Auf dem Gelände des Trianel-Kraftwerkes in Lünen waren am Samstag (22. April) alle in Alarmbereitschaft. Feuerwehrfahrzeuge reihten sich an Rettungswagen, Fahrzeuge vom Umweltschutz sowie vom Katastrophenschutz. Im Mittelpunkt stand für die vielen Einsatzkräfte ein länglicher roter Tank. Diesem näherten sich ganz vorsichtig drei Personen – eingepackt in dicke Spezialanzüge. Ammoniak soll dort ausgetreten sein. Gefährlich war an dieser Situation aber nichts. Denn es handelte sich lediglich um eine Großübung.
Am Stummhafen in Lünen ging man von folgendem Szenario aus: Mitarbeiter hatten eine Leckage an einem Behälter festgestellt, zwei Personen waren dadurch geschädigt worden. Um 8.15 Uhr wurde deshalb der Alarm ausgelöst, der nicht nur für ordentlich Lärm auf dem Gelände sorgte, sondern auch bei der Lüner Feuerwehr aufschlug. Diese war wenige Minuten später mit dem Löschzug Mitte und zwei Krankenwagen am Kraftwerkstor und wurde vor Ort eingewiesen. Die Rettung und Versorgung der Verletzten stand zunächst im Fokus.

Als feststand, dass Ammoniak im Spiel ist, ging die nächste Alarmierung heraus. Sie betraf den ABC-Zug der Lüner Feuerwehr, der über eine Kontaminierungs-Ausrüstung verfügt. Diese Mannschaft traf als nächstes an der Frydagstraße ein und baute ihr umfangreiches Equipment auf. Die Spezialisten der Einheit kämpften sich in ihre Spezial-Schutzanzüge für Chemieunfälle, in denen sie hermetisch abgeschlossen sind und über eine eigene Versorgung mit Atemluft verfügen.
Drei von ihnen näherten sich nun dem Tank, um sich ein Bild von der Sachlage zu machen und um Proben von dem austretenden Stoff zu nehmen. Drei weitere Kollegen saßen in Reichweite in Bereitschaft, damit sie im Notfall helfen können. Eingetroffen war mittlerweile auch die Feuerwehr Dortmund mit einer Spezialeinheit, die zu den Kräften des ABC-Schutzkonzeptes NRW gehört. In ihren Arbeitscontainern war es möglich die gefunden Stoffe zu analysieren und so den weiteren Einsatz zu präzisieren.
Messwagen prüfen Gefahr für Bevölkerung
Hätte es den Austritt von Ammoniakgas wirklich gegeben, wäre dadurch eine mögliche Gefahr entstanden - für Menschen, die in dem eventuellen Verbreitungsgebiet wohnen. Also mussten die Einsatzkräfte auch etliche Messwagen alarmieren, die das überprüfen sollen.
Eingeteilt in einen Süd- und Nordbereich sammelten sich die Fahrzeuge zunächst in einem Bereitstellungsraum bei der Westfalia. Von dort wurden sie dann von einem THW-Fahrzeug zum Einsatzort gelotst. Anschließend wies man ihnen die Einsatzorte in Alstedde und Brambauer zu, an denen sie untersuchen sollten, ob dort eventuell eine Gefährdung für die Bevölkerung besteht und welche Maßnahmen ergriffen werden sollten.
Die intensive und aufwendige Übung wurde nicht nur von etlichen internen Beobachtern genauestens verfolgt, sondern auch von einem Vertreter der Bezirksregierung Arnsberg. Im Wesentlichen ging es diesmal darum, das parallele Abarbeiten der zu treffenden Maßnahmen zu üben. Man wollte sehen, ob die Alarmierungswege funktionieren, ein perfekter Führungsstab gebildet werden kann und ob die beiden Messkomponenten Nord und Süd (das weiteste Fahrzeug kam aus Siegen) jeweils separat und hintereinander agieren können.
Insgesamt waren an der Großübung rund 120 Kräfte und dutzende Fahrzeuge beteiligt. Seitens der STEAG Kraftwerksmannschaft gab es auch noch spezielle Hilfeleistungen sowie die Überwachung der internen Sicherheitsabläufe.
Zweite Übung in zehn Jahren
Das Gelände des Trianel-Kraftwerkes war zum zweiten Male für eine Großübung zur Verfügung gestellt worden. Bereits 2013, als die Anlage kurz vor der Kopplung mit dem Netz stand, gab es ein solches Ereignis. Damals beschäftigten sich über 200 Rettungskräfte mit einer Verkettung von Unglücksfällen, bei denen vorrangig viele Verletze zu bergen und zu versorgen waren.
Bei Trianel selbst sieht man diese routinemäßigen Übungen positiv und stellt seine Anlage zu diesem Zweck gern zur Verfügung. In den zehn Jahren, die das Kraftwerk nun läuft, gab es kein einziges Problem bei dem Einsatz von Ammoniak. Dennoch ist es wichtig, dass alle Vorkehrungen getroffen werden, um einem Störfall zu begegnen.

Für die Abläufe im Lüner Trianel Steinkohlekraftwerk wird unter anderem Ammoniak verwendet. Es spaltet mit Hilfe von Katalysatoren im Rauchgas die Stickoxyde in Stickstoff und Wasser auf. Das Ammoniak wird flüssig in Spezialtankwagen der Bundesbahn angeliefert und auf dem Betriebsgelände in einer geschlossenen Halle umgefüllt in zwei doppelwandige Tanks, die unter einem Erdhügel gesichert sind. In einem Verdampfer wird der -33,3 Grad kalte Stoff gasförmig und über eine Rohrleitung dem Kesselhaus zugeführt. Dort wird das Ammoniak stark mit Luft verdünnt und in den Rauchgaskanal eingeführt.
Die Geruchsschwelle bei Ammoniak ist sehr niedrig, sie liegt bei 5 ppm. Steigt die Dosierung, steigt auch die Gefahr, dass in der Verbindung mit Wasser es als Lauge zu Verätzungen führen kann. Etwa in Augen oder in der Lunge.