Trainer Issam Jaber wird den FC Nordkirchen am Saisonende verlassen. Jaber erzählt im Interview von den Details der Trennung und welchen Berg in Afrika er eines Tages besteigen möchte.
Issam Jaber macht am Saisonende Schluss. Der 40-Jährige will wieder mehr Zeit für sich und gibt den Posten auch ab, weil er glaubt, dass nach vier Jahren einfach die Zeit für Veränderung gekommen war. Sebastian Reith sprach mit dem Noch-Trainer nach Bekanntwerden des Abschieds.
Herr Jaber, Sie hören am Saisonende auf – warum?
Ganz einfach: Ich habe ein halbes Jahr nach vorne geblickt. Im Sommer 2020 habe ich vier ganz, ganz tolle Jahre in Nordkirchen gehabt. Man soll ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich bin dankbar für die wirklich schöne Zeit in Nordkirchen und für das Vertrauen, das der Verein mir entgegengebracht hat. Ich wollte den Zeitpunkt selbst bestimmen. Und nach über drei Jahren, die ich das gemacht habe, bin ich einfach platt.
Die Jahre haben mich schon geprägt. Man ist ja nicht nur Trainer. Von 21 Spielern habe ich bei 15 bei den Verhandlungen mitgewirkt. Ich habe die Mannschaft so aufgebaut, wie ich sie haben wollte. Nordkirchen steht auf einem wirklich hohen Level. Wir spielen attraktiven und offensiven Fußball und haben vieles richtig gemacht. Die Mannschaft ist mein Baby. Man muss aber auch loslassen können - und das tue ich im Sommer.
Also ist es ein Rücktritt aus freien Stücken oder hatten Sie Angst, dass der Verein ohnehin eine Neubesetzung der Trainerstelle favorisiert?
Ich bin davon überzeugt, dass die Mannschaft eine gute Rückrunde spielen wird. Der Verein kennt die Liga jetzt. Und wenn jetzt nochmal eine andere Ansprache vom Trainer kommt, der andere Trainingsinhalte mitbringt, und der Verein ein bis drei Schlüsselspieler holt, kann der Sprung in die Landesliga auch gelingen. Dann kann ich sagen, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe und den Grundstein gelegt habe. Es war eine Entscheidung, die ich so wollte. Aber ich denke an den Verein und nicht an mich.
Ist nach dreieinhalb Jahren ein neuer Trainer auch gesund für das Vereinsumfeld?
Absolut. Ich durfte unter vielen Trainern spielen, von denen ich viel mitgenommen habe. Ich habe bei mir selbst gemerkt: Irgendwann wiederholst du dich. Ich habe mich die gleichen Dinge sagen hören. Und ich hatte die Befürchtung, dass man sich irgendwann satt sieht.

Issam Jaber beim Herberner Fuchs-Cup im Sommer kurz vor dem Sonnenuntergang. © Sebastian Reith
Wie ist die Entscheidung zeitlich abgelaufen?
Es war eigentlich ganz einfach. Zwischen den Zeilen konnte man ja schon mal lesen, dass es für mich die letzte Saison sein würde. Als wir in der Relegation den Aufstieg verpasst haben, habe ich überlegt, ob ich aufhöre oder weitermache. Die Mannschaft ist aber zusammengeblieben und ich wollte nicht einfach gehen. Das hätte so ausgesehen, als ob ich einfach abhaue. Allerdings brauche ich einfach mal wieder Zeit für mich. Drei Mal Training in der Woche, Spiel am Wochenende - als ich dann aber vor zwei Wochen vor der Mannschaft stand und es ihr mitgeteilt habe, musste ich schlucken. Sonst bin ich nie sprachlos.
Hat der Verein Sie zum Bleiben überredet?
Nein, zum Bleiben hat er mich nicht überredet. Ich habe mir meine Entscheidung überlegt. Der Verein hat ja auch einen Nachfolger gefunden, mit dem er den Weg gehen kann.
Sie sind damals sehr überraschend befördert worden. Welche Erinnerungen haben Sie?
Ich habe dem damaligen Abteilungsleiter Dirk Jakobs zu verdanken, dass ich reinschnuppern durfte. Da habe ich das Vertrauen bekommen, als Co-Trainer zu arbeiten. Peter Wongrowitz war damals einfach zu professionell für einen Dorfverein. Nach dem 1:2 in Husen-Kurl haben wir damals miteinander gesprochen. Er sagte, dass jetzt die Mechanismen des Fußballs greifen, dass ich angesprochen werde und dass es im Interesse des Vereins sei. Und so war es dann auch. Montag saß ich mit dem Vorstand zusammen. Ich muss aber auch sagen, dass wir das Vertrauen zurückgezahlt haben.
War der verpasste Aufstieg damals der Tiefpunkt für Sie?
Wir sind sehr euphorisch in die Relegation gegangen. Ich war mir wirklich sicher, dass wir aufsteigen werden. Ich bin erstmal danach ein paar Tage in die Berge gefahren. Ich war down. Nicht ausgebrannt, aber einfach kaputt, weil ich so fokussiert war. Ich musste für mich klären: Wie ordnest du das ein? Wir haben damals alle so ein bisschen Schuld daran getragen.
Es entsteht der Eindruck, dass Sie seit der Entscheidung lockerer geworden sind.
Ich freue mich riesig auf das nächste halbe Jahr und habe der Mannschaft auch gesagt, dass ich es mit ihr genießen möchte. Die Mannschaft macht es mir auch einfach. Lockerer bin ich eigentlich nicht, aber vielleicht gehe ich mit manchen Situationen anders um.

Issam Jaber gibt Platz zwei als klares Saisonziel aus. © Sebastian Reith
Befürchten Sie nicht, dass jetzt mit zwölf Punkten Rückstand der Schlendrian Einzug hält?
Definitiv nicht. Ich bin sicher, dass die Mannschaft das Maximale rausholt und wir eine starke Rückrunde spielen werden. Der zweite Platz liegt nicht in weiter Ferne. Ich kann sagen, dass wir voll auf den zweiten Platz spielen werden.
Was planen Sie in Zukunft?
Ich habe echt ein bisschen Respekt und Angst vor der Zeit, weil ich die letzten Jahre immer etwas mit Fußball zu tun hatte. Ich habe aber viel vor, möchte einen Marathon laufen, wieder mehr für mich tun, wandern gehen und Berge besteigen. Zugspitze und Kilimandscharo sind Projekte, die ich gerne angehen würde. Ich glaube nicht, dass eine Jugendmannschaft etwas für mich ist. Trainersein ist für mich keine Berufung, sondern ein Hobby. Ich scharre nicht mit den Hufen und warte darauf, dass irgendwo jemand entlassen wird. Zwei Anfragen habe ich schon dankend abgelehnt. Ich freue mich aber auf die Zeit und werde der größte Fan des FC Nordkirchen sein - ab dem Sommer.
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.
