Als vor dem Amtsgericht Marl am Donnerstagmorgen (14. März) die Causa Hermann Drücks gegen den VfB Hüls aufgerufen wurde, da ging dem alten Klubpatron Horst Darmstädter als Zuschauer hinten in Saal E kurz das Herz auf. Andreas Wingart, der stellvertretende Gerichtsdirektor, zeigte auf einem großen Bildschirm ein Luftbild des Badeweiher-Stadions und des Kunstrasenplatzes nebenan.
„Wunderbar“, flüsterte Darmstädter. Den Ausbau der schmucken Anlage hatte der langjährige Fußballboss in seiner Amtszeit wesentlich mit angetrieben. Richter Wingart freilich ging es nicht um Marler Fußball-Romantik. Der Jurist wollte gemeinsam mit Kläger Hermann Drücks, VfB-Abteilungsleiter Hakan Simsir und VfB-Präsident Dieter Peters sondieren, was bei der Stadtmeisterschaft im Juli 2023 geschah.
Der Sachverhalt war nicht umstritten. Dass ein Spieler des FC Marl in der ersten Halbzeit des Finales den Ball über Fangnetz und Zaun auf den Vorplatz jagte, steht fest. Dass der Schuss den Außenspiegel an Drücks‘ Auto ramponierte ebenfalls. Und dass VfB-Fußballabteilungschef Hakan Simsir und VfB-Präsident Dieter Peters noch in der Pause signalisierten, der Verein sei versichert.
Nur: War das ein (rechts-) verbindliches Versprechen, dass der Schaden in jedem Fall reguliert wird? Auch in dem Fall, dass die Versicherung - wie hier geschehen - eine Zahlung ablehnt? So fasst es Hermann Drücks auf, der den Schaden an seinem knallroten Mazda beheben ließ und dafür 350 Euro vorstreckte. Richter Andreas Wingart indes meldete erhebliche juristische Zweifel an. Und VfB-Anwältin Petra Klaesener argumentierte: Von einer „verbindlichen Zusage“ könne keine Rede sein.
Sehenden Auges ins Unglück?
Auch beim Thema Verkehrssicherheit – ein zweiter Ansatz für eine möglicherweise erfolgreiche Klage – waren dem VfB Hüls so recht keine Versäumnisse nachzuweisen: Der Klub nutzt als Pächter zwar die Sportanlage, über die Parkplätze aber wacht Evonik. Ohnehin hatte Andreas Wingart eingangs mit Blick auf die Rechtsprechung in ähnlichen Fällen gefragt, ob hier nicht einer „mehr oder weniger sehenden Auges“ in sein Unglück gelaufen ist respektive geparkt hat? Auf den Gedanken könnte man kommen, wenn man das Auto 30 Meter hinter einem Fußballtor abstellt.

Auch wenn Hermann Drücks bis zum Ende anderer Auffassung blieb, so reifte beim Kläger doch die Erkenntnis: Hier und heute gibt es nichts zu gewinnen. Der 79-Jährige zog seine Klage zurück – ziemlich enttäuscht, wie der pensionierte Justizbeamte hinterher einräumte. Immerhin: Beide Seiten verabschiedeten sich so freundlich, wie sie sich eine Stunde zuvor begrüßt hatten. Sehr sportlich.
„Das ist verdammt weit“
Fürs Marler Fußballvolk bleiben unter dem Strich zwei Erkenntnisse. Erstens: Wer sich im Evonik-Sportpark einen längeren Fußweg sparen will und direkt vor dem Stadion einparkt, braucht sich hinterher nicht zu beschweren, wenn ein Ball sein Auto demoliert. Für den Schaden muss er selbst aufkommen.
Zweitens: Amtsrichterlich ist fortan beglaubigt, dass Bezirksliga-Spitzenreiter FC Marl über kapitale Schützen verfügt. Anhand des Luftbilds ließ sich Andreas Wingart zeigen, von wo aus der FC-Kicker im Juli 2023 im Badeweiher-Stadion abgezogen hatte. Nicht weit von der Mittellinie entfernt nämlich. Der Jurist staunte nicht schlecht: „Das ist verdammt weit. Da hat aber einer einen ordentlichen Schuss.“