Adrian Kersting bringt den Blick aus der freien Wirtschaft mit: Der neue Bau- und Umweltdezernent beim Kreis Unna ist seit dem 1. Juli im Amt. Der gebürtige Werner bezeichnet sich selbst als heimatverbunden: „Ich bin Poahlbürger.“
Der 37-Jährige verantwortete zuletzt den Bereich Straßen, Verkehr und Stadtentwässerung im Rathaus seiner Heimatstadt. „Verheiratet, keine Kinder, dafür einen Hund“, erzählt der Diplom-Bauingenieur lachend, bevor er sich im Gespräch mit dieser Redaktion vor allem über den Bereich Bauen äußert.
Können Baugenehmigungen beschleunigt werden?
Das Kreisbauamt ist bei der Genehmigung von Bauvorhaben nur für Bönen, Fröndenberg und Holzwickede zuständig. In alle anderen kreisangehörigen Städten sind die örtlichen Bauämter zuständig.
Offensiv biete der Kreis seine Bauberatung an. „Viele Fragen kann man damit schon im Vorfeld erschlagen“, so Kersting. In der Regel klärten sich Probleme bei einem Vorhaben schon im Rahmen der Bauvoranfrage, die meist von Architekten gestellt werde. Die Bauberatung könne aber jeder private Bauherr ohne konkrete Bauvoranfrage nutzen. Kontakt: bauordnung@kreis-unna.de oder Tel. (0 23 03) 27-26 63.

Kritisiert auch ein Baudezernent Bauvorschriften?
Adrian Kersting lächelt sofort. Und hat gleich ein plastisches Beispiel von seinem eigenen Heim zur Hand. Ein Haus aus den 1960er-Jahren besitzen er und seine Frau in Werne – mit einem engen Treppenhaus.
Es könne daher kein Rollstuhlfahrer in die oberen Geschosse gelangen. Wenn Ehepaar Kersting das Dachgeschoss ausbauen will, greifen allerdings Brandschutzvorschriften, die einen zweiten Rettungsweg aus jedem Aufenthaltsraum fordern, sowie der Runderlass zur Größe von Rettungswegfenstern: Es müsste ein 80 x 80 Zentimeter großes Fluchtfenster ins Dach gebaut werden.
„Das Argument zählt nicht“, weiß Adrian Kersting mit Blick darauf, dass nicht gehfähige Menschen niemals die oberste Etage bewohnen würden. „Das verhindert auch eine entsprechende Nachverdichtung“, merkt der Bauingenieur an. Obwohl doch alles daran gesetzt werden solle, ohne weitere Flächenversiegelung und trotz knappen Baulandes dennoch mehr Wohnraum zu schaffen.
Strenge Vorschriften zur Barrierefreiheit bei Neubauten seien „isoliert betrachtet absolut nachvollziehbar“. Er kenne aber aus seiner Studentenzeit auch die nicht einleuchtende Regel, dass in einer WG jedes Badezimmer barrierefrei ausgebaut sein muss.
Der Gesetzgeber justiere indes auch nach, wenn sich Vorschriften als nicht praktikabel herausgestellt haben: Ein früher noch vorgeschriebener Leitersteig neben jeder Dach-Photovoltaikanlage sei heute entbehrlich; offenbar stellte sich kein Feuerwehrmann zum Löschen neben die brennenden Solarmodule.
Kann der Kreis Unna bei Wohnraumförderung helfen?
Im Mai sind die neuen Richtlinien des Landes NRW für die Jahre 2023 bis 2027 veröffentlicht worden. Förderschwerpunkte sind unter anderem der Neubau von bezahlbarem Mietwohnraum, der Erwerb und Neubau von selbst genutztem Wohneigentum sowie die Modernisierung von bestehendem Wohnraum.
Dem Kreis Unna wurde ein Förderbudget in Höhe von 16,2 Millionen Euro für das Förderjahr 2023 zugewiesen. Da dürfte sich das Nachrechnen auch bei privaten Bauwilligen noch einmal lohnen.
Die Ansprechpartner für die Beratung und Beantragung der Fördermittel im Kreis Unna sind Maren Kolter und Andreas König. Sie sind erreichbar unter Tel. (0 23 03) 27 18 60 und (0 23 03) 27 19 60 oder per Mail an andreas.koenig@kreis-unna.de und maren.kolter@kreis-unna.de. Wer Interesse an der öffentlichen Wohnraumförderung hat, kann auch eine Mail an wohnraumfoerderung@kreis-unna.de schicken.
