen, einem anderen Kursteilnehmer von einem verstorbenen Menschen aus dem eigenen Leben zu erzählen. Beide wählten ihre verstorbenen Mütter. Damit das Gegenüber dann eine Trauerrede über den Verstorbenen des anderen verfassen kann. Und so sei es gekommen, dass der Lüner sich mit einem Teilnehmer aus dem Kurs verabredete und sich die beiden bis in die Nacht ins Gespräch verloren.

„So etwas Intensives habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Dann sitzt man da, dann trägt der Kollege das Leben eines Menschen vor, den man selber betrauert hat. Das ist wie so eine Schicksalsgemeinschaft. Das war wirklich etwas Besonderes.“ Den Kontakt wollen beide auf jeden Fall halten, erklärt Wagner. Die Kursteilnehmer seien alle zwischen 50 und 60 Jahren alt gewesen. „Es bringen alle viel mit an allen möglichen Expertisen.“ Und alle seien in ähnlichen Situationen wie Wagner gewesen, die sie dazu bewegten, an dem Kurs teilzunehmen. Oder aber auch, weil sie den Job spannend finden.

Mensch „gerecht werden“

Ein Verstorbener und sein Leben werde wahrscheinlich nie wieder so umfänglich gewürdigt, wie er es bei seiner eigenen Trauerfeier wird. Und genau darin liegt für Wagner die Herausforderung, aber auch der Reiz für diesen Job. Sich mit Menschen zum Gespräch zu treffen, die eine geliebte Person verloren haben, dessen Leben mit seinen Höhen und Tiefen herauszuarbeiten und für eine maximal 30-minütige Rede zu Papier zu bringen. Um diesem Menschen dann „auch wirklich gerecht zu werden“, sagt Wagner. „Man kann das auch so runternudeln, aber man kann auch tief einsteigen. Das ist wirklich eine Aufgabe.“ Eine Aufgabe, die sich Wagner für die Rente in zweieinhalb Jahren vorstellen kann.

Mit Trauer geht jeder Mensch anders um.
Wenn Menschen trauern, gilt es, den richtigen Ton zu treffen. © Rebsch/dpa