Fast jeder Jugendliche ist bei Facebook und Instagram. In den sozialen Netzwerken teilen sie Bilder und Nachrichten mit Freunden. Scouts haben die Plattformen längst als Chance erkannt.
Der Fußballkreis Münster hat in einem offenen Brief auf die Problematik von Abwerbeversuchen durch soziale Netzwerke aufmerksam gemacht. Das Vorgehen sei unseriös und unsportlich. Die Redaktion hat schon vor einem Jahr über das Thema am Beispiel des SuS Olfen berichtet, der im Nachbarkreis Ahaus/Coesfeld zu Hause ist. Anlässlich der Vorkommnisse hat sich die Redaktion entschieden, den Text vom 24. Juli 2019 noch einmal zu veröffentlichen.
Vor ein paar Wochen ploppte plötzlich eine Nachricht bei Marco (Name geändert) auf dem Handy auf. Marco ist 15 und spielt Fußball beim SuS Olfen. „Ich habe leider keine andere Möglichkeit, dich zu kontaktieren außer hier bei Facebook“, hieß es in der Nachricht. Der Absender stellt sich als Trainers eines anderen Vereins vor. Es gehe natürlich um Marcos „fußballerischen Fähigkeiten“. Klar ist jetzt schon: Andere Trainer hätte den jungen Olfener gerne in seiner Mannschaft - ein Abwerbeversuch.

Ein Bildschirmfoto von einer Nachricht an einen Olfener Fußball. Namen und Fotos haben wir unkenntlich gemacht. © SuS Olfen
Szenen wie diese häufen sich in der vergangenen Saison beim SuS Olfen. Über Instagram, Facebook, ja sogar über Whatsapp haben Trainer und Scouts in den vergangenen Monaten bei erfolgreichen Nachwuchskickern des SuS angeklopft, die sich sehr darüber wunderten, wie schnell ihre Handynummern die Runde gemacht haben.
Trainer und Scouts sprechen Spieler an
Beim Pokalspiel soll sogar ein Trainer des zwei Klassen höher spielenden Teams Olfener Spieler angesprochen haben. Und erst kurz vor Ostern gegen Warendorf echauffierte sich Olfens B-Junioren-Trainer Wolfgang Rödiger, dass ein Mann nach Spielschluss auf den Platz lief und Spieler beim Auslaufen ansprach. Die Spieler waren noch nicht mal dazu gekommen, das Trikot abzulegen oder zu duschen. „Es ist ein großes Thema im Verein. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen“, sagt Rödiger damals.
Erfolg weckt Begehrlichkeiten
Früher war das eigentlich nie ein Thema beim SuS Olfen. Die Jugendmannschaften spielte in der Kreisliga unter dem Radar von Talentscouts und Juwelsuchern, die sich vorwiegend die Auswahlmannschaften genauer anschauten. „Als SuS Olfen waren wir in den Jahren eigentlich immer verschont geblieben. Es gab Vereine, die da sicherlich mehr gebeutelt waren als wir“, sagt Jugendkoordinator Michael Brüggemann.
Doch seit der SuS Olfen mit der C- und der B-Jugend in der Bezirksliga für Furore sorgt, ist die Aufmerksamkeit auf den Klub aus der Steverstadt gelenkt. Im Jahr nach dem Aufstieg in die Bezirksliga holten beide Jugendmannschaften auf Anhieb Platz drei. Die C-Junioren schrammten knapp am Aufstieg in die Landesliga vorbei, in diesem Sommer scheiterten die B-Junioren nur an einem Formfehler.

