Im 40. Jahr nach ihrer Gründung 1983 steht die in der evangelischen Kirchengemeinde Brambauer beheimatete Kleiderkammer vor dem Aus. Nach der vorübergehenden Schließung von Januar bis März dieses Jahres wird es keinen Neustart Anfang April geben. Der Grund: Unüberbrückbare Differenzen zwischen den sechs ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Kleiderkammer und dem Presbyterium der Gemeinde mit Pfarrerin Isabelle Niehus an der Spitze des Leitungsgremiums.
Aus Sicht der Ehrenamtlichen rund um Brigitte Gödecke (70) nahm das Unheil im Herbst vergangenen Jahres seinen Lauf. Um genau zu sein, am 18. Oktober 2022. An jenem Dienstag beschloss das Presbyterium der Kirchengemeinde, nachzulesen im Gemeindebrief Dezember 2022/Januar 2023, ein Hunde- und Haustierverbot:
„Damit bei keinem Gottesdienstbesucher und Gemeindehausbesucher Unwohlsein oder gesundheitliche Probleme hervorgerufen werden, beschließt das Presbyterium der Kirchengemeinde Brambauer, dass Hunde und andere Haustiere, außer Assistenztiere, weder in die Martin-Luther-Kirche noch ins Gemeindehaus dürfen.“

Allergie gegen Hundehaare
Unterschrieben ist das Verbot von Pfarrerin Isabelle Niehus. Die noch in Dortmund lebende Pfarrerin arbeitet seit September vergangenen Jahres in Brambauer und leidet nach eigenen Angaben unter einer Allergie gegen Hundehaare. Problem dabei:
Seit September 2022 kümmert sich Brigitte Gödeke nicht nur um die Kleiderkammer, sondern vorübergehend - bis April 2023 - auch um einen Welpen, einen Münsterländer namens George. Weil George nicht unbeaufsichtigt bleiben kann, nimmt Gödeke das Tier mit zur Kleiderkammer-Arbeit ins Gemeindehaus. Zur Freude ihrer Mitstreiterinnen und donnerstags, da öffnet das Gemeindehaus für Kunden der Kleiderkammer seine Pforten, auch zur Freude der Kundschaft.
„Den Kleinen hat man doch gar nicht bemerkt, der lag die meiste Zeit unter den Verkaufstischen. Beschwerden gab es nie. Im Gegenteil.“ Das sagt Lisa Hübner (67), die wie Brigitte Gödeke seit 30 Jahren bei der Kleiderkammer aktiv ist.
Eine Beschwerde gibt es dann doch noch. „An einem Donnerstag im November kam die Pfarrerin in den Verkaufssaal und zitierte Brigitte in ihr Büro im Gemeindehaus“, erinnert sich Rita Joosten (66). Dort habe die Pfarrerin die Leiterin der Kleiderkammer vor die Wahl gestellt, fortan ohne Hund zu kommen oder aber zu Hause zu bleiben und die Arbeit von den anderen Ehrenamtlichen machen zu lassen. Was die eingeschworene Truppe rund um Brigitte Gödecke kategorisch ablehnt. Mit der Folge, dass die Kleiderkammer von Januar bis März 2022 geschlossen bleibt.

