SG Selm zwischen Genie und Wahnsinn Klub muss „Fightclub-Krise“ sofort beenden!

SG Selm zwischen Genie und Wahnsinn: Identitätskrise sofort beenden!
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Patrick Schröer guckt in die Kamera.

Kennen Sie den Film „Fightclub“? Wenn nicht, dann empfehle ich ihn dringlichst. Ein Meisterwerk cineastischer Kunst. Nun fragen Sie sich aber sicher, warum ich über einen Film schreibe, wenn der Text hier doch eigentlich die SG Selm behandeln soll. Ich verrate es Ihnen. Spoiler sind in diesem Meinungsstück aber leider inklusive.

SG Selm leidet unter multipler Persönlichkeit

Der Protagonist des Hollywood-Streifens leidet an einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Er hat zwei Gesichter. Einer ist der coole Macker, der jedes Problem löst – Tyler Durden. Der andere ein eher unsicherer Zeitgenosse, der unter Schlafproblemen leidet und mit seinem Leben nicht so wirklich zurechtkommt – der Erzähler. „Zusammen“ schleppen sich die beiden durchs Leben, mal schlecht, mal recht. Aber irgendwie nie so ganz erfolgreich oder glücklich. Und nun zurück zur SG Selm.

Spätestens nach diesem Spieltag und der irren 4:5-Niederlage gegen den VfL Senden II lässt sich – wohlgemerkt symbolisch und überspitzt – sagen: Die SG Selm leidet ebenfalls an einer multiplen Persönlichkeitsstörung. In Durchgang eins im Senden-II-Spiel zeigte die SG Selm eine Nicht-Leistung.

Die Abwehr, natürlich auch arg gebeutelt, trat verunsichert auf, die Offensive überzeugte nur mit Ideenlosigkeit und sogar der sonst so souveräne Keeper Nils Böckenbrink patzte an diesem Nachmittag. In Halbzeit eins trat die SG wie ein Absteiger auf, mit peinlichen Aussetzern in allen Mannschaftsteilen. Und das nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. Auch gegen BW Ottmarsbocholt und gegen den SV Drensteinfurt wurde man Zeuge von richtig schlechten 45 Fußballminuten.

Sebastian Kramzik läuft über den Platz.
Sebastian Kramzik, Trainer der SG Selm, ist im Abstiegskampf gefragt: als Coach, als Motivator und als Psychologe. © Patrick Schröer

Doch die SG Selm kann auch anders. Und das macht sie aktuell so verrückt, so irre, so unberechenbar. Bei der Mannschaft von Trainer Sebastian Kramzik weiß man momentan nie, was man genau bekommt. Nachdem es in Hälfte zwei gegen Senden II plötzlich 0:5 stand, dachten sich die Selmer, dass sie nochmal den Turbo anwerfen. Treffer eins, zwei, drei und vier folgten, die Selmer explodierten aus dem Nichts und zeigten einen bockstarken Auftritt – das andere so konträre Gesicht, das es im Best-Case mit jedem Gegner dieser Liga aufnehmen kann.

Ich war beeindruckt, aber irgendwie auch irritiert. Warum nicht eher? Warum muss man 0:5 hinten liegen? Es war wieder mal das gute Gesicht über eine Halbzeit, wie auch gegen Ottmarsbocholt (zweite Halbzeit, 2:2-Ausgleich) und gegen Drensteinfurt (erste Halbzeit, 2:0-Führung). Zum Punktgewinn reichte es am Ende dennoch nicht, weil es zu spät kam und weil Selm mit weiteren Chancen Pech hatte. Die Abstiegssorgen bleiben akut.

SG Selm muss sich im Kopf freimachen

Die SG Selm – so macht es den Anschein – leidet unter einer Identitätskrise. Der Kader, mit feinen Fußballern dekoriert, kennt Abstiegskampf nicht und ist mit der Krisensituation überfordert. Kramzik gab nach der Senden-Niederlage zu, dass die Mannschaft sich im Kopf freimachen müsse.

Genau hier liegt auch die Lösung des Problems. So wie Tyler Durden im Film seine eigene Zerstörung herbeiführt, könnte auch die SG Selm ihre eigene Erlösung nur finden, wenn sie die Zerrissenheit zwischen ihren zwei Gesichtern endlich überwindet. Das Trainerteam und die Spieler müssen es schaffen, den positiven Anteil im Kader zu stärken. Draufhauen hilft nicht. Kramzik und auch Neu-Trainer Sebastian Wessel, der im Sommer übernimmt und schon jetzt unterstützt, müssen über intensive Gespräche Zugang zu ihren Kickern finden

Die Mannschaft hat, wenn ein paar Verletzte zurückkehren, sicher kein Qualitätsproblem. Sie ist aber psychologisch gerade angeknackst, verängstigt und unsicher. Gute, intensive Trainingseinheiten mit Erfolgserlebnissen helfen da – ebenso auch mal ein Mannschaftsabend für gute Stimmung. Dann, nach und nach, sollte das zweite, schlechte Gesicht verschwinden. Und danach darf die SG auch mal wieder Punkte feiern. Klappt das indes nicht, dann droht im schlimmsten Fall der Gang in die Kreisliga B. Die SG muss ihre „Fightclub-Krise“ also sofort stoppen!