Amir Renners Leben in Deutschland „Meine Kinder sollen dieselben Chancen bekommen wie ich“

Von Rosi Taslima Azam
„Meine Kinder sollen dieselben Chancen bekommen wie ich“
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In der Zeit nach dem Golf-Krieg war der Iran nicht mehr das, was er mal war. Das Land hatte sich verändert und der Wohlstand, der zuvor herrschte, fehlte nun. Das war auch Amir Renners (43) Familie bewusst. Für eine bessere Zukunft entschieden sie sich also, wegzuziehen. Kurz nach dem Mauerfall in 1989 kam Amir Renner dann mit seiner Familie in Frankfurt an und zog nach Dortmund. Seitdem war Deutschland sein Zuhause. Mit sieben eingeschult, dann auf das Gymnasium und anschließend ein erfolgreiches Wirtschaftsstudium: Er konnte sich schnell anpassen und lebte weiterhin im Ruhrgebiet.

„Ich habe erst mit 16 die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, habe mich aber schon davor dazugehörig gefühlt“, sagt Amir Renner, erfolgreicher Unternehmer bei der Ares GmbH in Brambauer und einer der Redner bei Demonstration gegen Rechts auf dem Lüner Marktplatz am Samstag (27.1.).

Das Deutschland, in dem Amir Renner aufgewachsen ist, war nicht so vielfältig, wie es heute ist. „Damals gab es nur eine Handvoll ausländischer Kinder auf dem Gymnasium. Jetzt ist es viel internationaler geworden“, erinnert sich der 43-Jährige zurück. Obwohl er nur eins von wenigen Kindern mit ausländischer Herkunft war, hat er sich nie wirklich ausgegrenzt gefühlt. „Klar, es gab immer Kinder, die mich etwas anders behandelt haben, aber wirklich unwillkommen habe ich mich noch nie gefühlt. Im Gegenteil: Die Deutschen fanden meine kulturellen Manieren sehr gut. Ich war auch nicht schlecht in der Schule. Das ergab ein gutes Bild gegenüber den Lehrern“, erläutert Amir Renner über seine Kindheit.

Auch in seiner beruflichen Laufbahn lief es gut: „Ich habe hin und wieder schon die Benachteiligung gemerkt. Ich habe weder helle Haare noch blaue Augen. Aber auf der Arbeit werde ich nun nur an meiner Leistung gemessen und nicht an meiner Herkunft.“

Zu Hause ist es am schönsten

„Ich habe Deutschland tatsächlich auch mal verlassen“, fügt Amir Renner hinzu. In den Jahren 2010 bis 2019 ist er in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen und war dort bei dem Unternehmen 360 Capital LLC bei M&A Projekten führend tätig. Heute ist er Teil der Geschäftsführung der Firma Ares GmbH in Lünen. Seit 2013 stellt das Unternehmen hier Spiegel und Badmöbel her. „Es war schön, aber ich habe mich einfach nicht zu Hause gefühlt. Ich wusste, dass ich irgendwann wieder zurückwollte“, sagt der heutige Prokurist.

Genau das tat er dann auch. Grund waren aber hauptsächlich seine drei Kinder. „Deutschland hat Standards, Rechte und Ordnung. In Dubai hatte ich das Gefühl, jeder sei auf sich selbst gestellt“, begründet er seinen Umzug. „Ich wollte, dass meine Kinder dieselben Chancen bekommen wie ich damals“, sagt Amir Renner.

Jedoch habe sich Deutschland, seit er aus dem Iran kam, verändert. „Es scheint so für mich, als habe der Lebensstandard hier im Lande sehr abgenommen. Die Regierung muss für mehr Wohlstand sorgen“, bemängelt er. Amir Renner sieht aber nichts Negatives in den Menschen: „Die Menschen sind keineswegs schlechter geworden. Ich denke, dass sie die Unzufriedenheit und Verzweiflung dazu drängt, bei bestimmten Parteien Zuflucht zu suchen und sich gegen Mitbürger zu stellen."

