
© Matthias Henkel
Michael (11) ist traurig: Sein Herzensverein kann ihn nicht aufnehmen
Fußball
Viele Vereine hatten während der Corona-Krise die Befürchtung, Kinder könnten sich abmelden und nicht wieder zurückkehren. Bei einem Verein ist das genau umgekehrt: Er muss Kinder abweisen.
Im Hintergrund toben die Kinder. Das freudige Geschrei ist groß, egal ob beim Torschusstraining die Bälle reingehen oder der Torwart der Sieger bleibt. Die mittlerweile frischen Temperaturen scheinen die Nachwuchs-Fußballer kaum zu merken, so sehr sind sind sie in die Einheit vertieft. Nur Michael Lebsack kann nicht am Training teilnehmen. Für den Elfjährigen ist kein Platz.
Der SG Selm fehlt es an Trainern, die sich um den Nachwuchs kümmern. Räumliche Kapazitäten hat der Verein, um weitere Kinder und Jugendliche aufzunehmen, nur gibt es zu wenige Jugendtrainer, die sich dem Nachwuchs auch annehmen. Die SG sucht daher händeringend nach Verstärkung.
Interessierte können sich bei der SG Selm weiterbilden
„Wir brauchen nicht unbedingt nur Trainer, sondern in erster Linie Betreuer“, erklärt Jasmin Kaufmann vom Jugendvorstand der SG. „Eine Trainerlizenz ist nicht notwendig.“ Der Verein bietet im Gegenteil an, interessierten Betreuern die Teilnahme an Trainerkursen zu ermöglichen – im kommenden Jahr wird ein Lehrgang auf dem Vereinsgelände am Sandforter Weg angeboten.

Viele Kinder wollen bei der SG Selm mit trainieren – so viele, dass der Verein einige nicht aufnehmen kann. © Matthias Henkel
So lange will Michael aber nicht warten. Immerhin trainieren viele seiner Freunde und Klassenkameraden bei der SG. Ihm bleibt nur, sich möglichst oft mit ihnen nach der Schule zu treffen, um zu bolzen. „Ich gehe eigentlich jeden Tag mit meinen Freunden spielen“, sagt Michael, den seine Freunde „Mischa“ rufen. „Aber er hat schon Bock auf Training“, fügt Michaels Mutter Julia an. „Das wünscht er sich schon lange.“ Immerhin können ihn die Coaches in den Einheiten Dinge zeigen, die er auf dem Bolzplatz nicht lernt.
Jugendmannschaften platzen aus allen Nähten
Schon Mitte September ging Michael zum Training. „Ein Klassenkamerad hat gesagt, dass noch Plätze frei wären“, erzählt Julia Lebsack, „aber dann war das nicht so.“ Seitdem wartet der Elfjährige. Nicht nur bei den D-Junioren platzt die SG Selm fast schon aus allen Nähten. „Das zieht sich durch alle Mannschaften“, berichtet Jasmin Kaufmann.
Viele Vereine hatten zu Beginn der Corona-Pandemie und während der Lockdowns befürchtet, Kinder könnten sich abmelden und nicht mehr zurückkehren. Bei der SG kam es bis auf wenige Ausnahmen anders. Im Gegenteil: Seit einigen Wochen und Monaten beobachtet der Verein ein gesteigertes Interesse, das die SG nun nicht mehr bedienen kann.

Viele Kinder, wenig Trainer: Die SG Selm sucht händeringend Verstärkung. © Matthias Henkel
Lediglich in den gerade beendeten Herbstferien waren weniger Kinder da. Dass „Mischa“ dann vorübergehend mittrainiert, ist aber auch keine Lösung. „Rein theoretisch wäre es möglich“, sagt Jasmin Kaufmann, „aber das bringt ja niemanden etwas.“ Spätestens nach den Ferien ist der Trainingsplatz wieder so gut gefüllt, dass kein Platz mehr vorhanden wäre. „So hat er keine Chance, sich einzufinden“, meint Kaufmann.
Michael Lebsack will bei der SG Selm spielen
Die einzige Möglichkeit, an geregeltem Fußballtraining teilzunehmen, wäre es, sein Glück bei einem anderen Klub zu versuchen. Das aber kommt für Michael nicht infrage: „Viele Freunde spielen hier“, sagt er. Seine Mutter fügt hinzu: „Zu einem anderen Verein möchte er nicht, weil er hier alle kennt.“
Und auch die SG Selm will keinem Kind oder Jugendlichen sagen müssen, dass kein Platz ist. Leider ist das aber im Augenblick, sodass mehrere Nachwuchskicker auf Wartelisten stehen. Andere wurden schon in eine höhere Altersklasse eingruppiert, was aber auch keine Optimallösung ist. Und zu große Gruppen sind nicht sinnvoll. „Wir wollen Mannschaften haben, in denen Kinder gefördert werden, gefordert werden und spielen können“, erklärt Jasmin Kaufmann.
Daher bleibt die SG Selm auf der Suche nach Trainern. „Wichtig ist, dass jemand, der interessiert ist, Bock und Zeit hat, mit Kindern zu trainieren“, sagt Kaufmann. Nicht nur Michael Lebsack würde sich freuen, endlich regelmäßig zum Training gehen zu können.
Ist zum Studium ins Ruhrgebiet immigriert - und geblieben. Vielseitig interessiert mit einer Schwäche für Geschichten aus dem Sport, von vor Ort und mit historischem Bezug.
