Ein Bestattungsinstitut ist dunkel, die Vorhänge sind zugezogen und die Trauer hängt wie ein schwerer Nebel in den Räumen – so zumindest die Vorstellung. Die Realität sieht heute in vielen Bestattungsinstituten tatsächlich ganz anders aus. Im Bestattungshaus Kirchoff-Merten zum Beispiel.
Der Eingangsbereich ist groß. Der hellgraue Boden sorgt für Helle und Modernität. Die vielen Lampen an den weißen Wänden werfen ein wohltuendes Licht in den Raum. Der Besprechungsraum ist gepflegt und mit geschwungenen Elementen dekoriert. In der Mitte steht ein ovaler Holztisch mit gepolsterten Stühlen. Der Raum erinnert eher an das Esszimmer einer Familie. Nur die Box mit den Taschentüchern gibt einen Hinweis auf die eigentliche Funktion des Raumes. Neben Infobroschüren und Flyern stehen Schalen mit Blumen und Stillleben aus Holz. Ansonsten ist es schlicht und außerdem sehr ruhig.

Inhaber Markus Merten arbeitet seit 35 Jahren als Bestatter. „In dieser Zeit hat sich einiges verändert“, sagt er. Zum Beispiel sei der kirchliche Einfluss auf Bestattungen zurückgegangen. Das zeigt auch eine Statistik der Verbraucherinitiative Bestattungskultur aeternitas. Demnach ging die Anzahl der kirchlich begleiteten Bestattungen in Deutschland von knapp 600.000 im Jahr 2000 auf rund 490.000 im Jahr 2020 zurück.
Statt Pfarrer halten nun zu einem großen Teil weltliche Trauerredner die letzten Worte an den Verstorbenen. „Oft ist die fehlende Verbindung zur Kirche oder zum Pfarrer der Grund dafür“, erzählt Merten. Viele seien zwar noch Mitglied in der Kirche, wünschen sich aber eine ganz persönliche, individuelle Rede für die Verabschiedung.
Trauerkultur auf den Kopf gestellt
Aber nicht nur die kirchliche Bestattungstradition ändert sich. Auch die traditionell schwarze Kleidung am Beerdigungstag weicht immer mehr einem bunten Dresscode. Mit einem Lächeln im Gesicht erzählt Merten: „Einige Verstorbene wünschen sich auch, dass Familie und Freunde mit Sekt am Grab anstoßen“
Die Corona-Pandemie hat die Trauerkultur noch weiter auf den Kopf gestellt. Digitale Bestattungen oder aufgenommene Videos von Trauerfeiern stellten die kontaktlose Alternative zur persönlichen Trauerfeier dar. Allerdings, meint Merten, werde die digitale Bestattung kein Trend für die Zukunft. Der direkte Kontakt mit den Menschen sei wichtig. Gerade in seiner Branche sei es bedeutend, die Stimmungen und Gefühle persönlich zu erfahren, um darauf reagieren zu können.

„Das ist ein Klassiker“
Bei der Gestaltung der Särge hat sich ebenfalls etwas verändert. In der kleinen Ausstellung im hinteren Teil des Bestattungsinstituts lassen sich einige Beispielsärge betrachten. Wo früher Blumen und Ornamente die Särge schmückten, befinden sich heute kunstvolle Dekorationen wie die Darstellung des Lebensweges durch einen Weg aus kleinen Steinen auf dem Deckel des Sarges.
Darüber hinaus sind die Särge eher schlicht. „Funktional sollen sie sein“, meint Merten. Er zeigt auf einen Sarg aus Eichenholz: „Das ist ein Klassiker“. Der Klassiker kostet 1398 Euro. „Und außerdem nachhaltig.“ Er achtet genau darauf, woher er sein Sarg-Holz bezieht.
Preise für Urne geringer
Allerdings ist die Erdbestattung in einem Sarg nicht mehr die favorisierte Art der Bestattung. Laut einer Statistik der Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen hat sich das Verhältnis von Erd- und Feuerbestattung in den Jahren 2017 bis 2021 zugunsten der Feuerbestattung verändert. Waren 2017 noch 30 Prozent der Bestattungen Erdbestattungen, so waren es 2021 nur noch 23 Prozent. Die restlichen 77 Prozent sind Feuerbestattungen. Ein Trend, der auch in Lünen zu beobachten ist. Das liegt besonders an den Kosten.
„Die Preise für die Bestattung einer Urne sind nur halb so groß, weil eine Urne ja auch nur die Hälfte des Platzes braucht. Damit sind auch die Friedhofskosten günstiger“, erklärt Merten.
„Die detailreiche und frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Tod kommt langsam auch in Deutschland an. Andere Länder sind da schon weiter“, meint der Bestatter.
Das Leben feiern
Thorsten Fischer, ebenfalls Bestatter in Lünen und seit 1983 im Beruf, sagt: „Die ganze Branche hat sich komplett gewandelt.“ Während vor 40 Jahren seine Aufgabe vor allem darin bestanden habe, Särge zu verkaufen, ist er heute vor allem Trauerbegleiter und richtet Beerdigungen mit ganz vielen Extras aus. Die Feuerbestattungen haben sich verdoppelt, weiß auch er. Etwa 80 Prozent wünschten das heute. Außerdem sei der kirchliche Einfluss kaum noch vorhanden.
Kurz beschrieben: „Es wird bunter, freier und vor allem individueller.“
Statt mit Begleitung von Orgelmusik bestatten Angehörige die Verstorbenen nun zu individueller Musik von CD. „Die gesamte Gestaltung ist lockerer, es gibt einen weniger festen Rahmen, nicht mehr diese starre Form“, sagt Fischer. Vielen Angehörigen sei es wichtig, die Trauerfeier persönlich zu gestalten.

Vor einer Weile habe er eine Trauerfeier in Schwarz-Gelb ausgerichtet, gibt Fischer ein Beispiel. Dazu gab es einen Umtrunk mit Bier. „Die Beerdigungen entwickeln sich immer mehr zur Feier“, berichtet er und ist dabei diesem Prozess gegenüber äußerst aufgeschlossen: „Ich kann mich gut mit dem Positiveren Identifizieren“, sagt er, um dann anzumerken: „Warum heißt es eigentlich Trauerfeier, statt Freudenfeier? Warum feiern wir nicht nochmal das Leben?“
So, als er die Beerdigung für einen 12-jährigen Jungen ausgerichtet hatte: Mit Luftballons und vielen Fotos. „Ich hoffe, dass wir es geschafft haben, ihn in die Feier zu holen, damit wir ihn positiv in Erinnerung behalten.“
Wir müssen den Tod anders begreifen“, wünscht sich Fischer.
Hintergrund
Dadurch, dass es immer mehr Feuerbestattungen gibt, kann es immer mal zu kleinen Staus im Krematorium kommen. Doch für Bestattungen gelten feste Fristen: Bei Erdbestattungen muss der Sarg nach maximal 14 Tagen unter die Erde gebracht sein.
Bei Feuerbestattungen gilt eine Frist von maximal zehn Tagen bis zur Einäscherung. Nach maximal 30 Tagen muss die Urne bestattet sein. Bei einer Überführung ins Ausland gelten die dortigen Fristen.
Die meisten der Lüner Bestatter haben eine Beteiligung an dem Krematorium in Hamm. Dort gibt es vier Kremationsöfen, und so komme es nie zu Verzögerungen, berichtet Thorsten Fischer. Das bestätigt unter anderem auch Irina Möcke, deren Bestattungsinstitut Möcke Standorte in Lünen und Werne betreibt. „Die Einäscherungen laufen reibungslos. Wir können immer alle Fristen einhalten.
Falls es doch einmal länger dauert, bis die Bestattung vollzogen werden kann, liege das fast immer an den Angehörigen, die zu den Feierlichkeiten zusammenkommen müssen. „Ich bin kein Typ für ein Auf-die-lange-Bank-Schieben“, bemerkt Fischer. „Vor allem für die Angehörigen ist die Beerdigung ein wichtiger Schritt, der nicht verzögert werden darf.