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Nervenkitzel an steilen Wänden: Klettersport boomt bis zu den Olympischen Spielen
Klettern
Seit Jahren herrscht ein regelrechter Kletterhype, ob in der Halle oder am Felsen. Bei den Olympischen Spielen feiert die Disziplin nun Premiere. Eine Sportart zwischen Trend und Hochleistung.
Es ist das Gefühl, in 15 oder sogar 300 Metern an einer Wand im Seil zu hängen und den Effekt der Schwerkraft zu besiegen, das viele Kletterer fasziniert. Die Sportart ist mehr, als nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es geht darum, Probleme zu lösen, sich für den nächsten Schritt zu überwinden und der Nervenkitzel spielt auch eine Rolle. Bei den Olympischen Spielen in Tokio steht Klettern nun zum ersten Mal mit auf dem Tableau. Vom 3. bis 6. August kämpfen die besten Athleten in einem Kombinationswettkampf um Gold, Silber und Bronze.
40 Sportlerinnen und Sportler werden im Speed, Bouldern und Lead an den Start gehen. Für Deutschland treten Alexander Megos, einer der besten Felskletterer der Welt, und Jan Hojer, Doppeleuropameister im Bouldern, an. Zwar sind viele von der Olympiateilnahme begeistert, die Ausführung des Wettkampfes hingegen steht in der Kritik.
Klettersport boomt schon seit einigen Jahren
Einer, der sich in dem Fachgebiet besonders gut auskennt, ist der Lüner Kletterer Felix Schmale. Für den 22-Jährigen sind die drei Olympischen Disziplinen grundverschieden und benötigen zudem einen komplett anderen Trainingsaufwand. „Das ist einfach nicht so repräsentativ im Vergleich zu dem, was sonst bei den Wettkämpfen stattfindet“, erklärt er. In Weltcups werde lediglich eine Sparte bedient. Andererseits könne der Kampf um Gold sehr spannend werden und seinen ganz eigenen Reiz entwickeln.

Sebastian Balaresque, Vorsitzender des Deutschen Alpenvereins NRW, hängt oft selbst im Seil an einer steilen Wand. © privat
Olympia ist für den Klettersport ein enorm wichtiger Ort, da es durch die mediale Präsenz auch mehr Aufmerksamkeit gibt. Die Spiele in Tokio hätte es aber nicht unbedingt gebraucht, um den Sport noch populärer zu machen, findet Sebastian Balaresque, Vorsitzender des Deutschen Alpenvereins NRW. Der DAV habe konstante Zuwachsraten von drei bis fünf Prozent in den vergangenen 20 Jahren zu verbuchen. Derzeit gibt es deutschlandweit 1,3 Millionen Mitglieder, in NRW sind es 110.000 Bergbegeisterte.
Disziplinen bei Olympia
- Im Speed-Wettkampf geht es darum, im direkten Duell so schnell wie möglich die Spitze einer Wand zu erreichen. Hier wird Toprope geklettert, das Seil kommt also von oben.
- Beim Bouldern wird ohne Seil und in Absprunghöhe geklettert. An einer etwa viereinhalb Meter hohen Wand müssen in maximal fünf Minuten bestimmte Routen bewältigt werden. Am Ende zählt, wer die meisten „Top-Griffe“ sowie bestimmte Zonen erreicht hat.
- Die Athleten sind beim Lead von unten mit einem Seil gesichert und haben sechs Minuten Zeit, um an einer Wand hochzuklettern. Hierbei zählen die erreichten Griffe. Wer also am höchsten kommt, gewinnt.
Der Hype um den Sport ist zudem kein neues Phänomen. Bereits Anfang der 2000er Jahre entwickelte sich ein enormer Kletter-Boom, der bis heute anhält. Im Vergleich zu anderen Sportarten gab es aber kein besonderes Ereignis, was ihn ausgelöst hat.
Immer mehr neue Möglichkeiten für die Sportler
Befeuert wurde das Ganze durch die vielen neuen Möglichkeiten, den Sport wohnortnah und nicht nur in den Bergen ausüben zu können. Heute gibt es fast in jeder Großstadt eine Kletter- oder Boulderhalle, in NRW sind es 72 Stück. Der DAV profitiere von der Masse, da viele Standorte privat geführt werden und so Kooperationen entstehen, erklärt Balaresque.
Man hat einen Nischensport, der früher selten als jung und modern angesehen wurde, massentauglich gemacht. Für Felix Schmale treibt Social Media das Ganze noch einmal an. „Es ist schon sehr ‚instagrammable‘, wenn man am Überhang klettert.“ Die Kletterei etabliert sich nunmehr zu einem Freizeit- und Breitensport.
Schmale klettert bereits seit 13 Jahren - mit und ohne Seil, an Hallenwänden sowie am echten Fels. Besonders die Dolomiten und das französische Boulder-Paradies Fontainebleau haben es ihm angetan. Sich jedes Mal neuen Herausforderungen zu stellen und sich komplett vom Alltag abzulenken, sind für den 22-Jährigen das Besondere. „Es ist einfach ein großartiges Erlebnis, 800 bis 900 Meter hochzuklettern. Dann eröffnet sich einem eine ganz andere Welt.“
Klettern auch bei kommenden Spielen auf dem Plan
Schmale sieht die Kletterei aber eher als Spaß und bestreitet keine Wettkämpfe. Die Aufnahme ins olympische Tableau, auch in den kommenden Jahren, sei eine große Chance für den Sport. „Es wäre toll, wenn sich das Klettern weiterhin etabliert und zu einer akzeptierten Sportart bei Olympia wird“, erklärt er.
Ende des vergangenen Jahres bestätigte das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass die Sportart auch in Paris 2024 auf dem Plan stehen wird. Die kritisierte Wettkampfausführung wurde für die kommenden Spiele verändert. Dann gibt es zwei Goldmedaillen, um die es zu kämpfen gilt - einmal im Speedklettern und der Kombination aus Bouldern und Lead.
Seit 2016 hat mich der Lokaljournalismus gepackt. Erst bei der NRZ und WAZ gearbeitet, dann in Hessen bei der HNA volontiert. Nun bei den Ruhr Nachrichten als Redakteurin zu Hause. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere, bin ich in den Bergen beim Wandern und Klettern unterwegs.
