Der Missbrauchs-Prozess um Lünens Ex-Vizebürgermeister Daniel Wolski Eine Chronologie

Der Missbrauchs-Prozess um Lünens Ex-Vizebürgermeister Daniel Wolski: Eine Chronologie
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Seine Festnahme hat im Oktober 2023 für Aufsehen gesorgt: Seitdem befindet sich der ehemalige Lüner Vize-Bürgermeister Daniel Wolski in Untersuchungshaft. Ihm wird der Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen. Von März bis Mai 2024 lief der Prozess vor dem Landgericht Bochum. Eine Chronologie.

Tag 1: Die Anklagepunkte

Blitzlichtgewitter zu Beginn: Begleitet von großem Medieninteresse beginnt der Prozess gegen Daniel Wolski (41) am 21. März 2024. Als der Angeklagte begleitet von zwei Justizvollzugsbeamten den Gerichtssaal betritt, ist sein Blick starr nach unten gerichtet - und wird dort die meiste Zeit während des ersten Prozesstages verharren. Wolski meidet Blickkontakt sowohl mit den rund 30 Zuschauerinnen und Zuschauern im Gerichtssaal als auch mit den Vertretern der Nebenklage.

40 Minuten dauert in der Folge die Verlesung der Anklageschrift. 36 Taten werden dem ehemaligen Lüner Vize-Bürgermeister vorgeworfen: versuchter sexueller Missbrauch eines Kindes, Sex mit Jugendlichen gegen Entgelt und der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie.

Fragen zu den einzelnen Anklagepunkten beantwortet der Angeklagte an diesem Tag nicht - mit Verweis auf ein „umfassendes Geständnis“, das am nächsten Verhandlungstag folgen soll. Schon am ersten Tag kündigt die Verteidigung bestehend aus Rechtsanwalt Edgar Fiebig und Rechtsanwältin Dr. Arabella Pooth aber an: Fragen der psychologischen Gutachterin will Daniel Wolski nicht beantworten.

Tag 2: Das Geständnis

„Ich schäme mich“ und „es tut mir von Herzen leid“, sagt Daniel Wolski emotional am zweiten Verhandlungstag. Es ist der Tag, an dem er alle Anklagepunkte gesteht. Über Stunden antwortet er auf Fragen der Kammer, die aus dem Vorsitzenden Richter Nils Feldhaus, einer weiteren Richterin und zwei Schöffen besteht. Das Geständnis umfasst 31 Übergriffe - zulasten von insgesamt 14 Missbrauchsopfern (elf Mädchen, zwei Jungen und ein Trans-Mädchen).

Ihnen, so sagt es die Verteidigung, wolle Wolski durch sein Geständnis eine Aussage ersparen. Außerdem wolle er freiwillig einen finanziellen Ausgleich leisten.

Tag 3 und 4: Beweisaufnahme beginnt

Nach dem Geständnis folgt die Beweisaufnahme - dazu hat die Kammer gleich mehrere Termine angesetzt. Als erster Zeuge kommt am dritten Verhandlungstag (9. April) der Ermittlungsführer der Polizei in den Saal. Es sei, so sagt dieser aus, nicht schwierig gewesen, nach den ersten Hinweisen in dem Fall zu ermitteln. Wolski habe mit seinem richtigen Namen gechattet, seine Handynummer freimütig mitgeteilt und mit dem politischen Amt, das er innehatte, in den Chats sogar teilweise regelrecht „geprahlt“. Seine Identität habe er demnach nicht versucht zu verschleiern.

Gleichzeitig, so der Eindruck des Ermittlers, sei er „sehr manipulativ“ gewesen. „Er hatte ein unglaubliches Gespür dafür, welche Knöpfe er bei wem drücken musste“, so der Polizist. Einer Frau aus Afrika habe er ein Visum versprochen - für Nacktbilder ihres Kindes. Einer anderen habe er vorgemacht, er sei beim Geheimbund der Illuminaten.

Der Polizist verweist auch auf den Kalender des Angeklagten, in dem er die Treffen mit den Jugendlichen sorgfältig notiert hatte. Genauso wie eine Erinnerung an sich selbst: „JKF danke sagen wegen der E-Mail, wenn alles gutgegangen ist.“ JKF sind die Initialen des Lüner Bürgermeisters Jürgen Kleine-Frauns. Er soll eine Mail mit Hinweisen auf ein mögliches Fehlverhalten von Wolski bekommen, gelöscht und Wolski darüber informiert haben. Gegen ihn laufen deshalb derzeit Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung.

Teil der Beweisaufnahme ist außerdem die Verlesung von Chats zwischen Wolski und seinen Opfern, die sehr sexualisiert und detailliert sind - und den Eindruck vermitteln, dass die Beweislast gegen den Angeklagten sehr hoch ist. Zudem werden Polizeibeamtinnen vernommen, die Opfer Wolskis befragt haben.