Auswirkung der Remigration

Remigration. Das Unwort des Jahres 2023. Ein Begriff, der vor allem in Verbindung mit der Partei AfD immer häufiger fällt. In der Regel spricht man bei einer Remigration von Bürgern ausländischer Herkunft, die das Land frei- oder unfreiwillig verlassen sollen. Was für viele Menschen unvorstellbar ist, war laut Correctiv-Recherchen im November 2023 in einem Potsdamer Hotel Gesprächsthema. Neonazis, finanzstarke Unternehmer, AfD- und CDU-Politiker trafen sich zu einer geheimen Sitzung und machten niederträchtige Pläne aus. Unter anderem auch die Remigration.

Welche Bürger wirklich davon betroffen wären und ob es wirklich umsetzbar wäre, ist nicht klar. Doch die Meinung vieler Menschen ist deutlich:

Tausende gehen seit Wochen in deutschen Städten auf die Straßen und protestieren gegen den Rechtsextremismus und für ein vielfältiges Deutschland. Das ist auch Thema für den zugezogenen Amir Renner – und das nicht nur als Staatsbürger, sondern auch als Arbeitgeber. „Realistisch gesehen wären 50 Prozent unserer Mitarbeiter betroffen. Das wäre ein großes Desaster für uns und viele andere Unternehmen. Ein Fachkräftemangel, den man nicht einfach wieder decken kann“, erläutert der Prokurist.

Das Unternehmen Ares GmbH in Lünen beschäftigt mit circa 150 Mitarbeitern eine bunte Mischung an Menschen. Unter anderem sind auch Arbeitnehmer aus rund zehn Ländern wie Pakistan, Türkei, Polen, Indien und Nepal vertreten.

Der Mann Amir Renner sitzt neben einem beleuchteten Badspiegel.
Amir Renner erzählt von seinen Erfahrungen und Gedanken als Kind und Erwachsener in Deutschland. © Rosi Taslima Azam

Gegen Rechts in Lünen

Rund 2500 Menschen haben sich am Samstag (27. Januar) in Lünen versammelt und gegen Rechts protestiert. Zu einer Einladung zur Demo hat Amir Renner direkt Ja gesagt. „Rainer Schmeltzer rief mich an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, meine Lebensgeschichte mal vorzustellen. Ich musste keinen Moment darüber nachdenken“, sagt Amir Renner.

Vor 2500 Lünerinnen und Lünern schilderte er auf dem Marktplatz seinen Lebenslauf in Deutschland, legte seine Gefühle und Gedanken offen. „Es war überwältigend. Während ich auf der Bühne sprach, sah ich, wie viele Menschen mir in der Kälte still zuhörten. Nach der Rede gaben mir die Menschen die Hand und dankten mir für den Auftritt“, erzählt er. Unter den Dankenden waren Deutsche ohne und mit ausländischer Herkunft. Einige dankten ihm dafür, dass deren Geschichte geteilt wurde: „Ich wollte den Menschen mit meiner Geschichte die andere Seite Deutschlands zeigen und sie dazu motivieren, zusammenzuhalten.“

Und seine Zukunft in Deutschland?

„Ich sehe es nicht so grau. Wir stecken gerade in einer Tiefphase, in der wir wegen einiger Fehlentscheidungen sitzen. Ich habe aber Vertrauen, dass es eine Kurskorrektur geben wird. Denn nach jedem Tief kommt immer ein Hoch“, sagt Amir Renner.

Für ihn ist die jetzige wirtschaftliche und soziale Lage eine Durststrecke, die man einfach durchhalten müsse. „Ich habe kein Interesse, irgendwann in naher Zukunft Deutschland zu verlassen. Hier sind ich und meine Familie zu Hause und das wird immer so bleiben“, sagt Amir Renner überzeugt.

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