Zelluloidbälle weichen den neuen Plastikbällen - das stellt die Tischtennisspieler vor Herausforderungen. Sascha Fetting vom TTC Werne ist darüber nicht glücklich.

von Marcus Lütke-Börding

Werne

, 11.02.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Der Tischtennissport lebt seit nunmehr vier Jahren mit einer seiner größten Spieländerungen: Seit der Saison 2014/15 wird auf den Wettbewerben des Weltverbandes ITTF sowie auf den Veranstaltungen des Deutschen Tischtennis-Bundes DTTB aus Gründen des Umweltschutzes mit Plastikbällen gespielt.

Diese sind nun ab der kommenden Saison auch auf den Kreis- und Bezirksebenen verpflichtend und haben viele Vereine bereits zu früheren Zeitpunkten zum Wechsel von Zelluloidbällen zum neuen Plastikball bewegt – zur Unzufriedenheit vieler Spieler.

Durchwachsene Saison für Sascha Fetting

Sascha Fetting spielt mit der Landesliga-Mannschaft des TTC Werne 98 derzeit eine durchwachsene Saison: Der Tabellendritte der vergangenen Spielzeit liegt aktuell mit dem zehnten Rang nur auf einem Relegationsplatz und befindet sich mitten im Abstiegskampf.

Der zweite Vorsitzende des TTC spielt mit seiner Mannschaft bereits im dritten Jahr mit den neuen Plastikbällen und auch die anderen Mannschaften des TTC sind zur Spielzeit 2018/19 angesichts eines fehlenden Angebots an alten Zelluloidbällen nachgezogen und haben das Spielgerät ausgetauscht.

„Plastikball hat weniger Schnitt“

Für Fetting bestehen die größten Unterschiede zwischen den beiden Materialien in der Qualität und dem Spielverhalten: „In der Haltbarkeit haben sich die Plastikbälle in den letzten Jahren zwar gebessert, kommen allerdings noch lange nicht an das Niveau der Zelluloidbälle heran. Auch das persönliche Spiel müssen wir umstellen, da der Plastikball weniger Schnitt aufnimmt und anders vom Tisch abspringt.“

Sascha Fetting beim Aufschlag für den TTC Werne.

Sascha Fetting beim Aufschlag für den TTC Werne. © Weitzel

So stellt der neue Ball gerade so genannte Materialspieler vor Schwierigkeiten. Diese Spielertypen verwenden entweder einen Anti-Belag, der selbst keine Griffigkeit hat und daher nur wenig bis keine Rotation erzeugen kann, oder haben Noppen auf der Schlägeraußenseite, um unempfindlicher gegen gegnerische Rotation zu sein und den Ball unterhalb des Tisches retournieren zu können.

Mit beiden Belägen ist jeweils das Ziel, den Gegner durch schwer einzuschätzenden Schnitt zu Fehlern zu zwingen. „Unsere Materialspieler hadern immer noch mit dem Plastikball, da das eigene Störspiel durch die geringere Rotation wesentlich weniger effektiv ist“, so Fetting.

Zur Person

Das ist Sascha Fetting

Sascha Fetting ist 40 Jahre alt und arbeitet bei der Böcker Maschinenwerke GmbH in Werne. Er wurde bereits in Werne geboren und lebt auch seit jeher dort. Seit seinem elften Lebensjahr spielt Sascha Fetting in Werne Tischtennis: Zuerst bei der BSG Rother und ab 1998 beim daraus hervorgegangenen selbstständigen Verein TTC Werne. Zudem ist er seit 2008 der zweite Vorsitzende des Vereins und war davor acht Jahre lang Jugendwart. Am Tischtennis gefällt ihm besonders die Vereinbarkeit des eigentlichen Einzelsports, der jedoch zusammen innerhalb einer Mannschaft betrieben wird. Daneben steht für ihn als Motivation an erster Stelle der Spaß am Sport.

