Abrechnungsaffäre im Kreis Unna Ermittlungen gegen Lütschen, Küpper und Seier vor Abschluss

Abrechnungsaffäre: Ermittlungen gegen Lütschen, Küpper und Seier vor Abschluss
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Sie sollen einen zu hohen Verdienstausfall geltend gemacht bzw. Entschädigungszahlungen doppelt abgerechnet haben: Seit März 2022 ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund gegen Timon Lütschen und Marion Küpper bzw. gegen Dr. Hubert Seier, allesamt Mitglieder des Kreistages in Unna.

Bereits im Dezember 2021 hatte diese Redaktion Ungereimtheiten bei den Abrechnungen der Lokalpolitiker offengelegt. Die Vorwürfe schlugen hohe Wellen und gipfelten am 25. Oktober 2022 vorläufig in Durchsuchungen der Fraktionsräume von Bündnis 90/Die Grünen im Kreishaus sowie der Wohnungen von Lütschen in Kamen und Küpper in Selm.

Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen drei Beschuldigte

Die Öffentlichkeit beherrschte seither viele Wochen und Monate vor allem die politische Debatte. Vorsitzender Timon Lütschen trat nach der Hausdurchsuchung aus der Kreistagsfraktion der Bündnisgrünen aus, während dessen seinerzeitige Co-Fraktionsvorsitzende Marion Küpper wiederum nach einer Abstimmung ausgeschlossen wurde. Dr. Hubert Seier hingegen gab rein turnusmäßig im vergangenen Januar lediglich den Vorsitz der Kreistagsfraktion Die Linke/UWG-Selm ab.

Über Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen war in derselben Zeit kaum etwas zu erfahren. Am Mittwoch (3. Mai) äußerte sich im Gespräch mit dieser Redaktion nun erstmals der ermittelnde Staatsanwalt Tobias Wendt.

Zu hohe Verdienstausfälle abgerechnet?

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse, so Wendt, verfestigten in der Tendenz die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass insbesondere die Beschuldigten Timon Lütschen und Marion Küpper betrügerisch zum Nachteil der Kasse des Kreises Unna vorgegangen seien. „Es deutet nichts auf eine Einstellung hin“, sagte Wendt.

Besonders betroffen von der Abrechnungsaffäre ist die ehemalige Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, hier das frühere Mitglied Dr. Gerrit Heil. Nach dem Ausschluss von Marion Küpper ging der Fraktionsstatus verloren.
Besonders betroffen von der Abrechnungsaffäre ist die ehemalige Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, hier das frühere Mitglied Dr. Gerrit Heil. Nach dem Ausschluss von Marion Küpper ging der Fraktionsstatus verloren. © Archiv/Kevin Kohues

Die ehemaligen Bündnisgrünen-Abgeordneten sollen zu hohe Verdienstausfälle für ihre berufliche Tätigkeit geltend gemacht haben: Bei Lütschen waren es von November 2020 bis Oktober 2021 rund 14.900 Euro und bei Küpper im selben Zeitraum fast 7800 Euro. Misstrauisch geworden ob der Höhe war zunächst das Rechnungsprüfungsamt des Kreises.

Bei den Durchsuchungen im Oktober 2022 waren dem Vernehmen nach aus dem Fraktionsbüro der Bündnisgrünen ein Computer und Akten beschlagnahmt worden. Staatsanwalt Wendt bestätigte, dass die Anklagebehörde seither weitere aufwändige Finanzermittlungen eingeleitet habe.

Anklagebehörde muss Abrechnungen widerlegen

Die Ermittlungen zögen sich deshalb so lange hin, weil man auf die Mithilfe Dritter angewiesen sei. „Auch Banken müssen Auskunft geben“, so Wendt. Die Erkenntnisse zu den Einkommensquellen von Lütschen und Küpper müssten im Ergebnis dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft die abgerechneten Stundensätze der Beschuldigten widerlegen könne.

Timon Lütschen war – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – Geschäftsführer eines jungen Photovoltaik-Unternehmens in Dortmund. Marion Küpper hatte sich vor der Kommunalwahl im September 2020 als Hartz-IV-Aufstockerin bezeichnet. Dem Kreis hatte sie zudem gemäß Korruptionsbekämpfungsgesetz Nachhilfeunterricht und Yogakurse als Tätigkeiten angegeben.

Staatsanwalt Wendt geht davon aus, dass die Auswertung von diversen Bankunterlagen noch vier bis fünf Wochen in Anspruch nehmen werde. Den Beschuldigten werde dann noch rechtliches Gehör eingeräumt.

Timon Lütschen und sein Verteidiger hätten bislang „ein bisschen mehr kooperiert“ als Marion Küpper, die sich zu den Ermittlungen bisher „noch nicht eingelassen hat“. Dies sei allerdings ihr gutes Recht, weil sie sich als Beschuldigte nicht äußern müsse.

Staatsanwaltschaft hält Geldstrafe für wahrscheinlich

Neben einer Einstellung gegen eine Geldauflage kämen als Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft noch ein Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung und eine Anklageerhebung vor dem Amtsgericht Unna in Betracht. Über die Notwendigkeit eines öffentlichen Gerichtsprozesses könne man sicherlich nachdenken, weil der Sachverhalt bereits ausgiebig in der Öffentlichkeit debattiert worden sei.

Eine Hauptverhandlung sei, so Wendt, allerdings alles andere als zwingend, einen „Schauprozess“ werde es nicht geben. Weil Lütschen und Küpper keine Amtsträger seien, liege auch kein erschwerter Fall des Betrugs vor. Sollten die Ermittlungen sich weiter verfestigen, sei eine Geldstrafe tat- und schuldangemessen

Etwas anders gelagert sei der Fall von Dr. Hubert Seier, der Verdienstausfall doppelt, als Ratsherr bei der Stadt sowie beim Kreis Unna, abgerechnet haben soll. „Dieser Fall ist schon weiter als die anderen“, so Wendt. Die Verteidigung Seiers habe noch eine schriftliche Stellungnahme angekündigt; außerdem soll noch ein persönliches Gespräch mit den Beteiligten geführt werden.

Gesamtschaden noch nicht zu beziffern

Der Gesamtschaden für Kreiskasse und Stadtkasse Selm, so Staatsanwalt Wendt, sei im Übrigen bisher noch nicht abschließend zu beziffern.

Timon Lütschen betonte am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion lediglich, dass er sich der Staatsanwaltschaft gegenüber stets kooperationsbereit gezeigt habe. Er habe „nichts zu verbergen“. Er freue sich, wenn das ganze Verfahren endlich zum Abschluss komme. Marion Küpper und Dr. Hubert Seier waren für die Redaktion am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.