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Aus nach 58 Jahren: Reisebüro Mohr ist das nächste Corona-Opfer
Ladensterben
Nach der Fleischerei Radtke und dem Flying Dutchman jetzt das Reisebüro Mohr: Corona zwingt in Kamen ein weiteres Unternehmen in die Knie. Am Hauptsitz in Lünen geht es auch im Lockdown weiter.
Ein weiteres Traditionsunternehmen gibt wegen der Corona-Krise auf: Das Reisebüro Rudolf Mohr, seit 58 Jahren in Kamen ansässig, verlässt den Standort an der Adenauerstraße 2 und konzentriert sich auf das Geschäft an seinem Hauptsitz am Willy-Brandt-Platz 3 in Lünen und einer weiteren Filiale an der Hochstraße 82 in Waltrop.
„Das Geschäft belebt sich einfach nicht und es ist einfach nicht absehbar, wann man wieder richtig reisen kann“, sagte Inhaberin Dorothee Mohr in Lünen auf Anfrage. „Es ist deswegen besser, sich auf weniger auszurichten.“

Das Reisebüro Mohr liegt in der Fußgängerzone und profitierte von der Nähe zum Einkaufszentrum Kamen-Quadrat. 2016 hatte das etablierte Reisebüro den Standort gewechselt und war aus dem Pavillon am Willy-Brandt-Platz gezogen. © Stefan Milk
Abschied in der letzten Woche im März
Neben dem Reiselädchen an der Weststraße, dem Reisebüro Stoffregen am Willy-Brandt-Platz und Allmedia an der Bahnhofstraße zählt Mohr als Derpart-Reisebüro zu den arrivierten und beliebten Reiseverkäufern in Kamens Stadtmitte. „Sonnige Volltreffer für die ganze Familie“, so heißt es, gibt es auf der Website und in den Büros vor Ort zu buchen – von der deutschen Ostseeküste bis zur Dominikanischen Republik.
Nun ist der Abschied aus dem gepachteten Ladenlokal vis-à-vis des Einkaufszentrums Kamen-Quadrat in der letzten Woche im März geplant. „Ein genauer Termin steht noch nicht fest, aber kurz vor April wollen wir den Umzug angehen“, so Mohr. Die Entscheidung gegen Kamen sei ihr „sehr, sehr schwer gefallen. Das war wirklich nicht leicht“. Zwei Mohr-Kräfte wechseln jetzt ins Reisebüro Lünen, eine dritte Mitarbeiterin hat bereits einen anderen Job gefunden.
Umsatz um etwa 90 Prozent eingebrochen
Im Mohrschen Reisebüro brach in der Corona-Krise der Umsatz um etwa 90 Prozent ein, eine dramatische Entwicklung, von der auch die Inhaber der drei anderen Reisebüros in Kamen berichteten. Die Kritik, dass staatliche Unterstützung nicht rechtzeitig geflossen sei, so wie es von anderen Unternehmen formuliert wurde, kann Mohr nicht teilen. „Das ging bisher sehr schnell, allerdings musste man dafür auch viel tun“, berichtet sie.
Die Hilfen von Land und Bund könnten allerdings bei weitem nicht die Verluste der Krise auffangen. „Und das soll ja auch kein Geschäftsmodell werden, wir wollen ja Reisen verkaufen“, sagt die Expertin.
Kundenbetreuung weiterhin am Stammsitz in Lünen
Wichtig ist Mohr, dass ihre Kunden wissen, dass alle reisetechnischen Vorgänge, die in Kamen angelegt wurden, auch am Stammsitz in Lünen, den es seit 1959 gibt, weiter bearbeitet werden.
„Auch alle Gutscheine behalten ihre Gültigkeit“, versichert sie. Auf 200 Quadratmetern bietet das traditionsreiche Reisebüro nach wie vor seinen Service an, im Lockdown hinter geschlossenen Ladentüren allerdings telefonisch oder über die Website.
Mohr hatte zusammen mit anderen Reisebüros vor etwas über 40 Jahren den Reisevertrieb „Derpart“ gegründet – bundesweit eine der größten Reiseplattformen; etwa 450 Reisebüros sind Franchisenehmer der Firma.
Aussichten in der Reisebranche nicht gravierend verbessert
Seitdem die Reisebranche vor ca. einem Jahr unter Corona zusammengebrochen ist, haben sich die Aussichten für die Reisebüros und Reiseveranstalter nicht gravierend verbessert. „Es ist fraglich, wie künftige Reisen vonstatten gehen können, wir kennen die Testvorschriften nicht und wie damit in Hotels und den Fluggesellschaften verfahren wird“, verweist Mohr auf große Unsicherheit und mangelnde Perspektiven bei einem Großteil der Destinationen.
Ladenlokal an der Adenauerstraße hat 100 Quadratmeter
Das Reisebüro Mohr war im Jahr 2016 aus dem Pavillon am Willy-Brandt-Platz zur Ecke Kamp-/Adenauerstraße gezogen. Das jetzige Ladenlokal an der Adenauerstraße in Kamen ist 100 Quadratmeter groß und offenbar noch nicht wieder verpachtet. Zuvor hatten die Fleischerei Radtke und die Gaststätte „Flying Dutchman“, beide an der Bahnhofstraße angekündigt, ihre Standorte aufzugeben. Ob das Reisebüro vielleicht doch noch einmal nach Kamen zurückkehrt, falls das Geschäft nach Corona wieder anläuft, will die Dorothee Mohr nicht ausschließen. „Man soll niemals nie sagen.“
Jahrgang 1968, aufgewachsen in mehreren Heimaten in der Spannbreite zwischen Nettelkamp (290 Einwohner) und Berlin (3,5 Mio. Einwohner). Mit 15 Jahren erste Texte für den Lokalsport, noch vor dem Führerschein-Alter ab 1985 als freier Mitarbeiter radelnd unterwegs für Holzwickede, Fröndenberg und Unna. Ab 1990 Volontariat, dann Redakteur der Mantelredaktion und nebenbei Studium der Journalistik in Dortmund. Seit 2001 in Kamen. Immer im Such- und Erzählmodus für spannende Geschichten.
