Ohne einen Platz im Offenen Ganztag (OGS) hätten es viele Familien in Lünen schwer. So sind die Kinder nach dem Unterricht betreut, können unter Aufsicht ihre Hausaufgaben erledigen, mit Freunden spielen, kochen lernen, Sport treiben und zusammen backen. Und die Eltern können in der Zeit arbeiten. Doch vielerorts steht das Betreuungsangebot auf der Kippe. Denn die Sozialverbände, die für die kommunen die Nachmittagsbetreuung organisieren, sehen sich mit großen finanziellen Herausforderungen konfrontiert. Grund ist die nicht geklärte Refinanzierung, was Aufgabe des Landes NRW ist. Dabei rückt der Rechtsanspruch für einen OGS-Platz für Erstklässler 2026 in greifbare Nähe.

Mindeststandards gefordert
Nun haben sich die Wohlfahrtsverbände zusammengetan und den Eltern, Kindern, aber auch den Mitarbeitenden des Offenen Ganztags die Möglichkeit gegeben, auf Wunschzetteln zu sammeln, was sich am OGS verbessern muss, wo die Politik handeln muss, um die Wohlfahrtsverbände zu entlasten, die Jobs wieder attraktiver für Fachkräfte zu machen und die Betreuung langfristig zu sichern. „Es dreht sich im Kern alles um die Refinanzierung“, sagt Bettina Kliebisch, Fachbereichsleiterin des OGS beim DRK Lünen und verantwortlich unter anderem für die Nachmittagsbetreuung in der Schule am Lüserbach in Horstmar. Dort wurde der große Stapel Wunschzettel am Dienstag (5. Dezember) an den SPD-Landtagsabgeordneten Rainer Schmeltzer übergeben.
Die Wünsche der Eltern, Lehrer, Kinder und Mitarbeiter sind klar: Mehr Zeit zum Spielen, ein klarer Betreuungsschlüssel, gute Bezahlung, mehr Personal, ein gut ausgestatteter Hausaufgabenraum, mehr Sportangebote, mehr OGS-Plätze und eine sichere Finanzierung für die Planungssicherheit, die auch sichere Jobs für die Mitarbeitenden bedeutet. Viele Fachkräfte hätten den Job bereits gewechselt, da die Stellen oft vakant oder nur in Teilzeit sind. Gerade für junge Leute, die frisch aus der Ausbildung kommen und Geld verdienen möchten, ist das unattraktiv, weiß Bettina Kliebisch. Und wer einmal weg ist, der komme auch nicht wieder.
Rainer Schmeltzer kennt die Probleme und sieht die NRW-Landesregierung in der Pflicht, der OGS mehr Beachtung zu schenken, die Finanzierung zu sichern und zwar einheitlich. Damit widerspricht er der Ministerin Ina Scharrenbach, die die Verantwortung für die OGS individuell sieht. Man müsse für die Finanzen einfach Prioritäten setzen, so Schmeltzer. Immerhin habe man in den vergangenen Jahren viele Millionen Euro sinnlos ausgegeben. Nun müsse man endlich in die Kinder und damit auch in die Zukunft investieren, so der Landespolitiker.
Lange Warteliste
Die Ausgaben, insbesondere für das Personal, steigen mit jedem Jahr enorm. Das liege unter anderem an den Tarifen, wie Daniel Wilms aus dem Lüner DRK-Vorstand erklärt. Doch die Zuschüsse, die die Wohlfahrtsverbände vom Land bekommen, reichen längst nicht aus, um die hohen Kosten aufzufangen. Langfristig drohe dann, dass DRK und Caritas Angebote streichen müssten, dazu könnten auch Personalkürzungen beim Offenen Ganztag gehören. Dabei ist das bereits jetzt ein heikles Thema.
„Wir haben hier 15 OGS-Mitarbeiter, dazu gehören neben Erziehern und Kinderpfleger auch die Hauswirtschaftskräfte, ohne die es kein Mittagessen geben würde“, so Bettina Kliebisch. Mit ihrem Team, das Jungen und Mädchen in sechs Gruppen betreut, kann sie der Nachfrage an Betreuungsplätzen in Horstmar aber nicht gerecht werden. „Wir betreuen 150 Kinder und haben 58 auf der Warteliste.“ Täglich rufen bei ihr verzweifelte Eltern an, die auf der Suche nach einem OGS-Platz sind. „Bei manchen Eltern hängt der Job von einem Betreuungsplatz ab“, sagt sie.

Mehr Zeit für die Kinder
Auch die Mitarbeiter seien mit der aktuellen OGS-Situation nicht zufrieden. Denn der Personalmangel führt dazu, dass die Erzieher kaum Zeit haben, mit den Kindern wirklich zuarbeiten und auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen. „Wir sind vor allem mit Logistik beschäftigt und passen auf, dass nichts passiert“, so Bettina Kliebisch.
Dabei sei die Zeit in der Nachmittagsbetreuung für einige Kinder auch Familien-Ersatz, erklärt Andrea Blanke-Piepenkötter, stellvertretende OGS-Leitung bei der Caritas. Denn die Erzieher in der OGS übernehmen viel mehr als nur Hausaufgabenbetreuung. Sie bringen den Kindern Kompetenzen bei, die sie daheim nicht mitbekommen würden, weil die Eltern wenig Zeit haben. Für viele Kinder ist die OGS aber auch Sprachschule, gerade wenn sie einen Migrationshintergrund haben. Denn so können sie die deutsche Sprache gut lernen.
Die OGS habe einfach keine Lobby, bringt es Bettina Kliebisch auf den Punkt. Sie hofft zwar, dass bei der Politik ein Umdenken einsetzt. Dass die Wünsche auf den Wunschzetteln aber in Erfüllung gehen, daran glaubt sie weniger. „Da bin ich pessimistisch“, sagt sie.