
© picture alliance/dpa
Nicht wie bei Gräfe: Im Fußballkreis Iserlohn darf ruhig länger gepfiffen werden
Fußball
Manuel Gräfe fiel der Altersgrenze für Schiedsrichter zum Opfer. Mit 47 Jahren. Im Kreis Iserlohn dürfe man da schon etwas flexibler sein, sagt Schiri-Chef Lars Lehmann, der mit 36 Jahren aufhörte.
Natürlich haben die Schiedsrichter im Fußball-Kreis Iserlohn auch darüber diskutiert, worüber Fußball-Deutschland in den letzten Tagen diskutiert hat: Über das Ausscheiden von Manuel Gräfe. Anlass gab's schließlich genug. Nicht, dass Gräfe, einer der Top-Schiedsrichter Deutschlands, nicht mehr gewollt hätte - er durfte nicht mehr, hatte mit seinen 47 Jahren die vom DFB aufgestellte Altersgrenze erreicht.
Für die einen ist das ein handfester Skandal, fast schon Altersdiskriminierung. Für die anderen eine relativ normale Entscheidung. „Ich denke“, sagt Lars Lehmann in seiner Funktion als Vorsitzender des Kreis-Schiedsrichterausschusses , „wenn Gräfe nicht so prominent gewesen wäre, dann wäre das gar nicht so breit getreten worden.“
Gräfe genoss hohes Ansehen bei den Spielern
Gräfe genoss bei den Spielern hohes Ansehen, auch weil er die Regeln großzügig ausgelegt habe, so Lehmann. Dass er in Schiedsrichter-Kreisen nicht unbedingt dieselbe Hochachtung genoss, dafür hat Lehmann eine relativ einfache Erklärung: „Am nächsten Tag mussten sich unsere Schiedsrichter von den Spielern anhören, warum sie denn nicht auch so pfeifen würden wie der Gräfe. Aber man kann die Bundesliga ja nicht mit der Kreisliga vergleichen.“

Lars Lehmann ist Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses im Fußballkreis Iserlohn. © Kreis Iserlohn
Natürlich könnte sich Lehmann durchaus eine etwas flexiblere Auslegung der Altersgrenze vorstellen, als sie seit Jahren vom DFB gehandhabt wird und die ab der Landesliga bis hinauf zur Bundesliga gilt. „Ob Gräfe oder Schmitt und Winkmann, die ja auch wegen des Alters aufhören müssen: Die haben ja alle die Leistungsprüfung geschafft, sind also noch fit“, gibt Lehmann zu bedenken.
In den Kreisligen wird das Alter flexibel gehandhabt
In der Bezirksliga dürfen die Unparteiischen 55 Jahre alt sein, in den Kreisligen wird die Sache mit dem Alter „flexibler gehandhabt“, so Lehmann: „Zumal ja alle Schiedsrichter überprüft werden, auf Regeltechnik und auf ihre körperliche Verfassung. Und warum soll ich einen Schiedsrichter rausnehmen, der 20 Jahre lang Kreisliga gepfiffen hat und es keine Beschwerden gibt?“ Im Kreis selbst gäbe es einen Schiedsrichter, der auf die 70 zugehe, so Lehmann, das sei dann aber ein Einzelfall.
Natürlich sei die Altersgrenze im Prinzip sinnvoll. Schiris betreiben Leistungssport, der Fußball ist viel schneller geworden. Andererseits ist auch Lars Lehmann ein Opfer der übertriebenen Jugendlichkeit geworden. Er hat im März 2020 sein letztes Spiel bestritten. Da war er gerade mal 36 Jahre alt, galt aber schon als „alter Hase“. „Ich wurde gerne dahin geschickt, wo Stress zu erwarten war. Das spricht ja auch für eine gewisse Wertschätzung“, erzählt Lehmann, der in seiner aktiven Laufbahn bis zur Oberliga selbst pfiff und in der Regionalliga als Assistent unterwegs war.
Weiter ging's aber nicht, denn eine Karriere ist von Beginn an mit der Altersfrage belegt. Wer bis Mitte 20 nicht mindestens in der 3. Liga ist, hat keine Chance mehr, in die Spitze aufzusteigen.
Die Zeit nach dem möglichen Ende des Lockdown sieht Lehmann mit Spannung entgegen. Der Kreis Iserlohn habe aktuell kein Schiedsrichter-Defizit, konnte zuletzt auch die Spiele der Kreisliga C besetzen. Doch was kommt nach der Pandemie? Lehmann hat das Gefühl, dass die Vereine die Lehrgänge nicht unbedingt wahrgenommen haben. „Sollten wir zu wenig Unparteiische haben, können wir die C-Liga nicht mehr besetzen. Dann muss ein Betreuer das Spiel leiten. Wir wollen die Durchführungsbestimmung in der Weise ändern, dass das Spiel trotzdem ausgetragen werden muss.“
Appell an die ehemaligen Spieler: Greift zur Pfeife
Und noch einen Wunsch hat Lars Lehmann für die Zukunft. Er appelliert an die Spieler, nach ihrer aktiven Zeit als Schiedsrichter zu agieren. „Wir haben kein Problem mit der Altersstruktur, haben sogar viele ganz junge Leute, die häufiger aufhören. Ich würde mich aber dennoch freuen, wenn auch Spieler nach ihrer aktiven Zeit zur Pfeife greifen.“
Ein waschechter Dortmunder, Jahrgang 1957. Vor dem Journalismus lange Jahre Radprofi, danach fast 30 Jahre lang Redakteur bei Dortmunder Tageszeitungen, seit 2015 bei den Ruhr Nachrichten, natürlich im Sport.
