Ein Schwerter in Italien: Zwischen Lebensfreude und schrecklichen Bildern von Corona-Toten

© Bernd Paulitschke

Ein Schwerter in Italien: Zwischen Lebensfreude und schrecklichen Bildern von Corona-Toten

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Wie sich der von Corona geprägte Alltag in Italien, dem am stärksten von der Krise betroffenen Land, darstellt, erlebt ein ehemaliger Schwerter Fußballer vor Ort.

Schwerte

, 22.03.2020, 16:13 Uhr / Lesedauer: 2 min

Tobias Vetten hat mit Ausnahme eines einjährigen Intermezzos beim Geisecker SV von 2007 bis 2014 für Holzpfosten Schwerte 05 gekickt und lebt heute in Norditalien.

Südtirol, Venedig und Gardasee - je eine Stunde

Nach einem Auslandssemester 2013 in Salerno an der Amalfi-Küste, nur ein paar Kilometer entfernt von der Schwerter Partnerstadt Cava del Tirreini, hat Vetten an der Uni in Turin im Bereich Internationale Kommunikation studiert und seine Master-Arbeit geschrieben.

Seit Herbst 2016 lebt und arbeitet der 31-Jährige in Vicenza (Region Venetien). „Eine Stunde südlich von Südtirol, eine Stunde nördlich von Venedig, eine Stunde östlich vom Gardasee“, erklärt Vetten, der mit seiner italienischen Freundin dort zusammenlebt.

„Die Message ist angekommen“

Wie lebt es sich in Norditalien mit den Maßnahmen gegen die Corona-Krise? Seit etwa zwei Wochen gibt es eine Ausgangssperre – das was uns in Deutschland womöglich noch bevorsteht.

Mit einem für Italiener nicht unüblichen Pathos hat Ministerpräsident Giuseppe Conte verkündet, dass niemand mehr ohne triftigen Grund vor die Haustür treten darf. „Ich habe die Eindruck, hier in Italien ist diese Message bei den Leuten angekommen“, meint Vetten. Die Phase, in der sich jeder selbst der nächste ist, sei vorbei. „Und Hamsterkäufe, wie man es in Deutschland erlebt, gibt es hier auch nicht“, meint Vetten.

Bis zu drei Monaten Gefängnis

Seinem Job als weltweit im Vertrieb tätiger Mitarbeiter eines deutsch-italienischen Unternehmens kommt Vetten im Home-Office nach. Und der privat-sportliche Teil? Fußball im Verein spielt Vetten nicht mehr, seit er in Italien lebt. Er gehe regelmäßig Joggen – auch wenn das auf seiner Standardstrecke am Fluss entlang zurzeit nicht möglich ist, weil sich dort zuletzt zu viele Menschen tummelten.

Insgesamt habe er schon den Eindruck, dass sich die Italiener im Wesentlichen an die Auflagen halten, sagt Vetten. Das könnte auch mit der Androhung drastischer Strafen zu tun haben, falls man zuwider handelt. „Von 200 Euro Geldstrafe bis zu drei Monaten Gefängnis“ bewege sich das Strafmaß, berichtet Vetten.

Lebensfreude soll nicht verloren gehen

Wie lange diese Ausgangssperre noch anhalten wird und wann wieder so etwas wie Normalität einkehren wird, kann Tobias Vetten genauso wenig prognostizieren wie irgendjemand anders. Im Umgang mit der Corona-Krise versucht der Schwerter, sich eine positive Grundeinstellung zu bewahren. „Wenn dann ein Hobby-DJ auf seinem Balkon auflegt und gemeinsam gesungen wird, trägt das schon dazu bei, dass bei aller Angespanntheit die Lebensfreude nicht verloren geht“, meint Vetten.

Bedrückende Bilder aus dem Epizentrum

Andererseits gibt es da aber auch die schrecklichen Bilder im Fernsehen und Internet, auf denen zu sehen ist, wie Militärfahrzeuge die Corona-Toten aus der Region Bergamo woanders hin transportieren, weil die Infrastruktur im Epizentrum der Krise komplett zusammengebrochen ist.

„Das ist dann schon sehr bedrückend“, sagt Vetten – verbunden mit der Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft auch wieder bessere Zeiten kommen.

Schwerter Senf ist in Vicenza beliebt

Dann wird Tobias Vetten auch wieder eine Gelegenheit finden, seine Familie und Freunde in Schwerte zu besuchen. Und auf den Rückweg nach Vicenza wird er wieder eine Großration Schwerter Senf mitnehmen – diese Spezialität aus der Ruhrstadt komme bei den Freunden und Bekannten seiner Wahlheimat immer sehr gut an, sagt Tobias Vetten, der sich nach sechseinhalb Jahren in Norditalien dort ziemlich heimisch fühlt.

Rückkehr ist zumindest nicht ausgeschlossen

Und trotzdem ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass er auch irgendwann nach Deutschland zurückkehrt. „Ich muss nicht ewig hier bleiben“, sagt Vetten, „was die Zukunft angeht, ist alles offen.“

Gilt das auch für ein Comeback als Holzpfosten-Fußballer? Bei diesem Gedanken muss er lachen. „Das ist wohl eher unwahrscheinlich“, sagt Tobias Vetten – alles zu seiner Zeit.