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Witz, Lüge, Vollkatastrophe: Oberligisten fällen vernichtendes Urteil über den FLVW
Fußball-Oberliga
Der Fußballverband lobt sich für seine Zusammenarbeit mit den Amateurklubs in der Krise. Drei Oberligisten üben hingegen teils scharfe Kritik am FLVW. Das will der Verband so nicht stehen lassen.
Das Jahr 2020 war kompliziert, auch im Amateurfußball. Verband, Kreise und Vereine standen - und stehen noch immer - vor außergewöhnlichen Herausforderungen. Als umso positiver hob Gundolf Walaschewski, Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW), in seiner Weihnachtsansprache die Zusammenarbeit eben jener drei Parteien in den vergangenen Wochen und Monaten hervor.
Walaschewski: „Noch nie so gut miteinander kommuniziert“
„Wenn ich etwas in diesen wenigen Wochen gelernt habe, dann ist es das, dass wir noch nie so gut miteinander kommuniziert haben – Verband, Vereine, Kreise. Dass wir noch nie so regelmäßig miteinander im Gespräch waren. Und dass vor allen Dingen der Verband noch nie so intensiv die Vereine, die Kreise mit in die Entscheidungsfindung einbezogen hat.“
Doch was aus dem Munde des FLVW-Präsidenten nach einem der wenigen, positiven Nebeneffekte der Corona-Pandemie für die heimische Sportszene klingt, ist aus Sicht der Sportlichen Leiter dreier Fußball-Oberligisten eine ziemlich exklusive Meinung. Sie sind nämlich - gelinde gesagt - wenig angetan von der Krisenkommunikation des Verbandes.
Habibovic: „Es gab nur ein Gespräch - vor Saisonbeginn“
„Es gab nur eine Video-Konferenz mit dem Verband und allen Oberliga-Vereinen. Und zwar vor der Saison. Seitdem haben wir keine Informationen erhalten“, bemängelt etwa Samir Habibovic, Sportlicher Leiter des ASC 09 Dortmund. „Aber wir müssen ehrlich sein: Wir kennen es nicht anders“, legt er im Gespräch mit dieser Redaktion nach. Wenn er etwas wissen wolle, wende er sich meistens an die Dortmunder Kreisvorsitzenden Jürgen Grondziewski oder Andreas Edelstein.
Noch drastischere Worte findet Thomas Riedel, Sportlicher Leiter des TuS Ennepetal: „Die Aussagen sind schlichtweg gelogen. Wir erfahren alles aus den Medien, das ist ein absoluter Witz. Keine Ahnung, mit wem Herr Walaschewski kommuniziert hat, mit uns aber nicht.“
Nur „Informations-Happen“ für die Vereine
„Der Verband hat uns nur beim ersten Lockdown mit ins Boot genommen – bei der Frage, ob die Saison beendet werden soll oder nicht. Jetzt ist der Austausch schwach. Uns werden nur Informations-Happen hingeworfen“, bemängelt auch Andreas Kersting, Sportlicher Leiter von Westfalia Rhynern - und verweist auf die ausgebliebenen Telefon- oder Video-Konferenzen seit Saisonbeginn.
„Alle sechs bis acht Wochen eine Telefonkonferenz wäre angebracht gewesen. Oder wenigstens ein bis zwei Konferenzen in den vergangenen Monaten. Immerhin hatten wir jetzt sechs bis sieben Monate Zeit, in denen nichts passiert ist“, schimpft auch Habibovic.
Entscheidungen gemeinsam tragen
Ähnlich sieht es sein Kollege Andreas Kersting, der den FLVW sogar ein Stück weit in Schutz nimmt: „Es ist für alle eine schwierige Situation. Natürlich darf man nicht nur dem Verband die Schuld geben. Am Ende muss ja einer Entscheidungen treffen. Es gibt auch Vereine, die zu Saisonbeginn unbedingt 40 Spiele machen wollen - und dann plötzlich die Ersten sind, die nach einer Annullierung der Spielzeit schreien. Man müsste die Situation vernünftig erörtern und dann gemeinsam die Entscheidungen tragen. Da hätte es in der Vergangenheit mehr Online-Konferenzen geben müssen.“
Auch Ennepetals Thomas Riedel geht es nicht vorrangig um bislang ausgebliebene Entscheidungen seitens des Verbandes: „Natürlich kann niemand in die Glaskugel gucken. Es geht ja auch nicht immer sofort um konkrete Beschlüsse.“ Vielmehr beklagt er das fehlende Gehör für Vereinsinteressen: „Man hätte verschiedene Szenarien durchspielen können – zum Beispiel mit dem Staffelleiter: Was passiert, wenn es im Januar wieder losgeht. Was machen wir, wenn wir im März wieder auf den Platz dürfen. Doch die Meinung der Vereine interessiert anscheinend nicht. Das ist eine Vollkatastrophe.“
Der Fußballverband wehrt sich
Das will der FLVW so nicht stehen lassen. Auf Anfrage betont der Verband, dass er die Oberligisten im Frühjahrs-Lockdown als erste Staffel überhaupt aktiv in die Entscheidungsfindung zur Saisonwertung mit einbezogen habe. Außerdem hätten die 21 Oberligisten auf dem virtuellen Staffeltag am 22. Juni selber mit 13 zu 8 Stimmen für den regulären Spielmodus mit Hin- und Rückrunde votiert. Trotz ausdrücklicher Bedenken habe der Verband den Mehrheitswunsch schließlich umgesetzt. Zudem habe Staffelleiter Reinhold Spohn insbesondere bei Corona-Verdachtsfällen versucht, im Dialog mit den Vereinen die Wünsche nach Spielverlegungen bestmöglich zu berücksichtigen.
Darüber hinaus verweist der Verband auf einen offenen Brief seines Präsidenten Gundolf Walaschewski von Ende August, in dem er die Vereine als besonderen Service über die neue Corona-Hotline sowie weitere Kontaktmöglichkeiten und Meldeketten bei Verdachtsfällen informiert. „Dass dem FLVW hierbei von einigen Vereinsvertretern öffentlich eine mangelnde Kommunikation vorgeworfen wird, weisen wir zurück und halten dies angesichts der besonderen Umstände für nicht im Sinne des gegenseitigen Fairplay-Gedankens“, hieß es auf Anfrage unserer Redaktion.
2014 als Praktikant in der Sportredaktion erstmals für Lensing Media aufgelaufen – und als Redaktionsassistent Spielpraxis gesammelt. Im Oktober 2017 ablösefrei ins Volontariat gewechselt und im Anschluss als Stammspieler in die Mantel-Redaktion transferiert. 2021 dann das Comeback im Sport, bespielt hauptsächlich den Kreis Unna.
