Politiker aus Lünen zum Ampel-Aus Thews: „Gut, dass Olaf Scholz dieses Elend beendet hat“

Vorwürfe und Forderungen: Das sagen Lünens Politiker zum Ampel-Aus
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Die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner durch Bundeskanzler Olaf Scholz war gleichbedeutend mit dem Aus der Ampel-Koalition. Auf das politische Beben am Mittwochabend (6. November) folgte am Donnerstag gleich die nächste polarisierende Meldung: Volker Wissing will trotz des Bruchs der Ampel-Koalition Bundesverkehrsminister bleiben und tritt aus der FDP aus. Wir haben die Lokalpolitiker in Lünen um ein Statement gebeten.

Via Facebook hat sich bereits der Bundestagsabgeordnete Michael Thews geäußert. Er schreibt: „Soziale Gerechtigkeit und eine zukunftsorientierte, nachhaltige Politik waren für mich immer die Grundlagen für mein politisches Handeln. Christian Lindner steht für mich mittlerweile für eine unsoziale und rückwärtsgewandte Politik, die ausschließlich den Interessen einiger privilegierter Gruppen in unserer Gesellschaft dient, als Finanzminister hat er total versagt.“

Und weiter: „Es ist gut, dass Olaf Scholz dieses Elend beendet hat. In seiner starken Rede hat er nochmal deutlich gemacht, wie wir den aktuellen Herausforderungen begegnen können, um eine sichere Zukunft für die Menschen in unserem Land zu sichern. Dazu war Christian Lindner nicht in der Lage und damit ist er als Finanzminister nicht mehr tragbar.“

Deutliche Worte, die am Mittwoch auch bereits Scholz in seinem Statement gewählt hatte. Den Tonfall des Bundeskanzlers hält Thews für angemessen, wie er am Donnerstag im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Von Lindner habe er daraufhin nur Rechtfertigungen gehört. Der Minister sei zuletzt „auf einem Ego-Trip“ unterwegs gewesen und am Ende verantwortlich für das Aus der Ampel, das er zuvor mit seinem Wirtschaftspapier provoziert habe.

Weg für Neuwahlen freigemacht

„Olaf Scholz hat nun den Weg freigemacht für Neuwahlen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt alle nach Hause gehen und die Arbeit einstellen“, betont Thews. Nun gelte es unter anderem, den Haushalt zu verabschieden - was in der jetzigen Konstellation an sich schon keine einfache Aufgabe ist. Eine Minderheitsregierung über einen längeren Zeitraum kann sich Thews nur schwer vorstellen, „vor allem nicht bis September“.

Auch der CDU Stadtverband Lünen hat sich auf Anfrage unserer Redaktion geäußert. Vorsitzender Dr. Karl Schürmann bezieht seine Kritik allerdings nicht auf einzelne Personen, sondern auf die Koalition. „Festzuhalten ist, dass diese Bundesregierung gescheitert ist. Gescheitert im Bereich der Migrationspolitik, der Wirtschaftspolitik, der Energiepolitik, der Gesundheitspolitik und auch der Umweltpolitik, um nur einige wichtige politische Felder zu nennen, in denen dringende Handlungsbedarfe nicht gelöst wurden“, schreibt Schürmann.

Keine handlungsfähige Regierung

Dies sei umso tragischer, da „die internationalen Rahmenbedingungen in der aktuellen Situation eine handlungsfähige und nicht im Chaos verfallende Bundesregierung erfordern“. Daher fordere die Union auch sofortige Neuwahlen. „Es macht keinen Sinn bis zum Januar mit der Vertrauensfrage zu warten und dann erst im März oder April 2025 die Neuwahlen durchzuführen. Die dann anschließenden Koalitionsverhandlungen bedeuten, dass vor der Sommerpause 2025 keine handlungsfähige Bundesregierung am Start ist“, argumentiert der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands.

Ein weiteres Abwarten würde extremistischen Parteien in Deutschland laut Schürmann unnötigen Raum geben. Das müsse man mit aller Entschlossenheit und konsequentem Handeln verhindern.

Lüner FDP-Chef: „Man muss sich nicht alles gefallen lassen“

Für Lünens FDP-Chef Pascal Rohrbach war das Aus der Ampel am Ende keine Überraschung mehr. Die Differenzen zwischen FDP und den beiden Koalitionspartnern seien schlichtweg zu groß gewesen, schreibt Rohrbach auf Anfrage unserer Redaktion. Die Liberalen wollten sich gegenüber den Wählern nicht aus der Verantwortung stehlen: „Aber auch als kleinster Koalitionspartner muss man sich nicht alles gefallen lassen. Das Verlangen des Kanzlers, die Schuldenbremse nicht zu beachten, ist nicht hinnehmbar. Eine Reaktion auf das Papier der FDP zu einem energischen Arbeiten gegen die Rezession war nicht ernsthaft erkennbar.“

Für das Aus der Ampel seien letztlich inhaltliche Unterschiede verantwortlich gewesen „SPD und Grüne wollen, dass der Staat alles regelt und die FDP möchte, dass die Bürger die Möglichkeit haben, ihr Leben frei zu gestalten. SPD und Grüne wollen den Sozialismus und die FDP setzt auf die Freiheit und die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger“, so Rohrbach.

