Sechs Spiele oder sechs Monate gesperrt - Sportprozesse sorgen für Diskussionen

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Sechs Spiele oder sechs Monate gesperrt - Sportprozesse sorgen für Diskussionen

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Im Fußball entscheiden Sportgerichte über die Höhe von Strafen. Da es keine Zivilgerichte sind, müssen die Richter keine Juristen sein und Zeugen nicht vereidigt werden. Wo liegt dann die Wahrheit?

Bork, Werne

, 29.11.2020, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Stimmt es, was der Schiedsrichter in seinen Sonderbericht nach dem Fußball-Spiel geschrieben hat? Hat der eine Spieler den anderen wirklich beleidigt? Wenn ja, wie hoch fällt die Strafe für den Gegenspieler aus, der sich für die Beleidigung gerecht hat?

Für Dietmar De Sacco sind solche Entscheidungen, die er als Beisitzer beim Kreissportgericht (KSG) treffen muss, selten leicht. „Du kommst nie an die ganze Wahrheit, du hast zwar ein Gefühl für die Wahrheit, aber am Ende musst du einfach nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden“, erzählt De Sacco.

Die Kreissportgerichte werden tätig, wenn vereins- oder personenbezogene Vergehen, meistens während Fußballspielen, vorfallen. Dabei ist es egal, ob über die Sperre eines Spielers oder Vereins-Strafen, zum Beispiel wegen sich daneben benehmender Zuschauer, entschieden wird - alles landet am Ende bei den Sportgerichten.

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„Es gibt den ersten Vorsitzenden und zwei ständig wechselnde Beisitzer. Alle beraten gemeinsam über den vorliegenden Fall und stimmen anschließend ab. Dabei zählen alle Stimmen gleich viel. Nachdem ein Urteil gefällt worden ist, übernimmt der erste Vorsitzende die Ausformulierung und Veröffentlichung des Urteils“, erklärt De Sacco das Vorgehen des Kreissportgerichts.

Doch wie unterscheiden sich Sportgerichte von staatlichen Gerichten?

Zunächst einmal müssen diejenigen, die richten, keine Juristen sein. Meistens handelt es sich bei den Vorsitzenden und Beisitzern um aktive Vereinsmitglieder unterschiedlicher Klubs aus den jeweiligen Kreisen. Ihnen wird aufgrund dessen eine gewisse Kenntnis über ihren Bereich zugesprochen.

Für De Sacco ist seine Funktionärs-Tätigkeit beim PSV Bork kein Problem

Bei Dietmar De Sacco ist es genauso. Er ist Geschäftsführer beim PSV Bork. „Früher war ich schon in der Jugendspruch-Kammer im Altkreis Lüdinghausen tätig. Als wir mit dem PSV Bork vor fünf Jahren in den Kreis Unna gewechselt sind, kamen Verantwortliche auf mich zu und haben gefragt, ob ich Lust habe, den Posten als Beisitzer zu übernehmen“, sagt De Sacco

Die Sorge, dass seine Funktionärstätigkeit zu Konflikten mit seinem Amt als Beisitzer führen könnte, hat De Sacco nicht. „Ist der eigene Verein beteiligt, ist man raus. Ansonsten gilt absolute Neutralität.“

Für die meisten Beschuldigten gilt, anders als bei staatlichen Gerichten, nicht von vorneherein die Unschuldsvermutung. Kreissportgerichte handeln mehr in dubio contra reum - im Zweifel gegen den Angeklagten. Jeder Beschuldigte muss den Vorsitzenden und die Beisitzer also von seiner Unschuld überzeugen, beziehungsweise wenn er die Tat gesteht, die Länge seiner Strafe akzeptieren oder Einspruch einlegen.

Westdeutscher Fußballverband liefert die Richtlinien für das KSG

Wie lange ein Spieler gesperrt wird, hängt also von der Einschätzung des Vorsitzenden und Beisitzern wie Dietmar De Sacco ab. Aber natürlich hat auch das KSG Vorgaben, an die sie sich halten müssen.

„Es gibt Satzungen und Ordnungen, die vom Westdeutschen Fußballverband vorgegeben werden. Wir richten uns nach der Rechts- und Verfahrensordnung und nach der Spielordnung. Man hat also einen Rahmen und entscheidet dann je nach Schwere des Vergehens“, erklärt De Sacco.

Wie schwierig es mitunter für das KSG werden kann, zeigt ein aktueller Fall bei Eintracht Werne. Ein besonders schweres Vergehen sei die Spuckattacke eines Spielers der Eintracht gewesen. „Der hat seinem Gegenspieler nach den uns vorliegenden Informationen ins Gesicht und in den Mund gespuckt“, erzählt De Sacco.

Eintracht Wernes Spieler für sechs Monate gesperrt

Die Rede ist von Serkan Adas, der während des Kreispokal-Halbfinales im August seinen Gegenspieler nach einer Beleidigung angespuckt hatte. Für die Spuck-Attacke war Adas mit einer Roten Karte bestraft worden. Die Strafe, die Adas daraufhin bekam, sorgte aber für reichlich Gesprächsstoff. Insgesamt sechs Monate muss der Werner Spieler pausieren und auch ein Einspruch wurde nun abgeschmettert.

Die Begründung für das harte Urteil lieferte der Vorsitzende des Kreissportgerichts, Michael Zahorodnyij. „Ich bin ja selbst Funktionär in meinem Verein und war auch lange Fußballer. Aber sowas habe ich in meiner ganzen Laufbahn nie erlebt. Spucken ist schon wirklich unterste Schublade.“

Das sieht man auch bei Eintracht Werne so, ist allerdings über die Länge der Sperre äußerst unglücklich.

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Insbesondere weil in derselben Partie ein anderer Spieler wegen einer vermeintlichen Kopfnuss ebenfalls die Rote Karte bekam, aber vom Sportgericht nicht mit einer Zeitsperre, sondern mit einer Spielsperre bestraft wurde. Das Kreissportgericht sperrte den Spieler für sechs Partien.

„Es ist kein einfacher Job“, gibt De Sacco deswegen zu verstehen und hält fest: „Manche Leute gehen mit der Wahrheit vernünftig um und manche nicht. Wir entscheiden auf jeden Fall nach bestem Wissen und Gewissen und dabei spielen Dinge wie die ethnische Herkunft oder der Verein selbstverständlich überhaupt keine Rolle.“

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