Kurzer Dank an Mitarbeiter
Den Vorschlag der Ehrenamtlichen, von Januar bis März nur dann ins Gemeindehaus samt Welpen zu kommen, wenn die Pfarrerin nicht anwesend ist, soll Isabelle Niehus zuvor mit den Worten abgelehnt haben: „Ich lasse mich nicht erpressen, ich lasse mir meine Termine nicht vorschreiben.“
Am 24. Februar dieses Jahres erreicht dann folgende Pressemitteilung des Presbyteriums unsere Redaktion - mit der Bitte um Veröffentlichung. Hier der Text im Wortlaut:
- Nach der befristeten Schließung der Kleiderkammer der Evangelischen Kirchengemeinde Brambauer suchte das Presbyterium als Leitungsgremium nach einer Lösung.
- Unter einem neuen Konzept, das das Presbyterium der Kirchengemeinde erarbeitet und in seiner Februar-Sitzung verabschiedet hatte, sollte eine Wiedereröffnung stattfinden. Dazu wurde das Team der Kleiderkammer Brambauer in einem Gespräch über die neuen Regelungen informiert.
- Leider fand das neue Konzept keine Annahme beim Team, sodass die Damen der Kleiderkammer die Schließung beschlossen. Aufgrund der Schließung können auch ab sofort keine Spenden mehr angenommen werden.
- Wir danken allen langjährigen Mitarbeitenden der Kleiderkammer für ihr Engagement.
Drei Tage zuvor, am 21. Februar, erhalten die Ehrenamtlichen einen Anruf des Presbyteriums, sie möchten doch bitte am nächsten Tag ins Gemeindehaus kommen. Was dann dort passiert, lässt die Frauen ungläubig zurück.
Jürgen Salamon, stellvertretender Vorsitzender des Presbyteriums, verliest das neue Kleiderkammerkonzept, das vom 1. April an gültig sein soll. Für den Fall der Fälle bekommt das Kleiderkammer-Team auch noch ein schriftliches Exemplar ausgehändigt.
Strafenkatalog?
Weil dieses vermeintliche Konzept nach Meinung des Teams mehr einem Strafenkatalog ähnelt, lehnen sie es ab. Wohlwissend dass damit das Aus der Kleiderkammer nach knapp 40 Jahren besiegelt ist.
Laut dem Konzept, das unserer Redaktion vorliegt, soll unter anderem der Verkaufsraum halbiert, die Lagerräume reduziert und das zum Verkauf stehende Warenangebot bis auf Textilien reduziert werden. Schlimmer jedoch treffen die Ehrenamtlichen folgende Punkte:
- Der Erlös der Kleiderkammer wird aufgeteilt: 50 Prozent fallen der Kirchengemeinde zu, der Zweck wird jeweils durch das Presbyterium bestimmt. 50 Prozent werden gemeinnützigen Zwecken oder Vereinen zugeordnet. Diese können durch das Team der Kleiderkammer bestimmt werden, müssen jedoch vom Presbyterium genehmigt werden.
- Bei Verstoß gegen die vom Presbyterium vorgegebenen Regeln im Gemeindehaus wird zunächst ein Verweis ausgesprochen.
- Bei wiederholtem Verstoß wird der Schlüssel entzogen, um den einfachen Zugang zum Gemeindehaus zu verhindern.
- Wird dennoch weiterhin gegen die Regel verstoßen, wird ein Hausverbot erteilt.
- Zum Durchsetzen dieser Regeln sind alle Mitglieder des Presbyteriums der Kirchengemeinde Brambauer berechtigt.

Allgemeine Stellungnahme
Wie das Team der Kleiderkammer übereinstimmend erklärt, sei es bislang so gewesen, dass von den jährlichen Einnahmen von 25.000 bis 30.000 Euro - in der Zeit vor Corona - etwa ein Viertel an die Gemeinde und der Rest in und an karitative sowie gemeinnützige Zwecke und Institutionen geflossen sei: „Warum jetzt 50 Prozent an die Gemeinde gehen sollen, erschließt sich uns nicht.“
Einen umfassenden Fragenkatalog rund um die vorübergehende und nun endgültige Schließung der Kleiderkammer und speziell der damit im Zusammenhang stehenden Allergie der Pfarrerin Isabelle Niehus gegen Hundehaare beantworteten weder die Geistliche noch das Presbyterium. Vielmehr erreichte die Redaktion eine allgemeine Stellungnahme. Hier wiederum Auszüge im Wortlaut:
- Der zeitliche Aufwand für den Auf- und Abbau sowie für das Sortieren der Waren mittlerweile ist kaum noch durch die vorhandenen Personen zu bewerkstelligen.
- Durch die Änderungen bei Lager- und Verkaufsflächen soll eine Erleichterung geschaffen werden. Die Beschränkung auf Textilwaren soll den Fokus der Arbeit der Kleiderkammer wieder auf das Wesentliche richten.
- Eine Hälfte der Einnahmen der Kleiderkammer wird in die Arbeit der Gemeinde investiert, zum Beispiel für die Senioren-Arbeit, Frauenarbeit und die Kinder- und Jugendarbeit. Mit dem anderen Teil werden andere gemeinnützige Vereine unterstützt.
- Eine Aufteilung der Gelder war seit Beginn der Kleiderkammer üblich und ist jetzt in die neue Konzeption aufgenommen.
- Die Evangelische Kirchengemeinde Brambauer würde es sehr begrüßen, wenn die Arbeit der Kleiderkammer mit einem veränderten Konzept, das die oben beschriebenen Herausforderungen berücksichtigt, weitergeführt werden könnte.
Daraus wird nichts. Dafür sei, so heißt es beim Kleiderkammer-Team auf Nachfrage unserer Redaktion am Montag (12. März), zu viel Porzellan zerschlagen worden.
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