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Vater Deutscher, Mutter Engländerin - Für wen ist der Schwerter Trainer am Dienstag?
Fußball
Der Vater ist Deutscher, die Mutter Engländerin. Zu wem hält man da eigentlich beim EM-Achtelfinale zwischen England und Deutschland? Keine leichte Entscheidung für einen Schwerter Handball-Trainer.
Dienstagabend 18 Uhr, Anstoß zum EM-Achtelfinalpartie zwischen England und Deutschland. Pünktlich zum Anstoß wird auch eine Familie aus Schwerte vor dem heimischen Fernseher sitzen und mitzittern. Natürlich für Deutschland. Möchte man meinen, ist aber nicht ganz so.
Denn Jan-Dirk Schulze, Jugendtrainer bei der HVE Villigst-Ergste, wird sein altes England-Trikot aus dem Sportklamotten-Schrank herausholen und den Jungs mit den Three Lions auf der Brust ganz leicht die Daumen drücken. Irgendwie auch verständlich. Denn Jan-Dirk Schulze ist quasi halber Engländer. Der Vater ist Deutscher, die Mutter Engländerin. Da gerät man bei solchen Spielen wie in Wembley schon mal in eine moralische Zwickmühle.
Anruf bei Jan-Dirk Schulze. Der zunächst mal was richtig stellen muss. Eine dauerhafte Vorliebe habe er nicht für die ein oder andere Mannschaft. „Das mache ich anhängig von der Qualität, der Bessere soll gewinnen“, so Schulze. Dieser Punkt wäre also geklärt. Natürlich fühle er sich durch und durch als Deutscher, wurde 1980 in Schwerte geboren, habe sein Studium in Bayern absolviert und bei BMW gearbeitet. Fast möchte man sagen: Deutscher geht's kaum noch.

Jan-Dirk Schulze (hier mit seinem Sohn) ist Jugendtrainer der Handballer der HVE Villigst-Ergste. © privat
Und dennoch ist da noch etwas, was ihn mit England verbinde, so Schulze. Die Verwandtschaft auf der Insel, die regelmäßigen Urlaube in der Ferienzeit. Er habe ein halbes Jahr in England gearbeitet, war für sechs Monate in England auf der Schule. Und die Fußball-Begeisterung in den englischen Pubs finde er immer noch sensationell gut. Bei ihm persönlich sei die EM-Begeisterung erst jetzt angekommen. Was aber wohl auch mit Corona zu tun habe, so Schulze.
Irgendwie ist da auch so etwas wie Mitleid mit den Three Lions, besser gesagt mit den erfolglosen Löwen. 55 Jahre sind seit dem ersten und einzigen Weltmeisterschaftstitel der Engländer vergangen. Seit 1966 wird die Zeit in der Zahl der Schmerzensjahre gemessen, in denen der Traum, den Fußball wieder nach Hause zu holen ins Mutterland des Spiels, sich ein ums andere Mal zerschlägt.
Die Fans haben mittlerweile den Refrain gewechselt. Aus den „dreißig Schmerzensjahren“ wurde inzwischen der teils flehende, teils trotzige Ruf „no more pain“. Auch Schulze will den Jungs von der Insel weitere Schmerzen ersparen.
In seiner Familie wird er aber damit allein sein. Seine englisch-stämmige Mutter hält zu Deutschland, sein deutsch-stämmiger Vater auch. Und die beiden Kinder ebenso. Also wird der 41-Jährige wieder allein in seinem Three-Lions-Trikots sein, wie 1996 im EM-Halbfinale, das Deutschland in Wembley mit 6:5 nach Elfmeterschießen gegen England gewann. Schulze feierte just an dem Tag seinen 16. Geburtstag, die Fußball-Party lief, alle waren für Deutschland, nur Schulze hielt tapfer zu England. Auch damals hatte er sein England-Trikot hervorgekramt.

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Damals gab's ein Elfmeterschießen, diesmal nicht. Davon ist Schulze überzeugt. Er tippt ein 2:1 für England, Torschütze des Siegtores wird der Borusse Jadon Sancho sein, den es ja bekanntlich auch auf die Insel zieht. „Egal wer gewinnt. Keine von beiden Mannschaften wird Europameister. Deutschlands Abwehr ist zu wackelig und England ist einfach nicht stark genug“, ist sich Schulze sicher. Der Schmerz der englischen Fans geht also weiter.
Ein waschechter Dortmunder, Jahrgang 1957. Vor dem Journalismus lange Jahre Radprofi, danach fast 30 Jahre lang Redakteur bei Dortmunder Tageszeitungen, seit 2015 bei den Ruhr Nachrichten, natürlich im Sport.
