Grundsteuer-Entscheidung für Lünen lässt auf sich warten „Müssen jeden Stein umdrehen“

Noch keine Grundsteuer-Entscheidung: „Müssen jeden Stein umdrehen“
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Zuletzt haben sich die Entwicklungen überschlagen für Lünen: erst die unerwartete Mitteilung des Kreises, dass die Stadt schon für 2025 ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen muss, dann die Erkenntnis im Lüner Rathaus, dass dafür die Zeit bis März nicht ausreichen wird. Und schließlich - einen Tag, bevor all das erstmals öffentlich Thema werden sollte - die Bekanntgabe der Altschuldenhilfe durch das Land NRW: ein Instrument, damit Städte wie Lünen, die chronisch pleite sind, wieder Licht am Ende des Tunnels sehen können. Wer glaubte, das sei die Lösung aller drückenden Lüner Finanzsorgen, sah sich in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstagabend (27. Februar) aber eines Besseren belehrt.

Die schwarz-grüne Landesregierung will jährlich 250 Millionen für eine anteilige Entschuldung bedürftiger Kommunen zur Verfügung stellen. Die Hoffnung ist, dass sich der Bund in gleicher Höhe beteiligt. Dadurch ließen sich innerhalb der nächsten 30 Jahre die hoch verschuldeten NRW-Städte und -Gemeinden um insgesamt 15 Milliarden entlasten. Noch ist jedoch offen, ob und wann sich Berlin beteiligen wird. Die gescheiterte Ampel-Regierung hatte sich nicht dazu durchringen können, und die neue Bundesregierung muss sich erst finden: Die schwarz-grüne Landesregierung in Düsseldorf wollte aber nicht länger warten und hat jetzt Ernst gemacht mit ihrem Teil der seit langem angekündigten Finanzhilfe für die notleidenden Städte.

Dass Lünen unter all den Hilfsbedürftigen ein besonders schwerer Fall ist, zeigt bereits ein einzelner Wert: die Pro-Kopf-Verschuldung.

NRW würde 85 Mio. abnehmen

Dieser Wert gilt im Gesetzesentwurf zur Entschuldung als Indikator für die Bedürftigkeit der Kommunen. Als „übermäßig belastet“ gelten beim Land NRW alle Städte und Gemeinden mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 100 Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Lünen liegt angesichts des Bergs von 240 Millionen Euro an Liquiditätskrediten - das ist der kommunale Dispo, dem anders als bei Investitionskrediten keine Vermögenswerte wie neue Schulbauten gegenüberstehen - fast 30-mal höher: „Aktuell bei rund 2745 Euro“, sagte Kämmerer André Jethon.

Die Altschuldenhilfe des Landes will versuchen, die Pro-Kopf-Verschuldung auf maximal 1500 Euro zu drücken. Jethon hat ausgerechnet, was das für Lünen bedeuten würde. „Man müsste uns rund 85 Millionen Euro an Schulden aus Liquiditätskrediten abnehmen“, rechnete er vor. „Würde man das in dieser Höhe tatsächlich tun, hätten wir hieraus einen jährlichen Zinsvorteil in Höhe von rund zwei Millionen Euro.“

„Altschuldenhilfe, keine -lösung“

Diese Zahlen stehen noch unter Vorbehalt. Denn noch seien zu viele Fragen offen, wie Jethon sagt. Es sei für die Städte und Gemeinden etwa noch nicht nachzuvollziehen, „wie das Land zugleich die Hälfte der übermäßigen Schulden übernehmen und dabei mit 250 Millionen Euro jährlich auskommen will“. Für den Kämmerer steht fest: Der Vorstoß von NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) aus Kamen sei zwar „überaus hilfreich“, aber er sei „eine Altschuldenhilfe und keine Altschuldenlösung“. Dafür brauche es nicht nur Geld, sondern auch eine neue Struktur. Jethon forderte am Donnerstagabend einmal mehr eine „auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen“ durch Bund und Land, damit sie die wachsende Zahl an Aufgaben, die diese ihnen zuweisen, auch erfüllen können. „Sonst rutschen wir alle sofort wieder in die Verschuldung.“

Auch wenn es den Mitgliedern des Haupt- und Finanzausschusses auf den Nägeln brannte: Eine Diskussion zu dem Thema blieb im Lüner Ratssaal vorerst aus, weil „ich zu diesem Zeitpunkt auch noch mehr Fragen als Antworten habe“, so Jethon. Bürgerinnen und Bürger, die sich fragen, ob und wie sich die - entweder direkt oder indirekt über die Miete zu zahlende - Grundsteuer verändern wird, müssen sich ebenfalls noch gedulden. Die Beratung über eine Änderung der Steuerhebesätze hatte die Stadtverwaltung kurzfristig von der Tagesordnung genommen.

Neue Steuerbescheide bis zum 30. Juni

„Wir müssen erst jeden Stein umdrehen“, sagte Jethon. Angesichts des 60-Millionen-Euro Defizits - dieses jährlich wachsende Loch zwischen Einnahmen und Ausgaben - hatte der Kreis Unna der Stadt schon für dieses Jahr ein Haushaltssicherungskonzept verordnet. Darin hat die Stadt aufzuzeigen, wie sie sich in den nächsten zehn Jahren zu sanieren gedenkt: eine „herausfordernde Aufgabe“, so Jethon. Die einzelnen Dezernate der Stadtverwaltung hätten ihm bereits Einsparkonzepte vorgelegt. „Wir werden jetzt 37 einzelne Etatgespräche führen.“ Auf der Basis gelte es in der nächsten Ratssitzung am 26. Juni zu entscheiden, welche Haushaltspositionen gekürzt oder ganz gestrichen werden kann und wie sich die Einnahmesituation verbessern lässt. Eine Möglichkeit: die Hebesätze der kommunalen Steuern anheben.

Dass die Stadt in jedem Fall bis zum 30. Juni neue Grundsteuerbescheide verschicken wird (danach ist das laut Finanzverwaltung NRW nicht mehr möglich), gilt als sicher. Denn schon im Dezember hatte der Rat gefordert, differenzierte Hebesätze bei der Grundsteuer B zu prüfen. Damals stand noch die Entlastung privater Immobilien-Eigentümer im Mittelpunkt. Denn die bundesweite Grundsteuerreform hatte dazu geführt, dass sie auch in Lünen deutlich stärker (bei Einfamilienhäusern ein Drittel mehr) zur Kasse gebeten werden für die Grundsteuer B, während Eigentümer von Geschäftsgrundstücken stark entlastet werden (minus 45 Prozent).

Im Sitzungssaal des Rathauses Lünen hat Kämmerer Jethon zur Finanzlage der Stadt Stellung genommen.
Im Sitzungssaal des Rathauses Lünen hat Kämmerer Jethon zur Finanzlage der Stadt Stellung genommen. © Peter Fiedler