Lünen bietet Jugendlichen zu wenig Ausbildungsplätze an. Die Nacht der Ausbildung (Archivfoto) konnte aufgrund der Pandemie in diesem Jahr nur online stattfinden. Arbeitsagentur und Jobcenter fordern  parteiübergreifend eine Allianz für Ausbildung und Beschäftigung.

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Appell an Lüner Politik und Firmen: Mehr Ausbildungsplätze und gute Jobs

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Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze in Lünen und mehr arbeitslose Jugendliche als im Januar 2020. 95 Prozent von ihnen haben keinen Berufsabschluss. Ein Appell fordert Politik und Firmen.

Lünen

, 01.07.2021, 13:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Lünen allein kann jungen Leuten nicht genügend Ausbildungsplätze bieten. Das bedeutet: Viele müssen pendeln und sich in der Region orientieren. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Orte mit öffentlichen Verkehrsmittel kaum zu erreichen sind. In Lünen bewerben sich statistisch gesehen zehn Jugendliche auf 6,7 gemeldete Ausbildungsstellen, der Kreis Coesfeld beispielsweise bietet zehn Bewerbern 14 Stellen an.

Wie wichtig Ausbildung ist, machte Uwe Ringelsiep, Geschäftsführer des auch für Lünen zuständigen Jobcenters Kreis Unna, in der Sitzung des Ausschusses für Arbeitsmarkt, Wirtschaftsförderung und Innovation am Mittwoch (30.6.) deutlich. Gemeinsam mit Thomas Helm, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Hamm, stellte er die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt vor. 95 Prozent der arbeitslosen Jugendliche haben keine Berufsausbildung. Das Corona-Jahr hat sie besonders betroffen. Zwischen März und Juli 2020 ist die Jugendarbeitslosigkeit in Lünen stark angestiegen: Von 277 auf 412, das entspricht 48,7 Prozent. Die Anstrengungen im Kreis Unna, die Jugendarbeitslosigkeit zu halbieren, sei bis März 2020 fast gelungen, doch dann kam Corona. Weil im Lockdown keine Praktika möglich waren, konnten sich Schüler kaum orientieren.

Falsche Vorstellung von Chancen

Viele Facetten hat das Thema Ausbildung. Manche Eltern und Schüler glaubten, eine längere Schulzeit erhöhe die Chancen, was nicht stimmt, so Ringelsiep. Manche Jugendliche wollten lieber die Freizeit eines Schulalltags als die Arbeitszeit der Ausbildung. Andere warteten auf ihren Traumjob. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass im Kreis Unna die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) von 1594 im Jahr 2015 auf 1.283 im Jahr 2020 gesunken ist. Bei der Handwerkskammer Dortmund blieb sie mit 560 nahezu gleich.

Ringelsiep forderte Politik und Unternehmen zu einer Allianz für Beschäftigung und Ausbildung auf. Gemeinsam müsse man Vollgas geben und Klinken putzen, ohne parteipolitisches Gezänk. „Lasst es uns angehen“, forderte er in Ausschuss.

Dass Lünen sich kümmern muss, machen weitere Zahlen deutlich. 7,2 Prozent der Lüner Schüler haben im vergangenen Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen. Kreisweit lag die Zahl bei 5,5 und in NRW bei 5,4 Prozent. 10.744 Lüner leben von Hartz IV, im gesamten Kreis Unna sind es 35.124. Monatlich werden 5,7 Millionen Euro an 5332 Familien in Lünen gezahlt. Das monatlich verfügbare Einkommen der Lüner lag 2018 mit 18.451 Euro an zweitletzter Stelle im Kreis Unna. Schlechter steht mit 17.732 Euro noch Bergkamen da. Bei wenig Einkommen sei die Wahrscheinlichkeit hoch, Aufstocker beim Jobcenter zu werden.

Thomas Helm machte deutlich, wie wichtig gut bezahlte Arbeitsplätze sind.

Räume für Jugendwerkstatt in Lünen finden

Dass die schwierige Sozialstruktur in Lünen besondere Anstrengungen erfordert, berichteten auch Martina Püschel und Barbara Schütte vom Übergangsmanagement Schule-Beruf. Das Team berät in erster Linie Jugendliche aus prekären Situationen. Es hoffte, dass für die Jugendwerkstatt, die nach Bergkamen gezogen ist, wieder Räume in Lünen gefunden werden können und setzt auf Unterstützung: Denn zwei Stellen sind zurzeit unbesetzt.

Für Firmen sei es nicht einfach, mal eben die Ausbildungsplätze zu erhöhen, schilderte Christoph Haumann, Obermeister der KFZ-Innung Dortmund und Lünen. Ausbildung koste 11.000 Euro im Jahr. In vielen Köpfen seien noch alte Berufsbilder und wenig Wissen über Karrierechancen im Handwerk. Die Qualität der Bewerber sinke. Momentan gebe es Ausbildungsförderung, aber mit vielen Formalien. Er fordert Vereinfachung, eine Übersicht alle Aktivitäten und der an Ausbildung Beteiligten und mehr Augenmaß bei Anspruch und Wirklichkeit.