Rücktrittsforderungen vom politischen Gegner sind nach Skandalen nicht ungewöhnlich. Timon Lütschen und Marion Küpper allerdings werden nun von der eigenen Partei aufgefordert, ihre Mandate im Kreistag abzugeben und auch innerhalb der Partei jedes Engagement ruhen zu lassen.
„Wir haben Timon Lütschen und Marion Küpper aufgefordert, ihre Kreistagsmandate unverzüglich niederzulegen“, gibt der Kreisvorstand von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Unna nun bekannt. Die Partei reagiert damit auf die Hausdurchsuchungen, die die Staatsanwaltschaft Dortmund im Rahmen ihrer Ermittlungen zur sogenannten „Abrechnungsaffäre“ in Auftrag gegeben hat. Lütschen und Küpper stehen unter Verdacht, Ausgleichszahlungen für Verdienstausfälle bezogen zu haben, die es gar nicht gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft wertet so ein Handeln als „erwerbsmäßigen Betrug“.
Die Bündnisgrünen stellen zugleich klar, dass der Abschluss der Ermittlungen und danach eventuell auch eines Gerichtsverfahrens abgewartet werden müsse, um den Fall vollends bewerten zu können. Dennoch sei nun eine Situation entstanden, in der Lütschen und Küppers Konsequenzen zeigen müssen. „Ausdrücklich die juristische Unschuldsvermutung vorausgeschickt, missbilligen wir, dass durch das Handeln von Timon Lütschen und Marion Küpper die Staatsanwaltschaft dazu
veranlasst wurde, auf richterlichen Beschluss hin Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchzuführen“, schreibt der Vorstand des Kreisverbandes in einer offiziellen Stellungnahme. Und: „Der dadurch entstanden Eindruck, dass sich aufgrund eines politischen Ehrenamtes bereichert wurde, ist ein Schaden für die Integrität der Politik im Kreis Unna. Dies ist mit den Werten unseren Grünen Partei in überhaupt keiner Weise vereinbar.“
Grüne auf Distanz zur „Skandalfraktion“
Lütschen und Küpper hielten sich lange bedeckt, was eine Reaktion auf die Vorwürfe angeht. Timon Lütschen aus Kamen hatte zwischenzeitlich den Fraktionsvorsitz bei den Bündnisgrünen im Kreistag an Dr. Gerrit Heil abgegeben. Nach der Hausdurchsuchung im Büro der bündnisgrünen Kreistagsfraktion und in den privaten Räumen der beiden Verdächtigen hat Lütschen überdies die Fraktion verlassen. Das Mandat im Kreistag wolle er „ruhen“ lassen, was allerdings im Grunde nur bedeutet, dass er vorerst nicht an Sitzungen teilnimmt. Marion Küpper lehnt schon den Austritt aus der Fraktion ab.
Die Rücktrittsforderung von der eigenen Partei wirkt nun ungewöhnlich, kommt allerdings nicht allzu überraschend. Denn die Situation der grünen Bewegung in Kreis und Kreistag ist kompliziert: Die 14 Kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, die bei der Kommunalwahl 2020 in den Kreistag eingezogen waren, spalteten sich im Grunde schon beim Versuch, eine gemeinsame Fraktion zu gründen. Vier von ihnen – Timon Lütschen, Marion Küpper, Dr. Gerrit Heil und seine Frau Daniela – meldeten dann die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ an, während die übrigen zehn unter Vorsitz von Herbert Goldmann die Fraktion „Grüne im Kreistag“ formierten.
Die kleinere Fraktion trägt zwar den offiziellen Namen der Partei, ist allerdings nicht unbedingt ihre allgemein akzeptierte Vertretung im Kreistag. Innerhalb der Partei wird der vierköpfige Kreis um Lütschen und Küppers auch als „die Skandalfraktion“ bezeichnet. Den deutlich stärkeren Rückhalt genießen in der Partei die „Grünen im Kreistag“, intern auch als „Goldmann-Fraktion“ bezeichnet.