Debatte um Reform der Bundesjugendspiele „Vergleiche gibt es in allen Fächern“

Debatte um die Reform der Bundesjugendspiele auch in Lünen
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Wer läuft am schnellsten, wirft oder springt am weitesten? All das wurde bei den Bundesjugendspielen in der Schule geklärt. Die Erinnerungen daran sind aber wohl sehr unterschiedlich – von großem Spaß bis zu Verunsicherung und Unwohlsein ist alles dabei. Ab diesem Jahr gibt es nun aber eine Reform der Bundesjugendspiele, die für kontroverse Diskussionen sorgt.

Denn es wird sie, wie man sie kennt, für die Grundschulen nicht mehr geben. Statt eines leistungsbezogenen Wettkampfes, bei dem die Schüler miteinander verglichen und später mit Ehren-, Sieger- oder Teilnehmerurkunde ausgezeichnet werden, soll es einen bewegungsbezogenen Wettbewerb geben. In der Praxis bedeutet das: Es wird nun auch in der dritten und vierten Klasse für die Schüler ein Sportfest geben, wie man es in vielen Fällen bereits aus den ersten beiden Klassen kennt.

Die Bundesjugendspiele hatten immer wieder in der Kritik gestanden, eine Demütigung für unsportliche Kinder zu sein. Die Verhinderung dessen ist nun auch der Hauptgrund für die Reform der Bundesjugendspiele. Insgesamt hatte diese für viele kontroverse Diskussionen in Gesellschaft und Politik gesorgt. Während einige das Fehlen des sportlichen Wettkampfs monieren, sehen andere die Abschaffung als Chance, auch unsportliche Kinder für den Sport zu begeistern.

Iris Lüken sieht Für und Wider bei der Debatte um die Bundesjugendspiele.
Iris Lüken sieht Für und Wider bei der Debatte um die Bundesjugendspiele. © Schulz-Gahmen

Auch Iris Lüken, Sprecherin der Grundschulen in Lünen und Schulleiterin der Osterfeld-Grundschule, sieht die zwei Standpunkte. „Mir fällt es schwer, das pädagogisch zu bewerten“, sagt Lüken. „Sicherlich haben beide Seiten ihre Berechtigung und auch gute Argumente.“

So kann die Schulleiterin durchaus die Gründe für die Reform verstehen. „Es gibt dann eben diesen Wettkampfgedanken“, erklärt Iris Lüken. „Und wenn man als Kind, das nicht so sportlich ist, da dann zwangsweise mitmachen muss, ist das schon schwierig.“

Obwohl sie das durchaus nachvollziehen kann, sieht sie eher die andere Seite. „Wir machen diese Vergleiche auch in Mathe, Deutsch oder Englisch“, sagt die Schulleiterin. „Und gerade in Sport wollen wir sie dann abschaffen? Kinder, die in den anderen Fächern Schwierigkeiten haben, können da dann mal ihre Stärken zeigen, wenn sie beispielsweise eine Ehrenurkunde gewinnen.“

Dass die Gefahr besteht, dass unsportliche Kinder ausgelacht werden, sieht Iris Lüken durchaus. „Natürlich darf das nicht sein“, sagt sie deutlich. „Aber auch über Kinder, die Mathe nicht können, wird leider gelacht. Wir haben die Wettbewerbe in allen Fächern.“

Matthias Flechtner hat als Schulleiter der Leoschule eine klare Meinung zur Reform der Bundesjugendspiele.
Matthias Flechtner hat als Schulleiter der Leoschule eine klare Meinung zur Reform der Bundesjugendspiele. © Leoschule

Ähnlich sieht es auch Matthias Flechtner, der Leiter der Leoschule. „Ich sehe die Reform der Bundesjugendspiele sehr kritisch“, sagt er. „Meiner Meinung nach müssen Kinder auch in dem Alter schon lernen, wie es ist zu verlieren. Das ist wichtig.“

Für unsportliche Kinder müsse es nicht unbedingt eine negative Erfahrung sein, bei den Bundesjugendspielen teilzunehmen. „Meine Erfahrungen sind, dass auch Kinder, die nicht so sportlich sind und am Ende vielleicht eine Teilnehmerurkunde bekommen, durchaus Erfolgserlebnisse feiern können“, so Flechtner.

Dazu nennt er ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr. „Ich bin da mit einem weniger sportlichen Kind die 800 Meter gelaufen. Und das Kind war dann sehr stolz, als es eine Runde geschafft hatte und hat auch Applaus von seinen Mitschülern bekommen.“

Hänseleien aufgrund von Unsportlichkeiten sieht er zumindest an seiner Schule nicht. „Ich glaube, dass das im Grundschulalter noch kein Problem ist“, sagt Flechtner. „Auf der höheren Schule, wo bei den Kindern die Pubertät beginnt, kann das schwierig werden. In der Grundschule sehe ich das noch nicht.“