Herztod bei Flaesheimer Tennisspiel: Zuschauer reanimieren Spieler auf dem Platz

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Herztod bei Flaesheimer Tennisspiel: Zuschauer reanimieren Spieler auf dem Platz

rnWiederbelebung

Einfach leblos zusammengebrochen. Mitten auf dem Sportplatz. Ein Albtraum, den die Flaesheimer Tennisspieler im vergangenen Jahr miterleben mussten. Ein kleines Gerät sorgte für die Rettung.

Haltern

, 13.06.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eigentlich ging es um nichts mehr beim Auswärtsspiel der Tennis-Herren Ü60 von Concordia Flaesheim gegen den TC Grün-Weiß Reckenfeld. Die Halterner Mannschaft konnte nicht mehr auf-, ihr Gegner nicht mehr absteigen. Ein eher unwichtiges Spiel war es also, bis ein Reckenfelder Spieler den Tennisball aufheben wollte. Plötzlich brach der Mann mitten auf dem Feld bewusstlos zusammen. „Keiner wusste so richtig, was passiert ist. Wir dachten, er wäre umgeknickt oder so", berichtet Willi Kühl, Spieler und Vorstandsmitglied bei Concordia Flaesheim.

Als er sich dann aber nicht bewegte, wurde es hektisch. Mehrere Menschen rannten zu dem Mann. Zwei Zuschauerinnen erkannten schnell: Er hatte einen Herzinfarkt erlitten. Gleich zweimal reanimierten die beiden Frauen den Tennisspieler mit dem Defibrillator, der auf dem Sportgelände installiert ist. Erst dann trafen die Rettungskräfte ein. Nur dank des kleinen Geräts und der schnellen Helfer hat der Mann überlebt und ist mittlerweile wieder kerngesund.

Ein Defibrillator hängt in der Herrenumkleide in Flaesheim

„Da ist uns ganz schön der Schreck in die Glieder gefahren“, erinnert sich Willi Kühl. Ihm und seinen Mitspielern wurde schnell klar: Wir brauchen in Flaesheim ebenfalls einen Defibrillator. Mit finanzieller Unterstützung der Volksbank kümmerte sich Willi Kühl um die Anschaffung: „Das war mir wirklich wichtig", sagt der Halterner und blickt auf den grünen Kasten, der jetzt in der Herrenumkleide hängt.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Vereine entschieden, sich Defibrillatoren anzuschaffen. Friedrich Nölle, Vorsitzender des Vereins Definetz e.V., erklärt: „Durch prominente Beispiele ist das Thema Defibrillatoren in den vergangenen Jahren immer mehr in die Öffentlichkeit gerückt. Das hat auch in den Vereinen zu einem Umdenken geführt.“ So habe beispielsweise Borussia Dortmund im Signal Iduna Park rund 40 Defis installiert.

Bei Concordia Flaesheim gibt es inzwischen zwei Defibrillatoren, neben dem im Tennisheim befindet sich ein weiterer in der Sporthalle, angeschafft vom Stadtsportverband (SSV). In sechs Sporthallen im ganzen Stadtgebiet hat dieser bereits durch Spenden Defibrillatoren finanziert, auch einige Vereine sind dadurch abgedeckt. Fünf Hallen fehlen noch, aber auch die sollen so schnell wie möglich ausgestattet werden.

Auch die Vereine haben die Wichtigkeit erkannt

„Leider fehlen derzeit für die anderen Sporthallen noch Spender. Aber wir suchen weiter", berichtet Gerd Püffken, Sicherheits- und Geräteverantwortlicher für Defibrillatoren im SSV. Dass ein solches Gerät wichtig ist, ist auch bei vielen Vereinen bereits angekommen. Neben Concordia Flaesheim haben auch Blau-Weiß Lavesum, der TuS Haltern, der SV Hullern, der TuS Sythen und der SV Lippramsdorf einen oder mehrere Defibrillatoren auf ihrem Gelände.

Doch nicht nur die Sportler selbst profitieren von der Anschaffung, erklärt Friedrich Nölle: „Ein plötzlicher Herztod kann jeden treffen. Da ist es egal, ob jung oder alt und schlank oder kräftig. Und auch die Zuschauer sind, durch die hohe emotionale Belastung, durchaus gefährdet.“ Die Befürchtung, als Laie den Defibrillator nicht nutzen zu können, sei unbegründet. Die Geräte, die heute in Sporthallen angebracht werden, sind in der Regel halb- oder sogar vollautomatisch. „Sie sagen genau, was man tun soll“, berichtet Willi Kühl.

Wenn die Klebe-Elektroden am Körper befestigt sind, überprüft das Gerät selbstständig, ob ein Schock notwendig ist. Ist das der Fall, wird bei einem halbautomatisierten Gerät die Schocktaste freigegeben. Der Helfer muss durch das Drücken der Taste dann nur noch den Impuls abgeben. Bei einem vollautomatisierten Defibrillator wird auch das vom Gerät übernommen.

Beim SV Bossendorf hat man sich vorerst dennoch gegen einen Defibrillator entschieden. Kurzzeitige Überlegungen seien wieder verworfen worden, erklärt Frank Herrmann, Vorsitzender des Vereins. Dafür habe es gleich mehrere Faktoren gegeben wie das nahegelegene Krankenhaus. Zudem sind einige Übungsleiter und Sportler beruflich mit dem Thema in Kontakt. Aber es ist in erster Linie auch nicht der SV Bossendorf, der sich um die Ausstattung des Geländes kümmern muss. Die Anschaffung eines Defis fällt dort, ebenso wie bei den Anlagen, die vom ETuS und vom ATV genutzt werden, in den Aufgabenbereich der Stadt.

Ein Defibrillator ist teuer

Für viele Vereine gibt es besonders den finanziellen Grund, kein eigenes Gerät zu kaufen. Ein durchschnittlicher Defibrillator kostet etwa 1.500 Euro. So geht es beispielsweise dem ETuS. „Die Anschaffung durch den Verein wurde schon mal im Vorstand besprochen. Leider ist es aufgrund der hohen Kosten nicht möglich“, erklärt Klaus Schweda, erster Vorsitzender des ETuS Haltern.

Willi Kühl kann das verstehen. Auch sein Verein konnte sich den Defibrillator nur dank Spenden leisten. Aber dennoch sagt er: „Ein Defibrillator ist wichtig, auch wenn man ihn hoffentlich nie benutzt. Wenn es doch mal so weit kommt, ist er jeden Cent wert.“

Kommentar

1.500 Euro für ein Gerät, das möglicherweise niemals in Benutzung ist. Kann das Geld nicht deutlich besser investiert werden? Die Antwort ist ganz klar: Nein. So wie den Tennisspieler aus Reckenfeld kann es jeden treffen. Ganz plötzlich auf dem Tennisplatz oder dem Fußballfeld. Gerade noch vor dem Spiel aufgewärmt und plötzlich leblos zusammengebrochen. Was bringt dann die Ersparnis von 1.500 Euro auf der Bank, wenn man das Training nicht überlebt? Ein Defibrillator ist eine gute und sinnvolle Investition. Sie ist jeden Cent wert. Denn sie rettet Leben. Muss man erst aus Schaden klug werden? Ich glaube, die Frage stellt sich hier wirklich nicht.