Tag 5: Zwei Zeuginnen

Für den fünften Verhandlungstag ist Nina Kotissek geladen. Sie ist Lüner Ratsfrau für die SPD, ehemalige Vorsitzende der Jusos - und ehemalige Partnerin des Angeklagten Daniel Wolski. Die Verlobte des Angeklagten - wie vorher auch von der Kammer spekuliert wurde - ist sie aber nicht, wie sie klarstellt. Weil es bei ihrer Befragung um intime Details zur früheren Partnerschaft mit Daniel Wolski geht, wird die Öffentlichkeit von der Vernehmung ausgeschlossen. Darum hatte Kotissek selbst gebeten.

Anders als eine heute 20-jährige Geschädigte, die schon am Vormittag des fünften Verhandlungstages ausgesagt hatte. In ihrer Aussage erklärte sie: „Ich glaube, der Herr Wolski zeigt keinerlei Reue. Er hat vielleicht Angst, als Sexualstraftäter im Gefängnis zu landen.“

Tag 6 und 7: Zahlungen an Opfer

Die Verlesung von Chat-Protokollen nimmt in dem Prozess mehrere Stunden ein - für Beobachter des Prozesses sind die sexuell expliziten Gesprächsverläufe des Angeklagten mit Minderjährigen schwer zu ertragen.

Die Untersuchung der bei Wolski beschlagnahmten Laptops ergibt außerdem: Zwischen 2005 und 2010 wurde auf den Computern über 3500-mal nach dem Schlagwort „Porn“ und 1300-mal nach „Teen“ gesucht. Auf den Laptops befanden sich zudem fast 2000 Dateien mit kinder- oder jugendpornografischem Inhalt.

An Tag 7 der Verhandlung sagt eine weitere Geschädigte aus - im Sinne ihrer Persönlichkeitsrechte bittet sie um Ausschluss der Öffentlichkeit, was ihr auch gewährt wird.

Die Verteidigung gibt am achten Verhandlungstag zu Protokoll, dass Wolski mit der Hilfe seiner Familie insgesamt 14.000 Euro an seine Opfer gezahlt hat. Der höchste Betrag (2000 Euro) ging an das zum Tatzeitpunkt zwölfjährige Kind, mit dem Wolski 2019 über einen längeren Zeitraum sehr vulgär gechattet hatte und das er zu Nacktfotos und zu einem Sextreffen im Auto drängen wollte.

Außerdem beantragt die Staatsanwaltschaft eine Verfahrensbeschränkung: Vier der insgesamt 36 angeklagten Fälle werden vorläufig eingestellt. Es handelt sich dabei um Fälle, die die Kammer für rechtlich nicht nachweisbar hält und die für das Gesamtbild des strafbaren Verhaltens nicht ins Gewicht fallen werden.

Tag 8: Das psychologische Gutachten

Am achten Tag des Prozesses trägt die forensische Sachverständige Dr. Maren Losch ihr psychologisches Gutachten zu Daniel Wolski vor. Allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da auch im Prozess nicht öffentlich getätigte Zeuginnenaussagen darin einfließen können.

Nach außen dringt im Anschluss dennoch: Die Gutachterin hält den Angeklagten für voll schuldfähig. Ihm seien zwar eine pädosexuelle Orientierung und eine Störung der Sexualpräferenz zu attestieren, allerdings nicht in dem Schweregrad, dass die Straffähigkeit dadurch gemindert oder gar aufgehoben werden könne.

Die Beweisaufnahme ist damit abgeschlossen.

Tag 9: Die Plädoyers

Auch die Plädoyers finden hinter für die Öffentlichkeit verschlossenen Türen statt - auch hier aus dem Grund, dass Zeuginnenaussagen aus dem nicht öffentlichen Teil des Prozesses in der Argumentation herangezogen werden könnten.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, wie Gerichts-Sprecherin Kaja Kovacs im Anschluss an die Plädoyers erklärte. Die Verteidigung hingegen hofft auf eine Bewährungsstrafe - auf Wunsch des Angeklagten selbst. Eine Bewährung ist grundsätzlich nur bei einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren möglich.

Tag 10: Letztes Wort und Urteil

Das Urteil fällt am 14. Mai 2025 gefallen. Daniel Wolski wird schuldig gesprochen. Er muss für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Wolski hat Revision eingelegt und ist seit dem Urteil auf freiem Fuß.

BGH kippt Urteil

Am 12. März 2025 ordnet der vierte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) einen weiteren Wolski-Prozess an. Der Grund ist eine Gesetzesänderung. Nach dem Urteil gegen Wolski war der Paragraf 184b im Strafgesetzbuch geändert worden. Die 2021 auf ein Jahr erhöhnte Mindeststrafe für den Straftatbestand wurde wieder auf drei Monate abgesenkt. Das „mildere Gesetz“ soll nun auch für Wolski greifen.

Nichts ändert sich aber an dem Urteil an sich, das nun rechtskräftig ist. Daniel Wolksi ist damit ein Sexualstraftäter.