Den Wechsel des Ballmaterials beschloss der Tischtennis-Weltverband ITTF im Jahr 2012 und entschied sich bewusst für eine schnelle Einführung bereits ab der Saison 2014/15, um die Hersteller dazu zu bewegen, sich sofort mit dem neuen Kunststoff zu beschäftigen.

Der Umweltschutz spielt auch eine Rolle

Die Beweggründe für die zweite Änderung des Spielgeräts nach einer Anpassung des Durchmessers von 38 auf 40 Millimeter im Jahr 2002 liegen im Umweltschutz. Zelluloidbälle werden aus so genannten Zelluloidplatten hergestellt, die leicht entflammbar sind, und bergen daher in der Herstellung und im Transport ein hohes Gefahrenpotential.

Aufgrund der rückläufigen Produktion dieser Platten und erhöhter Sicherheitsvorschriften befürchtete die ITTF langfristig Lieferengpässe oder sogar einen kompletten Produktionsstopp. Um diesem Ernstfall vorzubeugen, entschied man sich daher frühzeitig für eine Umstellung des Materials auf Plastik.

DTTB ist zufrieden mit den neuen Plastikbällen

Den nationalen Verbänden wurden zwar bei der Wahl des Materials bis heute keine Vorschriften gemacht und Zelluloidbälle sind weiterhin offiziell vom Weltverband zugelassen. Für den DTTB stand allerdings außer Frage, den Plastikball schon ab 2014 in den obersten fünf Ligen einzusetzen, um weiterhin im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein.

Daneben sprach der Deutsche Tischtennis-Bund auch eine Empfehlung an die unteren Ligen zur Verwendung des neuen Spielgeräts aus. Mit der bisherigen Entwicklung und Qualität des Plastikballs ist der Generalsekretär des DTTB, Matthias Vatheuer, nach anfänglichen Problemen heute zufrieden: „Inzwischen ist die Qualität der Bälle gut, besonders die Haltbarkeit der Bälle neuerer Produktion ist auf dem Niveau der Zelluloidbälle. Es ist davon auszugehen, dass die Qualität vor allem hinsichtlich des Absprungverhaltens weiter steigen wird.“

Zwischen den Plastikball-Herstellern gibt es große Unterschiede.

Zwischen den Plastikball-Herstellern gibt es große Unterschiede. © Marcus Lütke Börding

Eine frühzeitigere Einführung des Balls in den Kreis- und Bezirksebenen, wie es der DTTB ursprünglich schon für die Spielzeit 2017/18 vorsah, wurde auf Empfehlung der Landesverbände vermieden, da viele Vereine noch große Vorräte an Zelluloidbällen auf Lager hatten und Lieferengpässe hinsichtlich einer flächendeckenden Versorgung mit Plastikbällen befürchtet wurden.

Große Unterschiede zwischen den Tischtennisbällen

Größter Kritikpunkt vieler Amateurspieler am neuen Ball ist die fehlende Vergleichbarkeit der Plastikbälle unterschiedlicher Hersteller. Da sich jede Heimmannschaft selbst einen Ball aussuchen kann, hat sich in den vergangenen Spielzeiten eine große Vielfalt an unterschiedlichen verwendeten Spielgeräten entwickelt und stellt die Teams in ihren Auswärtsspielen immer wieder vor Anpassungsschwierigkeiten.

Dieser Umstand ist für Sascha Fetting ein großes Problem, denn auch seine Werner müssen sich in ihren Partien in der Ferne oft auf neue Bälle einstellen: „Das ist eines der größten Probleme und eigentlich ein Unding einer Sportart. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Bällen sind so enorm, dass wir mittlerweile dazu übergegangen sind, mit den Bällen unserer Gegner vor einem Auswärtsspiel zu trainieren, um zumindest ein wenig Ballgefühl zu bekommen. So etwas gab es zu Zeiten des Zelluloidballs nicht.“

