Eigentlich hätte die Reise gar nicht so weit gehen sollen. Nicht mal annähernd. Und doch kommt es ganz anders. Jörg Hausner (55) und Zoe Boldt (14) hätten eigentlich an einem Kampfsport-Turnier in Belgien, dem sogenannten Flandern-Cup, teilnehmen sollen. Stattdessen geht es ins fast 5000 Kilometer Luftlinie von Selm entfernt liegende Taschkent, der Hauptstadt des zentralasiatischen Staats Usbekistans. Beim dort stattfindenden World Cup bestreitet Hausner seine letzten Kämpfe – und krönt seine Leistung mit dem WM-Titel.
Selmer Jörg Hausner gewinnt WM-Titel
„Normalerweise wären wir da gar nicht hingefahren“, sagt Hausner über den Trip mit seinem Schützling nach Taschkent. Und doch ging es statt nach Belgien nach Usbekistan. „Zoes Vater ist auf mich zugekommen. Er sagte mir, dass er selbst nicht mit kann und einen Sponsor für Flug und Hotel hat. Zoe ist da auf den Trichter gekommen. Ich habe mir dann überlegt: Wenn ich da schon hinfahre, dann kann ich mich auch vorbereiten und schauen, ob ich dann was reiße.“
Los ging es wegen der langen Anreise bereits am Mittwoch (25. September). Bevor es für das Selmer Duo in den Ring ging, ging es zunächst auf die Waage und dann zum Medizincheck. Zoe Boldt meldete für Klassen. Die Lüdinghausenerin meldete im Leichtkontakt in gleich vier Disziplinen unterschiedlicher Gewichtsklassen, darunter auch im Leichtkontakt. „Nicht ihre Paradedisziplin“, kommentiert Hausner.
Trotzdem lief es für Zoe Boldt richtig gut. Insgesamt holte die 14-Jährige zwei dritte Plätze, einen zweiten und sicherte sich einmal den WM-Titel. Letzteren gewann Zoe Boldt in der Klasse bis 60 Kilogramm im Point Fighting, der Disziplin, in der die Athletin ihre Stärken hat. Dort setzte sich Zoe Boldt im Finale gegen die amtierende Taekwondo-Weltmeisterin durch und entthronte die vorige Titelträgerin.
Und auch ihr Trainer Jörg Hausner trat zu seinen letzten Kämpfen im Ring an. Der Selmer startete in der Veteranenklasse an, in der Athleten von 40 bis 55 Jahren antreten. Als 55-Jähriger war Jörg Hausner nicht nur der älteste Teilnehmer seines Starterfelds, sondern bei der ganzen Veranstaltung, bei der 2194 Sportler aus 40 Nationen 2586 Mal an den Start gingen.
Jörg Hausner sammelt Titel ohne Ende
Hausner, der seit sechs Jahren keinen Kampf mehr bestritten hatte, meldete im Point Fighting. „Für Leicht- oder Vollkontakt wäre die Vorbereitungszeit zu kurz gewesen“, erklärt der Selmer. Den ersten Kampf gegen einen Iraker gewann der 55-Jährige zwar, musste jedoch einige verbotene tiefe Tritte einstecken. „Da blieb danach etwas die Kraft weg“, berichtet Hausner.
Dennoch setzte sich der Inhaber einer Security-Firma auch im Finale – ebenfalls gegen einen Iraner – durch. Im letzten Kampf gab es für Jörg Hausner also noch mal einen WM-Titel, einer von vielen Podestplätzen, die Hausner über die Jahre sammelte.
„Ich habe weit über 300 Kämpfe bestritten, bin zweimal Vize-Europameister geworden, habe über 40 Landestitel gewonnen und auch Profikämpfe bestritten“, zählt Hausner auf, der mit 13 Jahren mit dem Kampfsport begonnen und seitdem in verschiedenen Disziplinen aktiv ist.
„Es war sehr emotional“, berichtet Hausner über das Turnier in Taschkent. „Nicht, weil ich gewonnen habe, sondern wegen dem, was danach gelaufen ist. Da sind so viele Offizielle gekommen und so viele Leute, die gratuliert haben und die Fotos machen wollten, das ist unglaublich.“
Zu Hause in Selm wurde Hausner dann von seiner Frau und seiner Tochter mit einer großen Party überrascht. „Das war sehr emotional“, erzählt Hausner. „Das war klasse.“ Aber, das betont der 55-Jährige, der seinen Sport weitervermitteln will: „Für mich war es das. Als Trainer bleibe ich noch am Start. Wir haben guten Nachwuchs, da kommt noch was“, sagt Jörg Hausner und bekräftigt nochmals: „Für mich war es definitiv das letzte Mal.“