Es ist wahrlich nicht das Bild eines intakten Vereins, das Marco Fischer skizziert. Vergangenen Dienstag hatte der 31-Jährige erfahren, dass er im Sommer nicht länger Trainer des BV Lünen sein werde. Es sei keine sportliche Entwicklung mehr erkennbar, lautete die Begründung der Vereinsführung. Fischer widerspricht dem nun deutlich und gewährt Einblick in das Innenleben des BV – harmonisch sei der Umgang hinter den Kulissen in letzter Zeit nicht gewesen, ganz im Gegenteil. Er spricht von einem abgekarteten Spiel, von Grüppchenbildung innerhalb des Teams, von Lügen und Gesprächen hinter dem Rücken.
Der BV Lünen überwinterte in der Kreisliga B3 als Tabellenzweiter, drei Zähler hinter Spitzenreiter TV Brechten und ist bislang noch ohne Niederlage. Dass Fischer und sein Co-Trainer Benedikt Vogel dennoch keine Zukunft in der Geist haben, war ein Schock für das Duo. „Das zu erfahren, war voll der Schlag ins Gesicht“, berichtet Fischer, „denn ich bin fest davon ausgegangen, dass wir auch in der nächsten Saison Trainer sein würden.“
Von Vereinsseite sei dies schließlich so kommuniziert worden. Im Dezember 2022 habe es das erste Gespräch über die Fortsetzung der Zusammenarbeit gegeben, dort soll es zunächst weder eine Entscheidung noch eine Tendenz gegeben haben, so Fischer. Kurz vor Silvester gab es ein weiteres Treffen. Wunsch des Klubs sei es gewesen, das Trainerteam um Fischers Bruder Patrick zu erweitern. Dass er sich beim Holzwickeder SC nicht wohlfühlte, war bekannt.
„Vom Verein hieß es aber auch, dass wir uns keinerlei Sorgen machen müssen, falls das nicht klappt – solange wir die ersten Spiele nach dem Winter nicht alle verlieren oder die Spieler auf die Barrikaden gehen“, so Fischer. Für ihn ein klares Zeichen, dass an seinem Stuhl nicht gesägt würde: „Ich habe mich ja noch um unsere Neuzugänge im Winter gekümmert, die nicht gekommen wären, wenn ich nicht Trainer wäre. Aus der Mannschaft gab es keinen Gegenwind.“
Geschäftsführer Florian Dellbrügge bestätigt zwar, dass es die Tendenz gab, mit Fischer und Vogel weiter zu arbeiten. Er sagt aber auch: „Bevor wir eine Zusage geben konnten, gab es noch andere Sachen zu klären, allen voran meine eigene Zukunft beim Verein und die von Patrick Osmolski (Sportlicher Leiter, d. Red.).“
Grüppchenbildung beim BV Lünen
Zum Trainingsauftakt der Vorbereitung habe Fischer der Mannschaft mitgeteilt, dass die Zügel künftig angezogen werden sollen, um das große Ziel Aufstieg zu realisieren. „Wir wollten die Kumpel-Schiene ein wenig lassen und das Tempo anziehen“, erklärt Fischer. Die Trainingsbeteiligung habe anschließend abgenommen, es sei zu Grüppchenbildung gekommen – aufgrund von Trainerentscheidungen, sagt Dellbrügge: „Das nahm eine Dynamik an, die uns nicht gefiel. Wir sind Aufstiegsanwärter und trainieren dann mit zehn Mann.“
In Gesprächen mit Spielern habe sich abgezeichnet, dass ein paar Dinge in die falsche Richtung laufen würden. „Das hat zur Entscheidung beigetragen“, so Dellbrügge, der den Hauptgrund aber in der ausbleibenden sportlichen Entwicklung sieht. Am Ende sah sich die sportliche Führung zum Handeln gezwungen.
Dass der BV überhaupt noch so aussichtsreich im Rennen um den Titel ist, hänge vor allem mit der schwachen Konkurrenz zusammen, sagte Osmolski. „Das finde ich ziemlich respektlos gegenüber Teams wie Gahmen II oder Preußen Lünen, die mit ihren Mitteln wirklich gute Arbeit leisten“, entgegnet Fischer.
Nachfolger direkt präsentiert
Währenddessen haben sich Trainerteam und Vorstand regelmäßig zusammengesetzt und über die Situation gesprochen. „Uns wurde immer gesagt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. In Wahrheit haben sie da aber schon hinter unseren Rücken mit anderen Trainern gesprochen und uns angelogen. Das war ein abgekartetes Spiel“, beklagt sich der 31-Jährige. Praktisch zeitgleich mit der Fischer-Trennung verkündete der BV Lünen in Stefan Urban seinen Nachfolger.
Fischer und Vogel haben danach lange gerungen, ob sie dennoch bis zum Sommer weitermachen. „Aber der Verein und die Mannschaft liegen mir sehr am Herzen und auch das Feedback aus dem Team war so, dass wir weitermachen sollen“, begründet Fischer. Er ist sich zudem sicher, dass mindestens drei Spieler den Klub umgehend verlassen, sobald er und Vogel gehen – ob sofort oder erst im Sommer. „Das wissen wir und darauf sind wir vorbereitet. Aber deshalb können wir ja nicht an einem Trainer festhalten, damit machen wir uns ja erpressbar“, so Dellbrügge.
Missverständnis beim BV Lünen?
Nach und nach habe der Vorstand außerdem den Handlungsspielraum des Trainerduos eingeschränkt. Die Zusage eines Neuzugangs sei beim Vereinsturnier Ende Januar eingeholt worden, ohne dass das Trainerteam an dem Gespräch beteiligt war – obwohl Vogel vor Ort gewesen sei.
„Außerdem wurde beschlossen, dass der Mannschaftsrat mit den Spielern über die kommende Saison spricht und nicht Trainer und Sportlicher Leiter. Das habe ich so auch noch nie erlebt“, berichtet Fischer. Ein Missverständnis laut Dellbrügge: „In diesem Gespräch mit den Trainern und dem Mannschaftsrat habe ich salopp gesagt, dass der Mannschaftsrat ja den Anfang machen kann. Das endete damit, dass uns die drei Spieler an dem Abend zugesagt haben. Es sollte nie Aufgabe des Rats sein, mit Spielern zu sprechen, sondern weiterhin die des Sportlichen Leiters. Das hat Marco bis heute nicht verstanden.“
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Was bleibt, ist maßlose Enttäuschung bei Fischer: „Ich habe diesen Kader jetzt viereinhalb Jahre aufgebaut, habe Herzblut, extrem viel Zeit und auch Geld investiert. Am Ende wird das so wenig wertgeschätzt. Das Traurige ist, dass ich mich noch nie so wohlgefühlt habe in einem Verein und mir locker vorstellen könnte, hier noch zehn weitere Jahre zu bleiben. Das alles hat sich in den letzten Wochen aber zum Negativen entwickelt.“
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