Die Unterschiede zwischen den Bällen werden immer geringer

Derartige Resonanz hat auch Matthias Vatheuer aus den unteren Ligen erhalten, allerdings geht der Generalsekretär des DTTB von einer zukünftig steigenden Vergleichbarkeit aus: „Kurz zusammengefasst: Zwischen Zelluloid- und Plastikbällen gibt es Unterschiede hinsichtlich des Spielverhaltens; damit ist es dann nach Ablauf dieser Saison aber in den Wettkämpfen vorbei. Auch zwischen den Plastikbällen gibt es Unterschiede, die aber immer geringer werden. So lauten auch die Rückmeldungen, die wir erhalten. Im Übrigen wirken sich ja auch der Spieltisch und beispielsweise der Hallenboden auf das Spielverhalten aus.“

Sascha Fetting (r.) im Doppel mit seinem Mannschaftskollegen Tim Kroes.

Sascha Fetting (r.) im Doppel mit seinem Mannschaftskollegen Tim Kroes. © Goldstein

Ein Blick auf die technischen Daten der Plastikbälle lässt noch keinen großen Unterschied zwischen neuem und altem Material erkennen: Mit einem vorgeschriebenen Gewicht von 2,67 bis 2,77 Gramm liegen die Bälle im selben Toleranzbereich und haben neben den gleichen Farben von mattweiß und mattorange auch identische Vorschriften hinsichtlich des Absprungverhaltens, wenn die Bälle aus der gleichen Höhe fallen gelassen werden.

In den Anforderungen an den Durchmesser hat der Plastikball sogar eine geringere zugelassene Varianz als der Zelluloidball. Während die alten Bälle zwischen 39,5 und 40,5 Millimeter breit waren, weisen die Plastikbälle mit einem Toleranzbereich von 40,0 bis 40,6 Millimeter eine um 0,4 Millimeter geringere Schwankung im Durchmesser auf.

Unterscheide sind gekennzeichnet

Einzig in der Beschriftung hat der Weltverband ITTF einen Unterschied zwischen Zelluloid- und Plastikball vorgeschrieben. Auf den alten Spielgeräten muss lediglich eine „40“ als Hinweis auf den Durchmesser der Bälle erkennbar sein. Daneben steht auf den Bällen der neuen Generation der Zusatz „40+“ und ermöglicht somit eine Unterscheidung zwischen Zelluloidball und Plastikball.

Preislich befinden sich die Plastikbälle auf einem vergleichbaren Niveau. So stellt die Umstellung des Materials für Bernd Börding vom TTC Südkirchen keinen erhöhten Kostenfaktor dar: „Wir haben zu Saisonbeginn für die neuen Plastikbälle knapp über einen Euro pro Ball bezahlt und damit ungefähr so viel wie für die alten Zelluloidbälle.“

Kritik am Preis und an der Haltbarkeit

Zwar spielt Sascha Fetting bereits seit drei Jahren mit dem neuen Ball, dennoch teilt er die Erwartung vieler Tischtennis-Spieler, die in der aktuellen Saison zum ersten Mal mit dem neuen Material konfrontiert werden: „Ich erhoffe mir ein vergleichbares Verhalten aller Bälle im Spiel und auch eine wesentlich verbesserte Haltbarkeit wäre wünschenswert. Daneben könnten die Bälle auch im Preis noch etwas sinken.“

Angesichts drohender EU-Verbote für Einwegprodukte aus Plastik sieht Matthias Vatheuer die langfristige Verwendung des Plastikballs zwar nicht in Gefahr, nimmt aber Verbände und Hersteller bezüglich eines umweltbewussten Umgangs mit den Materialien in die Pflicht: „Die Tischtennisbälle sind in der Regel so haltbar, dass sie zum Glück nicht als Einwegprodukt betrachtet werden. Aber ganz im Ernst: Aus ökologischer Verantwortung müssen Verbände und Sportartikelindustrie langfristig prüfen, ob und wie eine Wiederverwertung von Plastikbällen und Belägen, die ja aus Gummi sind, möglich ist und ob und wie das Recycling in der Praxis für Vereine realistischerweise funktionieren könnte.“