Abnehm-Wunder oder Mogelpackung? Fachärztin klärt über Diabetes-Medikament Ozempic auf

Abnehm-Wunder oder Mogelpackung? Diabetologin erklärt Wirkung von Ozempic
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Wer träumt nicht davon, ohne große Anstrengung ein paar Pfunde abzunehmen? Seit einigen Monaten macht sich ein gefährlicher Trend breit. Selbsternannte Stars verabreichen sich das Medikament Ozempic, um Gewicht zu verlieren. Eine positive Wirkung ist zwar nachgewiesen, aber das Mittel ist eigentlich zur Therapie für Menschen mit Diabetes Typ 2 entwickelt worden.

In Deutschland leiden laut dem Bundesgesundheitsministerium etwa 7,2 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren (rund 70 Millionen) an der Zuckerkrankheit. Das sind gut fünf Millionen. Etwa 90 bis 95 Prozent von ihnen sind an Typ-2-Diabetes erkrankt.

Seit dem 17. Juli dürfen Ärzte das Abnehm-Medikament Wegovy Patienten mit krankhaftem Übergewicht verschreiben. Dieses Mittel gibt es ausschließlich auf Privat-Rezept, eine Verordnung auf Kassenkosten ist hier ausgeschlossen.
Seit dem 17. Juli dürfen Ärzte das Abnehm-Medikament Wegovy Patienten mit krankhaftem Übergewicht verschreiben. Dieses Mittel gibt es ausschließlich auf Privat-Rezept, eine Verordnung auf Kassenkosten ist hier ausgeschlossen. © picture alliance/dpa

Kerstin Wellner-Wielowiejski ist Fachärztin für Diabetologie und leitet das Diabeteszentrum in Lünen. Sie verschreibt ihren Patienten Ozempic und auch Trulicity. Das ist schon ein paar Jahre länger auf dem Markt, Ozempic erst seit Dezember 2019. Trulicity wird von der amerikanischen Firma Lilly mit dem Wirkstoff Dulaglutid hergestellt. Sie habe „sehr gute Erfahrungen mit beiden Medikamenten gemacht“ erklärt sie. Es habe sich jedoch gezeigt, dass Ozempic besser bei den Patienten wirke.

„Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid ist zur Behandlung des von Diabetes Typ 2 bei Erwachsenen zugelassen und wird bei unzureichend kontrolliertem Diabetes zusätzlich zu diabetesgerechter Ernährung und körperlicher Aktivität, gegebenenfalls zu anderen Diabetesmedikamenten eingesetzt“, erläutert Wellner-Wielowiejski. Bei Typ-2-Diabetes-Patienten, die eine Insulin-Therapie benötigen, habe die Insulin-Dosis unter Ozempic verringert werden können, ein weiterer positiver Effekt.

Bei der Indikation für Diabetes Typ 2 übernehmen Krankenkassen die Kosten. Anders sieht das für Menschen ohne Diabetes aber mit Adipositas aus, die die Effekte des Medikaments für die Gewichtsabnahme nutzen wollen. Die Verordnung sei dann nicht zu Lasten der Krankenkasse möglich, so die Diabetologin.

Doch durch die Verordnung von Ozempic an Menschen, die nicht an der Zuckerkrankheit leiden, ist es zuletzt zu Lieferengpässen gekommen, was wiederum für die Menschen mit Diabetes nachteilig ist. Denn wenn sie das Medikament nicht regelmäßig einnehmen können, kommt es zu einer Verschlechterung der Stoffwechsellage und zu Gewichtszunahme, erklärt die Lüner Ärztin.

Das Problem liegt für Kerstin Wellner-Wielowiejski in den privaten Leistungen. „Deshalb ist der Markt weltweit unter Stress. Aber hier gibt es keine Toleranz für die Patienten, nach Absetzen des Mittels steigen die Blutzuckerwerte wieder an“, so die Diabetologin. Solange die Patienten keine Symptome wie Durst oder häufiges Wasserlassen (Polyurie) bekommen, nehmen sie das aber nicht wahr. Andres als beispielsweise bei Schmerzsyndromen, gebe es bei Diabetes keinen Leidensdruck.“

Ozempic geht, wie viele andere Medikamente auch, mit entsprechenden Nebenwirkungen einher. „Die meisten Patienten klagen am Anfang über Übelkeit. Das kommt vor, denn die Substanz hemmt die Magenbeweglichkeit. Deshalb schleichen wir die Dosis ein und steigern das langsam. Dann wird es in der Regel auch gut vertragen“, erklärt Kerstin Wellner-Wielowiejski.

Weitere Studien haben gezeigt, dass auch eine Entzündung der Bauspeicheldrüse auftreten könne. Außerdem habe es Hinweise gegeben, dass das Mittel in seltenen Fällen die Entstehung von Schilddrüsenkrebs begünstigt habe. Über Langzeitfolgen des Präparats sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts bekannt.

Menschen, die Ozempic für den Abnehmprozess nehmen, verlieren damit bis zu 17 Prozent ihres Körpergewichts. Doch nur solange, wie die Spritzen auch injiziert werden. Wird es abgesetzt, kommt es wieder zu einer Gewichtszunahme. Daher ist Wichtigste für eine nachhaltige und dauerhafte Gewichtsabnahme eine Kombination aus gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung.