Die Firma von Karl Ebrecht füllte das "Fruchtsaftgetränk" in den 1930er Jahren ab. Heute gibt es den Betrieb in Lünen nicht mehr.

© Grafik: Martin Klose

90 Jahre alte Limo: Spur führt zu Coca-Cola-Abfüller in Lünen

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Rüdiger Mertens fand im Mai eine ungeöffnete Limo-Flasche in Lünen. Abgefüllt vor vermutlich 90 Jahren bei Karl Ebrecht. Was steckt hinter der Lüner Firma? Eine historische Spurensuche.

Lünen, Selm, Cappenberg

, 05.06.2021, 14:20 Uhr / Lesedauer: 3 min

Vermutlich 90 Jahre lang befand sich das „Fruchtsaftgetränk“ der Firma Karl Ebrecht in einem Schrank auf einem Lüner Dachboden. Bis Leichenfundortreiniger und Entrümpler Rüdiger Mertens sie fand - samt einer Rechnung, die aus den 1930er-Jahren stammt. Zusammen ermöglichen die Relikte einen Blick in die Vergangenheit eines Betriebes, der tief mit der Stadt Lünen verbunden ist. Viele Menschen fanden dort Arbeit. Im Verlauf der stetigen Firmenentwicklung verrichteten sie ihr Tagwerk zudem für einen Weltkonzern.

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Tatortreiniger findet 90 Jahre alte Limo

Wie ein kleiner Getränkevertrieb aus Lünen Teil eines globalen Großunternehmens wurde, dokumentieren einige Zeitungsartikel und Buchbeiträge aus dem Archiv der Stadt Lünen. Archivmitarbeiter Jens Trösken ermöglicht einen kleinen Einblick in die Historie des Unternehmens, das heute nicht mehr existiert.

Karl Ebrechts Vater gründete das Unternehmen 1924

Karl Ebrecht, in Dülmen geboren, übernahm 1931 das Geschäft seines Vaters Arnold Ebrecht. Dieser hatte 1924 einen Bier- und Mineralwasserverlag an der Lüner Kupferstraße gegründet. „Mit einem Pferdefuhrwerk wurden die ersten Kunden beliefert, erst 1927 stand ein Lkw und zwei Jahre später eine kleine Abfüllanlage zur Verfügung“, steht in der 1968 erschienenen Kultur- und Wirtschaftschronik notiert.

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Karl Ebrecht: Ein Coca-Cola-Abfüller in Lünen

Karl Ebrecht übernahm in Lünen den Getränkevertrieb seines Vaters. Seit den 1950er Jahren füllte das Unternehmen an der Schützenstraße das bekannte des Erfrischungsgetränk des Weltkonzerns Coca Cola ab. Während das Fabrikgebäude abgerissen wurde, existieren seine Villen heute noch.
07.06.2021

Der Umsatz stieg, ein größeres Gebäude musste her. 1929 folgte der Umzug zum Roggenmarkt. Die neuen Räumlichkeiten ermöglichten die Abfüllung von Bier und die eigene Herstellung von Limonaden, steht in einem Buch-Beitrag über Karl Ebrecht in „Menschen in Selm, Bork und Cappenberg“.

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Genau in diese Firmenepoche führen die von Rüdiger Mertens gefundene Flasche samt Rechnung zurück. Die Rechnung, die gleichzeitig als Lieferschein fungiert, gibt einen Eindruck von dem Sortiment, das Karl Ebrecht nach der Geschäftsübernahme anbot.

Dazu zählten beispielsweise Wasser, Limonade, Malzkrone, helles Bier, Branntwein und Spezialwein. Kohlensäure ließ sich ebenfalls in Zylindern erstehen. Einzig der Geschmack der Getränke lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Rüdiger Mertens möchte seine Flasche jedenfalls nicht öffnen, um den Inhalt zu probieren. Haltbar ist das Getränk sicherlich ebenfalls nicht mehr.

„Coca-Cola-Fabrik entstand in 72 Tagen“

Nach Ende des zweiten Weltkrieges und dem Ende von Ebrechts Kriegsgefangenschaft entwickelte sich das Unternehmen weiter. „Coca-Cola-Fabrik entstand in 72 Tagen“, titelt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am Montag, den 4. Juni 1951. Von da an war Ebrechts Unternehmen an der Schützenstraße beheimatet und füllte das weltbekannte Erfrischungsgetränk von Coca Cola ab - und das Mitten in Lünen.

Am Samstag zuvor - es muss der 2. Juni gewesen sein - nahm unter anderem Lünens damaliger „stellvertretender Bürgermeister Hüsing [...] als Vertreter der Stadt“ an der Einweihung der neuen Fabrik teil. Damit begann die Blütezeit des Lüner Unternehmens und der Wohlstand des Fabrikanten wuchs.

Wohlstand der Familie Ebrecht wächst

„1957 erwarb er die Jugendstilvilla Borker Straße in Cappenberg und zog dort mit seiner Familie hin“, steht es in Ebrechts Beitrag zu den Persönlichkeiten aus Selm, Bork und Cappenberg. Drei Jahre später kaufte der Antiquitätenliebhaber das Hotel-Restaurant Kreutzkamp und führte es weiter. Zudem erstand der Fabrikant ebenfalls die Villa an der Borker Straße 16.

Doch nicht nur das Eigentum der Fabrikantenfamilie wuchs. Ebrechts Betrieb erweiterte sich gleichermaßen. So verlagerte sich der Produktvertrieb auf die Gebäude und das Gelände einer ehemaligen Selmer Maschinenfabrik. Ebrecht hatte es 1972 erworben. Wiederum drei Jahre später ging das Gelände der ehemaligen Brennerei Kreutzkamp in seinen Besitz über.

Ebrecht erlag einem Herzversagen

Das Verbreitungsgebiet des Unternehmens erstreckte sich mittlerweile über die Bezirke Lünen, Kamen sowie den Landkreis Lüdinghausen. Dabei war sich der Inhaber nicht zu Schade, selbst mit anzupacken. Am 22. Mai 1976 erlag Ebrecht mit 73 Jahren einem Herzversagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Konzern rund 100 Mitarbeiter, wie aus einem Nachruf hervorgeht.

Sein Name und das Unternehmen blieben allerdings bestehen. Die Karl Ebrecht GmbH & Co. KG schloss sich Anfang 1994 der Nordwest Getränke GmbH an, mit dem Hauptsitz in Soest. „Damit gehört Ebrecht jetzt zu einem Verbund von 14 Coca-Cola Konzessionären, die gemeinsam den größten unabhängigen Coca-Cola Abfüller bilden“, schrieb unsere Redaktion zu diesem Anlass. Dennoch war der Betrieb von Karl Ebrecht als „selbstständige Vertriebsgesellschaft für Verkauf, Kundendienst und Belieferung der Kunden verantwortlich.“

1999 endete eine wirtschaftliche Ära in Lünen

Die Ära der Lüner Firma sollte allerdings nicht mehr lange dauern. Genauer: Sie endete am Donnerstag, den 22. Juni 1999. An diesem Tag begann der Umzug nach Dortmund-Marten, den Umschlagplatz der Coca Cola Erfrischungsgetränke AG Berlin. 25 der damals noch 52 Mitarbeitenden fanden an diesem Standort Arbeit. Der Rest wechselte in die Coca-Cola-Verwaltung an die Dortmunder Kaiserstraße. Das berichtete unsere Redaktion am darauf folgenden Samstag.

75 Jahre dauerte die Geschichte des traditionsreichen Lüner Getränkevertriebes, die noch immer weiterlebt. Und das nicht nur in Erinnerungen. Dank der gefundenen Limonaden-Flasche samt Rechnung lässt sie sich anfassen - und theoretisch auch schmecken.

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