Wie digital ist das Kreisbauamt bereits?
Die digitale Bauakte soll 2024 kommen. So hat es jedenfalls die Ministerpräsidenten-Konferenz kürzlich kund getan. Details kennt auch der Kreisbaudezernent noch nicht.
Bislang kann beim Kreis der Bauantrag zwar digital gestellt werden, Anlagen müssen indes noch in Papierform beigebracht werden. Man werde aber vermutlich schnell reagieren können, wenn die Digitalisierung ausgebaut werden muss.
Mithilfe des Bauportal NRW können Bauanträge und weitere Unterlagen komplett digital an die zuständige Bauaufsichtsbehörde übermittelt werden, wenn sich diese an das Bauportal angeschlossen hat.
„Die Kommunen entscheiden entsprechend ihren Möglichkeiten, ob und wie sie für ihren Zuständigkeitsbereich eine Antragstellung über das Bauportal.NRW ermöglichen werden“, heißt es beim NRW-Bauministerium.
Sehr weit bei der Digitalisierung ist schon das Vermessungswesen, für das Adrian Kersting ebenfalls zuständig ist. Wenn es Streit um den richtigen Grenzverlauf gibt oder Grenzzeichen neu gesetzt werden sollen, ist eine Grenzvermessung notwendig. Informationen hierzu unter vermessung@kreis-unna.de oder
Tel. (0 23 03) 27-19 68.

Wie geht das Kreisbauamt mit Schwarzbauten um?
Wolle man überhaupt systematisch nach Schwarzbauten fahnden, reichten hierzu auch die vom Regionalverband Ruhr regelmäßig erstellten Luftbilder aus, die so scharf seien, dass man nahezu jede Veränderung hinter dem Haus erkenne.
Die personellen Kapazitäten gebe es dafür aber in seinem Dezernat überhaupt nicht. „Wenn ich meine Mitarbeiter ansonsten nicht auslasten könnte, würde ich sie daran setzen“, sagt Adrian Kersting schmunzelnd.
Selbstverständlich laufe bei konkreter Kenntnis von Schwarzbauten ein Verfahren an. Es gebe dann Ermessen. War der Bau genehmigungsfähig und stört Dritte gar nicht? Dann kommen die Eigentümer oft mit Strafzahlungen davon – es wird eher selten ein Abriss verfügt.
Was allerdings vorkomme: anonyme Hinweise. „Man bekommt dann einen chemisch gereinigten Brief“, beschreibt Kersting die anschwärzende Post. Es werde noch nicht einmal von „Nachbarn“ in den Briefen gesprochen, um kein Indiz auf den Absender zu geben. Wenn nicht eklatant Gefahr in Verzug sei, weil der Schwarzbau vielleicht nicht standsicher sein könnte, lande solche Post im Papierkorb. Es handele sich da wohl meist um Nachbarschaftsstreitigkeiten. „Die befeuern wir nicht“, stellt der Dezernent klar und lässt auch keinen Zweifel an seiner Missbilligung anonymer Hinweise: „Dann erwarte ich von Nachbarn auch einen Arsch in der Hose.“
Welche Schwerpunkte kann ein Baudezernent setzen?
Adrian Kersting nennt ein Beispiel: den Flächenverbrauch bei Kulturlandschaften. Der Kreis Unna hat vor vielen Jahren Ökokonto und Flächenpool bei der Bauleitplanung eingeführt. Der Kerngedanke: Durch Bebauung vermutlich verlorengehende Strukturen und/oder Funktionen von Landschaft sollen möglichst in unmittelbarer Nähe oder notfalls woanders bereitgestellt werden.
Kulturlandschaften, die sich dazu eignen, sind oft bewirtschaftete Äcker. Adrian Kersting hält diese landwirtschaftlichen Flächen ebenfalls für erhaltenswert. Daher möchte er gemeinsam mit Achim Wörmann, dem neuen Leiter des Fachbereichs Mobilität, Natur und Umwelt, das Konzept langfristig ändern: Landwirte könnten ihre Felder über die Fruchtfolge oder mit der Aussaat von Blühstreifen ökologisch aufwerten, sie aber auch weiter als Nutzfläche einsetzen. Zunächst sollen einige Beispielflächen hierzu gemeinsam mit Landwirten auserkoren werden, bevor das Konzept dem Kreistag vorgestellt wird. „Das ist ein Anspruch von mir, ein Big Point“, sagt Adrian Kersting.