Das ist Rudi. Das Foto macht glauben, es sei ein großer Hund. Dabei misst das in Lünen-Brambauer entlaufene Tier nur 30 bis 35 Zentimeter.

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Angsthund Rudi entlaufen: Hunderte Menschen suchen seit sechs Wochen

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Hunderte von Flyern sind verteilt. Plakate hängen in Lünen, Dortmund, Castrop-Rauxel und Schwerte. Tierfreunde suchen Rudi, einen Angsthund, für den eigentlich alles besser werden sollte.

Brambauer, Bodelschwingh, Frohlinde, Schwerte

, 04.12.2020, 18:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Rudi hat bernsteinfarbene Augen, sandfarbenes Fell und eine lange schwarze Nase. Treuherzig blickt er dem Betrachter an. Dieses Hundefoto wurde auf verschiedenen Facebook-Seiten schon tausendfach geteilt. Hunderte Mal haben Tierfreunde es ausgedruckt und an Laternen aufgehängt und auf Ladentheken ausgelegt. In roten Lettern steht neben dem Bild: „Vermisst seit dem 24. Oktober. Er ist Im Winkel in Lünen entlaufen“ – an einem Tag, als endlich alles besser werden sollte für das arme Tier.

Vor dem Haus in Brambauer im Nichts verschwunden

Jaqueline (26) kann den Augenblick nicht vergessen. Es war gegen 23 Uhr, als sie vor ihrer Wohnung Im Winkel in Brambauer das Auto parkt.

Hinten im Wagen sitzt Rudi, von dem die schwerbehinderte junge Frau noch nicht viel mehr weiß als seinen Namen und sein Schicksal: Das nicht ganz zweijährige Tier ist ein Straßenhund aus Rumänien, den Tierschützer gerettet und soeben nach Deutschland gebracht haben.

Jaqueline ist als Pflegestelle eingesprungen. Sie hatte sich bereit erklärt, Rudi aufzunehmen, bis sich jemand findet, der ihn bei sich dauerhaft aufnehmen möchte. Jemand, der dem bislang nur getretenen und weggescheuchten Geschöpf endlich ein liebevolles Zuhause bieten wird. Meistens geht das ganz schnell, wie Jaqueline weiß. Dieses Mal kommt alles anders.

Wer den entlaufenen Rudi, sieht, kann sich Tag und Nacht melden bei Jaqueline und der Hundesuchhilfe und Umgebung unter diesen drei Telefonnummern: 0151/25342345, 0160/1594446, 0170/9726441.

Als die junge Frau aus dem Lüner Stadtteil Brambauer den Kofferraum öffnet und nach der Transportbox greifen will, springt ihr Rudi entgegen. Irgendwie hatte sich die Box geöffnet und das Tier war aus seinem Sicherheitsgeschirr geschlüpft: „Vorne durch“, sagt Jaqueline. So dünn sei der Hund.

Rudi ist nur so groß wie ein Zwergpinscher

Auf dem Foto sieht Rudi mit seiner schwarzen Maske und dem hellen Fell fast wie ein Kangal aus: einer dieser kräftigen, türkischen Hirtenhunde. Ein fataler Irrtum. Denn Rudi ist ganz anders. Dünn statt kräftig. Klein statt groß. Mit gerade einmal 30 bis 35 Zentmetern gleicht er eher einem Zwergpinscher. Lieb statt dominant. Doch zurzeit ist er vor allem eines: zutiefst verängstigt.

Jaqueline und ihre Mutter rufen an diesem schicksalhaften Abend des 24. Oktober, als Rudi in einer für ihn völlig unbekannten Gegend zwischen Häusern und Autos verschwindet, Hilfe. Die Polizei, den Tierschutzverein und die Hundesuchhilfe Schwerte: der Begin einer verzweifelten Suche durch das halbe Ruhrgebiet, von der die Beteiligten hoffen, dass sie noch zu einem guten Ende führen wird.

Hinweise, dass Rudi lebt, gibt es immer wieder: im Brambauer Industriegebiet, im Nordpark, auf der Halde, am Lippewerk, am Krankenhaus, auf dem Friedhof in Dortmund-Bodelschwingh.

An einem Strommast zwischen dem Castrop-Rauxeler Ortsteil Frohlinde und dem Dortmunder Stadtteil Westerfilde hängt seit einiger Zeit dieses Plakat.

An einem Strommast zwischen dem Castrop-Rauxeler Ortsteil Frohlinde und dem Dortmunder Stadtteil Westerfilde hängt seit einiger Zeit dieses Plakat. © Tobias Weckenbrock

Immer wenn jemand Rudi sichtet, macht sich Jaqueline auf den Weg. Zusammen mit ihren Unterstützerinnen von der ehrenamtlichen Suchhilfe hängt sie Wildkameras auf – zwei davon sind bereits gestohlen worden – und legt Futterstellen an. Und überall in diesen Gegenden, selbst in Castrop-Rauxel und im Dortmunder Westen, hängen seitdem die Plakate mit der Aufschrift „FAHNDUNG!“.

Spuren aus Fleischbrühe und Leberwurst führen dorthin. „Wir haben damit schon Eichhörnchen, Elstern und Marder angelockt und fotografiert“, sagt sie, „aber noch nie Rudi“. Von Abfällen zu leben, scheint ihm sicherer zu sein – so wie er es aus Rumänien kennt. Es gibt aber andere Fotos von ihm.

Fotos von Rudi auf der Flucht

Zum Beispiel hat jemand den zusammengerollt in seinem Garten schlafenden Rudi fotografiert. „Er hatte mich angerufen und mir das Bild geschickt“, sagt Jaqueline. Sie fuhr sofort los – aber zu spät. Der Hund war schon wieder weiter.

So sei es aber richtig: anrufen, fotografieren, warten. „Bloß keine eigenen Einfangversuche machen“, raten die Mitglieder der ehrenamtlichen Hundesuchhilfe. Sie wissen: Der ursprünglich ruhige Rudi ist inzwischen ein Angsthund, der vielleicht unkontrolliert reagiert.

Mylo, Pandora, Ronja – so heißen andere Vierbeiner, die bei der Hundesuchhilfe Schwerte und Umgebung seit Ende Oktober vermisst gemeldet wurden. Alle sind inzwischen gefunden. Ein Happy End, das sich auch Jaqueline für ihren Rudi wünscht.

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