Pascal Rohrbach, Vorsitzender des FDP-Stadtverbands in Lünen, steht an einem Pult und hält eine Rede.
Pascal Rohrbach ist Vorsitzender des FDP-Stadtverbands in Lünen. © Jörg Heckenkamp

Dass Kanzler Scholz angekündigt hatte, die Vertrauensfrage erst im Januar stellen zu wollen, stößt auch bei Rohrbach auf Kritik. Seine Argumentation ähnelt der der Union: Man verliere dadurch unnötig Zeit. „So wird es wohl oder übel zunächst zu einem Machtvakuum kommen, bei dem wir nur hoffen können, dass keine der extremen Parteien dies für sich nutzen kann und wird“, erklärt Rohrbach, für den eine Minderheitsregierung nicht vorstellbar ist. So etwas sei weder sinnvoll noch zielführend.

Überrascht sei man in den Reihen der Lüner FDP vom Vorgehen des Verkehrsministers. Anders als seine Parteikollegen Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger war Volker Wissing nicht von seinem Amt zurückgetreten. Stattdessen kehrte er seiner Partei den Rücken - und wurde am Donnerstag zum Justizminister ernannt. Auch wenn man dieses Verhalten nicht gutheiße, respektiere man die Entscheidung, betont Rohrbach.

Grünen in Lünen: Ampel-Aus ist „große Enttäuschung“

Bei den Lüner Grünen empfindet man das Ende der Ampel-Koalition als „große Enttäuschung“, wie Sprecherin Andrea Brocks erklärt. Dennoch begrüße man die klare Haltung und die Entscheidung des Kanzlers. Die Ampel habe in ihrer Regierungszeit vielen Herausforderungen gegenübergestanden und trotz der vielfältigen Differenzen wichtige Projekte beschlossen.

Brocks teilt weiter mit: „Wir Grüne haben uns dabei stets für die Bekämpfung der Klimakrise und soziale Gerechtigkeit in einer offenen und vielfältigen Gesellschaft eingesetzt. Gleichzeitig verlangt die Verantwortung für unser Land von allen Parteien, kompromissbereit zu sein und diese Verantwortung über parteipolitische oder persönliche Interessen zu stellen. Auch wir Grüne haben in den letzten Jahren Kompromisse mitgetragen, die für uns teils schmerzhaft waren. Diese Kompromissbereitschaft haben Christian Lindner und die FDP nicht gezeigt.“

Andrea Brocks, Sprecherin der Grünen in Lünen, steht vor einer Hecke.
Andrea Brocks ist Sprecherin der Grünen in Lünen. © Magdalene Quiring-Lategahn

Stattdessen habe die FDP an „vielen Stellen wichtige Vorhaben blockiert und mit Egoismus und Parteitaktik gehandelt“. Auch das sture Festhalten an der Schuldenbremse habe nicht zur Handlungsfähigkeit der Regierung beigetragen. „Durch diese Haltung trägt die FDP eine große Verantwortung für das Ende der Ampel-Koalition, das leider folgerichtig und unausweichlich war“, so Brocks.

Für die kommenden Monate, in denen man wichtige Entscheidungen treffen müsse, nimmt die Grünen-Sprecherin auch die übrigen Parteien im Bundestag in die Pflicht: „Gleichzeitig sind wir uns sicher, dass die Bundesregierung auch in diesen herausfordernden Zeiten die Verantwortung für dieses Land tragen kann und tragen wird“.

So äußert sich der SPD-Stadtverband

Von Seiten des SPD-Stadtverbands Lünen heißt es: „Trotz aller ohne Zweifel erreichten Erfolge der Ampel-Regierung begrüßen wir Lüner Sozialdemokrat:innen den nun vollzogenen Schritt unseres Bundeskanzlers, der damit zeigt, dass das Wohl des Landes wichtiger ist, als persönliche (Politiker-)Schicksale.“ Das teilt Vorsitzender Norbert Janßen auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Das Bild einer zerstrittenen Koalition habe auch die SPD Lünen und ihre Mitglieder genervt: „Die Kritik der sozialdemokratischen Basis in Lünen wurde zuletzt stärker. Insbesondere, dass Kompromisse in langen Sitzungen der Koalition verabredet wurden und es teilweise nur wenige Tage brauchte, bis diese Vereinbarungen durch die FDP und ihren Vorsitzenden wieder öffentlich in Frage gestellt wurden, fand keinerlei Verständnis mehr.“

FDP begeht „aus Angst vor dem Tod lieber Selbstmord“

Für das Ampel-Aus verantwortlich ist in den Augen der Lüner SPD ganz klar Christian Lindner. Der habe den Koalitionsbruch mit seinem vor einigen Tagen veröffentlichten Papier ohne Zweifel provoziert, „weil er sicher sein konnte, dass die anderen Koalitionspartner so etwas niemals mittragen würden. Aus Angst vor dem Tod begeht die FDP lieber Selbstmord“, schreibt Janßen. Das Vorgehen von Minister Wissing habe allerdings auch gezeigt, dass Lindner „bei seinem Pokerspiel nicht die komplette FDP hinter sich hat“.

Mit Blick auf die Neuwahlen hält die Lüner SPD den von Kanzler Scholz anvisierten Zeitplan für „angemessen und sachgerecht“. Zum einen habe die Bundeswahlleiterin darauf hingewiesen, dass eine Neuwahl einer angemessenen Vorbereitung bedürfe. Zum anderen müssten nun zeitnah Beschlüsse gefasst werden, etwa mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine. „Nun gilt es für die Opposition sich verantwortungsbewusst einzubringen und die notwendigen Beschlüsse mitzutragen und nicht auf Show und kurzfristigen Vorteil zu setzen“, so Janßen abschließend.