Die Gegensätze hätten krasser kaum sein können. Während die Spieler des FC Nordkirchen sich gemütlich auf den Weg in Richtung Kabine machten und sich über den gerade eingefahrenen 4:1-Sieg über den Lüner SV freuten, herrschte bei den Verlierern ziemlich miese Stimmung: Konsterniert saßen und standen die LSV-Akteure rund um die Auswechselbank und mussten sich eine Wutrede von Samir Sabanovic anhören lassen, die auch auf dem Parkplatz nebenan noch zu hören war.
Der stellvertretende Vorsitzende war stocksauer angesichts der Darbietung der LSV-Spieler in den 90 Minuten zuvor. Zu wenig Einsatz habe er gesehen, zu wenig Willen. Er forderte schnellstmöglich eine sichtbare Verbesserung – ansonsten scheue er nicht vor Konsequenzen zurück. Wie diese aussehen könnten, ließ sich bereits erahnen.
Für Ünal Kurtulus hatte der Dienstagabend direkte Folgen, er wurde von Sabanovic für zwei Wochen vom Training suspendiert. Der Außenverteidiger wurde zur Halbzeit ausgewechselt und fuhr direkt nach Hause, statt sich den Rest des Spiels von der Bank aus anzusehen. Wer sich nicht voll reinhänge, könne ebenfalls zuhause bleiben, ließ Sabanovic verlauten. Der Kader sei schließlich groß genug.
Linienläufe nach Abpfiff
Nach der minutenlangen Rede kehrten die Lüner Kicker nochmal auf den Platz zurück. Von einem lockeren Auslaufen nach den 90 Minuten bei 30 Grad konnte allerdings nicht die Rede sein. „Das haben sie sich auch nicht verdient nach der Leistung“, stellte Co-Trainer Florian Bartel klar, der Chefcoach Axel Schmeing (Urlaub) vertrat. Knapp zehn Minuten standen nun noch Linienläufe auf dem Programm. So manch ein Lüner Spieler pumpte anschließend gehörig.
In den 90 Minuten zuvor ließ der LSV fast alles von dem vermissen, was die ersten drei Vorbereitungsspiele gut funktioniert hatte. „Nach den drei Spielen dachten sie wahrscheinlich, sie sind schon in der Ober- oder Regionalliga. Heute wurden sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“, sagte Bartel. Eine durchaus schmerzhafte Landung, vielleicht aber auch der notwendige Weckruf zur richtigen Zeit.
Möglicherweise haben seine Spieler im Vorfeld gedacht, Aufsteiger Nordkirchen im Vorbeigehen besiegen zu können, mutmaßte Bartel. Mit extrem schmalem Kader hatte der LSV erst Sonntag ein 2:2-Unentschieden bei Oberligist Ratingen 04/19 und viel Lob von Bartel geholt. „Die Stimmung bisher war super. Wir haben den Jungs zuletzt beim Auslaufen lange Leine gegeben, aber wenn dann so etwas dabei rauskommt, wird es das nicht mehr geben. Auf gar keinen Fall“, so der angefressene Bartel.
Anders als möglicherweise erwartet, trat Nordkirchen selbstbewusst und dominant in den Zweikämpfen auf. „Das war heute Männerfußball gegen Kindergarten“, fand Bartel klare Worte: „Nordkirchen hat auf Ergebnis gespielt und war effizient vor dem Tor. Bei denen hingegen liegt der Torwart schon auf dem Boden und wir schießen ihn auch noch an.“
Weckruf zur richtigen Zeit?
Bartel spielt auf die Möglichkeit in der ersten Hälfte an, als Kurtulus die 2:1-Führung auf dem Fuß hatte, aber an Nordkirchens Torhüter Paul Lemberg scheiterte. Überhaupt sind es aktuell nicht die Tage des Ünal Kurtulus. Mit einem Fehlpass leitete er den Nordkirchener Führungstreffer ein, gegen Ratingen am Sonntag hatte er einen Elfmeter verursacht. Mit seiner vorzeitigen Abreise in der Halbzeit leistete er sich zudem einen Fehltritt, den Sabanovic nicht durchgehen ließ. Die klare Botschaft lautet: Alleingänge werden nicht geduldet. Erst in 14 Tagen darf Kurtulus wieder am Training teilnehmen.
Und vielleicht ist es der Weckruf zur richtigen Zeit beim LSV. Bis zum Saisonstart sind es schließlich noch einige Wochen. In drei der bisherigen vier Vorbereitungsspiele präsentierten sich die Lüner ja von ihrer guten Seite.
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