
© Daniel Magalski
Apotheker Jost Neidt aus Lünen: „Jod-Tabletten sind etwas für die Seele“
Ukraine-Krieg
Putin und sein Krieg in der Ukraine führen offenbar zu einer starken Nachfrage nach Jod-Tabletten. Jost Neidt, Apotheker aus Lünen, weiß, was dahinter steckt und erklärt Sinn und Unsinn.
Der Kämpfe in der Ukraine lösen in diesen Tagen bei den Menschen vieles aus: Mitleid mit den Opfern, Wut auf Putin - und auch Angst. Russlands Präsident Wladimir Putin warnte beim Einmarsch in die Ukraine die, die sich seiner Armee in den Weg stellen, vor „Konsequenzen, die Sie noch nie erlebt haben“ - und offenbar erreicht die Botschaft ihr Ziel.
Russland ist immerhin eine Atom-Macht. Sonntag dann versetzte Putin die „Abschreckungswaffen“ des Landes zudem in erhöhte Alarmbereitschaft und schraubte damit die Sorge vor einem Atomschlag in neue Höhen.
Jod-Blockade in der Schilddrüse
Eine Reaktion darauf ist scheinbar die verstärkte Nachfrage nach hochdosierten Jod-Tabletten. Die Einnahme dieser Tabletten - wissenschaftlich als Kaliumiodid-Tabletten bekannt, führt in der Schilddrüse zu einer sogenannten Jod-Blockade. Das Prinzip: Der Stoff „füllt“ die Schilddrüse mit sauberem Jod und verhindert so die Aufnahme von radioaktivem Jod.
„Nach der Katastrophe im Atomkraftwerk von Fukushima hatten wir da eine erhöhte Nachfrage“, erinnert sich Jost Neidt. Der Lüner ist Apotheker und Inhaber der Vom-Stein-Apotheke an der Cappenberger Straße.
Kein Einfluss auf Cäsium und Strahlung
„Nach Störfällen in Kernreaktoren haben die Tabletten einen Nutzen, doch im Falle einer eskalierenden militärischen Auseinandersetzung machen sie keinen Sinn“, erklärt Neidt - denn dann habe man ohnehin vollkommen andere Probleme. „Die Tabletten haben keinen Einfluss auf das radioaktive Cäsium und Strahlung.“ Jod-Tabletten seien in diesem Fall „etwas für die Seele“.

Eine Nachfrage nach Jod-Tabletten bemerkte Apotheker Jost Neidt nach der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima. © dpa
Die Jod-Tabletten müssen zudem eine gewisse Stärke haben: Tabletten mit 65 Milligramm, von denen man laut Neidt zwei Stück nehmen müsste, produziert die Firma Lannacher aus Österreich. Der Apotheker schaute am Dienstag (1. März) nach und stellte fest: „Die Tabletten sind nicht lieferbar im Moment.“
Jod-Präparate mit zu niedriger Dosis
Die Jod-Präparate, die in den Apotheken gängig und verfügbar sind, seien für diesen Zweck viel zu niedrig dosiert: Neidt erklärt, dass man davon „hunderte nehmen müsste für einen Effekt.“
Jod-Tabletten waren laut Jost Neidt in den sechziger bis achtziger Jahren Bestandteil der Sortimente, doch dann fiel die Nachfrage auf Null. Der Markt reagierte und heute produziert kaum noch jemand die Tabletten mit hoher Dosis.
Der Krieg in der Ukraine ist auch bei Jost Neidt ein Thema: „Der Entwicklung steht man fassungslos gegenüber und man kann nur hoffen, dass alle einen kühlen Kopf bewahren“, so der Apotheker.
Ministerium nimmt Stellung zur Jod-Tabletten
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz veröffentlichte auf einer seiner Internetseiten einen Hinweis zu Jod-Tabletten.
In Deutschland seien die Bundesländer demnach mit 189,5 Millionen Kaliumiodid-Tabletten bevorratet, die bei einem Ereignis, bei dem ein Eintrag von radioaktivem Jod in die Luft zu erwarten ist, in den möglicherweise betroffenen Gebieten durch die Katstrophenschutzbehörden verteilt werden, so das Ministerium.
„Die Einnahme von Jodtabletten“, das betont auch das Bundesministerium noch einmal, „schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe“. Eine Selbstmedikation berge erhebliche gesundheitliche Risiken, habe aber aktuell keinerlei Nutzen.
Der Kreis Unna ist meine Heimat, im Beruf wie im Privaten. Die Geschichten der Menschen in Lünen und Selm zu erzählen, das ist seit über zwanzig Jahren meine Leidenschaft - und für die Ruhr Nachrichten schaue ich auch gerne über die Grenzen nach Nordkirchen und Olfen.