Wolfang Rödiger B-Jugend des SuS Olfen verpasst Landesliga-Aufstieg. © Sebastian Reith
Wolfgang Rödiger, bis zum Sommer Trainer der B-Jugend
„Das hat Begehrlichkeiten geweckt. Es zieht sich jetzt wie ein roter Faden durch die Saison, nur dass der Faden immer dicker wird. Je erfolgreicher du spielst, desto mehr bist du mit deiner Mannschaft im Fokus“, sagt Rödiger, „und wenn ich beim Spiel wieder jemanden mit Laptop oder Zettel rumrennen sehe, weiß ich schon Bescheid.“ Auch Sportchef Norbert Sander hält das Phänomen nicht für neu. Nur habe Olfen damit bislang kaum Berührungspunkte gehabt, ist jetzt aber in den Fokus gerückt.
SuS Olfen bereitete seine Spieler auf Anfragewelle vor
Michael Brüggemann hatte das Kommen sehen. Bereits bei einer Saisonbesprechung im vergangenen Jahr kündigte er den Spielern an, was vermutlich da auf sie zurollen würde. Bis Anfang April hatte es bei 11 der 19 B-Jugend-Fußballer Kontakt zu anderen Vereinen gegeben. „Dass die Jungs angesprochen werden, ist doch klar“, meint Brüggemann.
Neben dem SC Verl hätten auch RW Ahlen, die Hammer SpVg, der VfB Waltrop und der TuS Haltern bereits Olfens Talente gesichtet, um sie gegebenenfalls in ihre hoch spielenden Jugendteams aufzunehmen. „Wir wollen damit offen umgehen“, sagt Brüggemann, „und wir haben die Spieler gebeten, dass sie uns Bescheid sagen. Wir wollen Bescheid wissen, bevor es konkret wird.“
Abwerbemethoden gefallen den Olfenern nicht
Doch die Art und Weise, direkt nach Spielschluss oder über soziale Netzwerke Versprechungen zu machen, stößt den Olfenern sauer auf. „Das ist unseriös. Es gibt einen Ehrenkodex, dass man an den Verein herantritt“, sagt Jugendleiterin Christiane Klann. Und Sander sagt: „Die Methode im Trikot beim Auslaufen ist sicherlich nicht in Ordnung. Wir müssen da über das Wie reden.“

Norbert Sander © Sebastian Reith
Dabei sei der SuS kein Verein, der seinen Spielern Steine in den Weg legen möchte. Wenn ein Spieler höherklassig Erfolg haben kann wie zuletzt Arne Middelmann, der beim TuS Haltern als U19-Spieler bereits beim Oberliga-Kader mittrainierte, dann sei man beim SuS stolz auf die geleistete Jugendarbeit.
Ein Wechsel ist Abwägungssache
Oft stellen die Olfener aber schon die Frage, wie sinnvoll ein Wechsel tatsächlich für die persönliche Entwicklung des Spielers ist. Lohnt sich der Aufwand von 100 Kilometern An- und Abreise pro Training, wenn man nur eine Liga höher spielen kann? Und wie groß sind die Aussichten, in diesem Verein auch die nötige Spielpraxis zu bekommen? „Wir versuchen, die Jugendlichen weiterzubringen und die individuelle Perspektive einschätzen zu können“, sagt Norbert Sander, Sportlicher Leiter des SuS.
Der SuS sieht sich da in seiner Rolle als Ausbildungsverein auch beratend in der Pflicht. „Es geht darum, gemeinsam mit den Eltern zu überlegen“, sagt Sander. Niemandem sei geholfen, wenn ein Spieler bei einem anderen Verein ein halbes Jahr als Bankdrücker auf Einsatzzeiten wartet.
Der Verein warnt deshalb vor allem vor Vereinen, die Kader mit Größen von 30 Spielern vor Saisonbeginn rekrutieren. Meistens würden 10 bis 15 Spieler schnell auf dem Abstellgleis landen, wenn eine Stammformation gefunden ist und die Reservisten aussortiert worden sind. „Und dann ist der Spieler todunglücklich“, sagt Sander. Erfahrungen hätten auch Olfener Rückkehrer damit bereits gemacht.
SuS Olfen setzt auf die eigenen Stärken
Olfens Strategie ist deshalb, die Jugendlichen bei einem Wechsel zu begleiten und nah dran zu sein. Sander: „Wir sind kein Verein, der sich ständig gegen Wechsel stemmt.“
Verhindern könne der SuS Olfen einen Wechsel ohnehin nicht. Aber: Gleichzeitig setzt der SuS auch darauf, den Spielern selbst eine gute sportliche Perspektive bieten zu können. Gute Trainer, gutes Umfeld, gute Liga - „ich glaube, dass wir gute Argumente haben, Jungs in Olfen zu behalten. Und die Breite sehe ich nicht gefährdet“, sagt Sander.
Erst kürzlich vermeldete Brüggemann, dass bis auf einen Spieler der ehemaligen B-Jugend tatsächlich alle Akteure an Bord geblieben seien. Aus der C-Jugend seien Spieler, die Ex-Trainer Toni Milisaovski mitgebracht hatte, wegen des langen Anreiseweges aus Fröndenberg wieder abgewandert.
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.
