Unfallopfer trotz fünf OPs weiter eingeschränkt Alexander Halbe: „Aufgeben können andere“

Unfallopfer trotz fünf OPs eingeschränkt: „Aufgeben können andere“
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Eigentlich war Alexander Halbe aus Lünen das, was man im Ruhrgebiet als „Macher“ bezeichnet: Einer, der selbst anpackt und die Verantwortung übernimmt. Sei es beruflich als Hausmeister, privat für die Familie oder ehrenamtlich in den Vereinen, die der 36-Jährige gegründet hat. Doch dann kam der Unfall, der sein Leben im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf stellte: „Ich war auf meinem alten Vesparoller auf dem Weg von Dortmund nach Hause“, erinnert er sich, „als auf einmal alles ganz schnell ging: Ich habe mich überschlagen und lag plötzlich da.“ Ein Autofahrer hatte Halbe beim Abbiegen übersehen. Knapp 13 Monate später verfolgt ihn der Zusammenstoß weiterhin – physisch wie psychisch.

Rückkehr in alten Beruf unmöglich

Seit dem Unfall im November 2023 hat Alexander Halbe fünf Operationen und zahlreiche Reha-Aufenthalte hinter sich gebracht. Körperlich eingeschränkt ist er nach wie vor: „Ich kann meinen linken Daumen nicht bewegen, da geht gar nichts mehr.“ Seinen rechten Arm kann Halbe nicht über die Schulter heben, im Rücken trägt er eine Metallplatte. Mit diesen Verletzungen wieder als Hausmeister arbeiten? „Kann ich vergessen“, weiß der Lüner, „sobald ich einen Rasenmäher in die Hand nehme oder ein anderes Gerät, das vibriert, streikt sofort mein Daumen.“ Dabei hatte er lange Zeit noch Hoffnung, eines Tages in seinen früheren Beruf zurückkehren zu können. „Aber nach der letzten Reha wurde mir gesagt, dass sich an meinem jetzigen Zustand nicht mehr viel ändern wird“, berichtet der Ehemann und Vater einer 7-jährigen Tochter.

Alexander Halbe nach seiner Rückenoperation in seinem Badzimmer.
Nach seiner Rückenoperation war Halbe zunächst auf eine Gehhilfe und andere Hilfsmittel angewiesen. Zur Krankengymnastik wird der Lüner vermutlich ein Leben lang gehen müssen. © privat

In den vergangenen 13 Monaten erhielt Halbe Krankengeld. Jetzt will er eine neue berufliche Perspektive finden: „Ich mache mich beim Arbeitsamt schlau. Ich kann mir vieles vorstellen, auch wenn ich für einen Bürojob eigentlich nicht der Typ bin.“ Zumal er wegen seines Rückens gar nicht lange sitzen darf. Ein mindestens genauso großes Problem sind die psychischen Folgen, die er seit dem Unfall mit sich trägt: „Ich kann nicht mehr gut unter vielen Menschen sein. Meine Psychologin vermutet, das könnte daran liegen, dass Rettungskräfte und Polizisten um mich herumstanden, als ich auf der Straße lag.“

Sein Zustand schränkt ihn ein. Von Natur aus ist Alexander Halbe jemand, der sich einbringt, wo es nur geht: „Ich habe beim Verein ‚Mein sauberes Lünen’ Müllsammelaktionen in der Stadt organisiert“, erzählt der 36-Jährige, „und den Hundewald Doghausen in Brambauer mit aufgebaut.“ Außerdem betreibt er die Facebook-Seite „Lüner Impressionen“ sowie mehrere Gruppen auf der sozialen Plattform. Vieles von seinem Engagement ist ihm mittlerweile nicht mehr möglich. „Aus dem Vorstand von ‚Mein sauberes Lünen’ bin ich zurückgetreten, weil ich nicht mehr wie früher an den Aktionen teilnehmen kann. Vor vielen Menschen sprechen geht momentan auch nicht.“

„Aufgeben können andere“

„Die letzten Monate waren verdammt hart“, gibt Halbe offen zu, „es gab viele Rückschläge. Aber es muss ja irgendwie weitergehen.“ Oft habe er schlaflose Nächte und träumt von dem Unfall. Zudem stünde er noch im Konflikt mit der Berufsgenossenschaft, „weil die nur die Verletzung am Daumen übernehmen. Die an der Schulter und am Rücken hätte ich ja schon vorher haben können – aber wie soll ich damit bitteschön arbeiten gewesen sein?“

Sich an dieser Stelle durchzusetzen, sei neben der Jobsuche sein erklärtes Ziel. „Und ich will es irgendwann wieder schaffen, unter die Leute zu gehen!“ kündigt Alexander Halbe trotzig an. Kraft findet er bei seiner Familie. Ohnehin ist sein Lebensmotto: „Aufgeben können andere!“ Auch seinen Humor will sich Halbe nicht nehmen lassen. Als er damals von der Unfallstelle abgeholt wurde, schickte er seiner Frau ein Foto aus dem Krankenhaus und schrieb: „Schatz, ich komme heute später nach Hause!“