Es sollte eines dieser Gespräche werden, die in unserer Sportredaktion regelmäßig geführt werden. Ein neuer Spieler eines hiesigen Fußballvereins wird der Leserschaft vorgestellt. Fragen und Antworten über die bisherige sportliche Laufbahn oder künftige Ziele mit dem neuen Klub. Routine eben. Im Falle von Sameer Hassan Saleh stellte sich jedoch schnell heraus: Dieses Gespräch wird anders.

Kampf gegen Rassismus und Extremismus
Denn der neue Spieler des B-Kreisligisten Eintracht Waltrop, der im letzten Spiel des Jahres gegen Borussia Ahsen II erstmals auf dem Platz gestanden und dabei gleich ein Tor erzielt hatte, bringt eine berührende Geschichte mit. Für den Iraker ist es nämlich nicht selbstverständlich, uneingeschränkt Fußball spielen zu können.
„Ich bin sehr glücklich, dass ich diesem tollen Klub beitreten durfte, weil Fußball mein größtes Hobby ist. Ich wurde von den Spielern und der Vereinsführung wunderbar aufgenommen und gut behandelt. Obwohl ich nicht gut Deutsch spreche, stelle ich fest, dass alle versuchen, mit mir zu kommunizieren und mir zu helfen“, sagt Saleh.
Und nun zum traurigen Hintergrund: Sameer Hassan Saleh gehört den Jesiden an, eine ethnisch-religiöse Minderheit, die vor allem im Norden Iraks lebt. Saleh lebte zusammen mit seiner Frau und anderen Jesiden in der fast 40.000 Einwohner großen Stadt Shingal (Sindschar). Seit 2014 sind die Jesiden Opfer eines Genozids durch extremistische Islamisten (IS). „Ich habe viele Freunde und Verwandte verloren und meine Stadt wurde völlig zerstört. Wir waren gezwungen, unsere Stadt zu verlassen und zu fliehen“, berichtet Saleh von den Erlebnissen im Irak.

Acht Jahre lang lebte er mit seiner Frau, die als Krankenschwester arbeitet, in Flüchtlingslagern in kurdischen Regionen. Trotz dieser schwierigen Umstände blieb Saleh kämpferisch. An der „University of Mosul-College of Education for human science“ studierte er erfolgreich Englisch, arbeitete als ehrenamtlicher Lehrer und ehrenamtlich in humanitären Organisationen. Und auch den Fußball übte Saleh weiterhin aus – zumindest so gut es eben möglich war.
Jesiden sind in der irakischen Liga nicht erlaubt
Mit seiner Universitätsmannschaft feierte er sogar Erfolge. 2016 gewann Salehs Team die Universitäts-Meisterschaft, 2018 wurde das Team Zweiter. Bei allem Erfolg musste Saleh aber dennoch mit religiös bedingten Einschränkungen leben: „Obwohl ich einer der besten Spieler war, wie viele Fans und Leute bezeugen konnten, durfte ich leider nicht in den Vereinen der irakischen Liga spielen, weil sie in ihren Vereinen keine jesidischen Spieler aus rassistischen Gründen aufnehmen.“
Auch in Shingal habe der 31-Jährige keine Möglichkeit gehabt, in einem offiziellen Ligabetrieb anzutreten. „Die irakische Regierung gewährte uns nicht dieselben Rechte, wie dem Rest des irakischen Volkes. Es gab in unserer Gegend nur große Sandfelder. Unsere Stadt hatte einen Verein, der jedoch von einem Muslim übernommen wurde, der uns daran hinderte, dort zu spielen“, erklärt Saleh.

So blieb den Jesiden nichts anderes übrig, als in lokalen Mannschaften auf Kleinfeldern zu spielen. Hier nahm Saleh an mehreren Turnieren teil „weil Fußball eines der Dinge ist, die mir am meisten Freude bereitet“, betont er.
Abseits des Fußballs herrschen aber weiterhin Kriegszustände in Shingal, die auch Saleh nach seiner Rückkehr im Jahr 2019 hautnah miterleben musste. „Es kam zu politischen Konflikten zwischen mehreren Parteien, und wir waren Bombenangriffen türkischer Flugzeuge ausgesetzt. Wir hatten nur ein bis zwei Stunden am Tag Strom. Und der Zustand der Krankenhäuser dort war sehr schlecht“, berichtet der Iraker, der in Shingal selbst humanitäre Hilfe leistete. Erst vor zwei Monaten wurde der ehemalige Wohnort von Saleh erneut bombardiert.

Das alles versucht der Iraker nun, hinter sich gelassen. Nach drei weiteren leidgeplagten Jahren in den Lagern entschied er sich zur Flucht. Vor fast genau zwei Jahren, am 27. Dezember 2022, kam er mit seiner Frau in Deutschland an. „Wir versuchen, uns zu integrieren und hier in Deutschland ein normales Leben zu führen und den Frieden zu genießen, den wir seit vielen Jahren suchen“, sagt Saleh.
Aufgenommen bei Eintracht Waltrop
Seit einem Jahr lebt er in Waltrop. Und dort fand er bei der Eintracht nicht nur Anschluss, sondern endlich auch wieder zurück auf den Fußballplatz – wenn auch wieder mit ein paar Hindernissen. „Ich hatte wegen der gemeinsamen Unterbringung viele Probleme, und wir haben auch eine Ablehnung vom Gericht bezüglich unseres Asylantrags erhalten, das war schwierig.“

Mit dem Team trainieren konnte Saleh aber bereits. Pünktlich zum ersten Advent war es dann so weit und der Iraker durfte sein erstes Spiel für den B-Ligisten bestreiten. Sein Talent stellte er gleich unter Beweis, sorgte in der Offensive für gute Akzente und erzielte sogar sein erstes Tor. „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich präsentiert habe. Das Tor hat mir die Motivation gegeben, in den kommenden Spielen noch besser zu spielen.“