Anklage gegen Bürgermeister von Lünen Wolski-Skandal: Kleine-Frauns erhielt brisante E-Mail

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Jürgen Kleine-Frauns
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Monatelange Ermittlungen sind jetzt zu einem vorläufigen Abschluss gekommen: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (parteilos) erhoben, das bestätigte ein Sprecher am Mittwoch (5.3.). Der Vorwurf: Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht. Das Gesetz sieht für diesen Anklagevorwurf eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor.

Die Anklage ist laut Staatsanwaltschaft bereits im Februar dieses Jahres erhoben worden. Kleine-Frauns hatte im Januar 2023 eine E-Mail bekommen, in der er auf Fehlverhalten seines ehemaligen ehrenamtlichen Stellvertreters Daniel Wolski (SPD) hingewiesen worden war. Diese E-Mail hatte er Wolski gezeigt und dann in den digitalen Papierkorb verschoben – nicht gelöscht, wie er beteuert.

Monate später kam heraus: Wolski hatte Minderjährigen Geld für Sex gezahlt, einige Opfer waren erst 14 Jahre alt. Wolski, bei dem zudem Kinderpornos gefunden worden waren, war rund neun Monate nach der E-Mail in seiner Wohnung in Brambauer festgenommen worden und schließlich zu drei Jahren und sechs Monaten Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Wolski hat Revision eingelegt und ist seit dem Urteil auf freiem Fuß.

Brisante E-Mail zu Wolski

Das Verfahren wird jetzt am Amtsgericht in Lünen geführt. Direktor Dr. Niklas Nowatius bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft Jürgen Kleine-Frauns (57) vorwirft, die E-Mail „gelöscht und Wolski davon in Kenntnis gesetzt zu haben“. Nowatius weiter: „In der Mail wurde Wolski beschuldigt, sexuelle Kontakte mit Minderjährigen gehabt zu haben.“ Die Staatsanwaltschaft werte das als Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht. Der Vorwurf der Strafvereitelung, zu dem zunächst auch ermittelt wurde, spielt keine Rolle mehr.

Wie geht es jetzt weiter? Nicht vor dem 20. März, erklärt Nowatius, werde die zuständige Richterin prüfen, ob sie die Beurteilung der Staatsanwaltschaft grundsätzlich teilt und dann möglicherweise den sogenannten Eröffnungsbeschluss fassen - danach werde ein Termin für eine Hauptverhandlung anberaumt.

Formal könne die Angelegenheit auch jetzt noch über einen Strafbefehl und ohne Hauptverhandlung erledigt werden. Diesen Strafbefehl hätte die Staatsanwaltschaft aber auch direkt schicken können - das ist nicht geschehen.

Zur Erinnerung: So hatte Kleine-Frauns Wolski per WhatsApp über die E-Mail informiert: „Hallo Daniel, die fotografierte Mail ist kurz nach 18 Uhr in meinem Postfach buergermeister@luenen.de eingegangen. Weil mehrere Personen Einblick in das Postfach haben, habe ich sie ausgedruckt und anschließend gelöscht. Über die E-Mail werde ich mit niemandem sprechen. Ich sende sie Dir zu Deiner Information. Glückauf.“

Kleine-Frauns‘ Anwalt: „Inakzeptabel“

Kleine-Frauns hatte sein Vorgehen immer verteidigt und beteuert, er habe sich korrekt verhalten. Sein Anwalt nannte allein die Ermittlungen „rechtsstaatlich inakzeptabel“. Der Bürgermeister hatte sich im Dezember 2023 im Haupt- und Finanzausschuss schon zu dem Sachverhalt geäußert. „Ich informiere Sie hier im Ausschuss, weil ich mir nichts vorzuwerfen habe“, sagte Kleine-Frauns. Er habe Wolski seit 2005 „als tadellosen Kommunalpolitiker wahrgenommen“ und die Mail nicht an die Polizei weitergeleitet, weil er ausgeschlossen hatte, dass die Vorwürfe zutreffen könnten. „Um Herrn Wolski zu ermöglichen, eine Unterlassung der von mir angenommenen Verleumdungskampagne zu erwirken, habe ich ihn direkt nach dem Lesen der Mail per WhatsApp informiert“, sagte Kleine-Frauns weiter. „Unglaublich“, habe Wolski geantwortet.

In einer Pressemitteilung hatten Kleine-Frauns und sein Anwalt Peter Wehn im März 2024 nachgelegt. Sein Mandant sei unschuldig, schieb Wehn, sein Mandant habe seine Unschuld vollständig dargelegt. Zwei Staatsanwälte und vier Polizeibeamte hatten Kleine-Frauns‘ Büro im Herbst 2023 durchsucht. „Eines so massiven Auftretens der Ermittlungsbehörden hätte es gar nicht bedurft. Die Staatsanwaltschaft ist mit mehreren Beamten regelrecht in mein Büro gestürmt. Ehrlicherweise kam ich mir in diesem Moment wie ein Schwerverbrecher vor. Und das bin ich nun wirklich nicht.“

Wehn hatte der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, „nichts Besseres zu tun zu haben, als ständig Informationen an die Presse zu geben, anstatt das Verfahren zu bearbeiten.“ Die Bewertung stünde vom ersten Tag an fest, ein solches Verfahren könne innerhalb weniger Tage erledigt werden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft reagierte gelassen: „Vermutlich kennt er sich mit unserer Arbeit nicht so genau aus.“

Die Ermittlungen gegen Jürgen Kleine-Frauns haben sich bis zur Anklage viele Monate hingezogen. Das lag auch daran, dass zwei Ministerien in die Angelegenheit involviert waren: das Justiz- und das Kommunalministerium NRW. Mit beiden war die Staatsanwaltschaft regelmäßig im Austausch, zur Tatverfolgung brauchte es in diesem Falle einer „Ermächtigung“ der Ministerien. Die Entscheidung, ob Anklage erhoben wird oder das Verfahren eingestellt wird, lag wiederum alleine bei der Staatsanwaltschaft.

Die Redaktion hat Bürgermeister Kleine-Frauns am Mittwochmittag um eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen gebeten. Eine Antwort lag zunächst noch nicht vor.