Westfalia Huckardes Topstürmer „möchte wirklich nicht weg“ Begehrter Angreifer erklärt warum

Westfalia Huckardes Topstürmer „möchte wirklich nicht weg“: Begehrter Angreifer erklärt warum
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Diese Geschichte durfte nicht an einem Donnerstag erscheinen. Klar, ist ein Insider! Diese Voraussetzung des Hauptdarstellers für dieses Porträt lässt sich während des Erzählens sehr gut wiedergeben, denn es ist eine Geschichte über einen enorm geerdeten, äußerst talentierten jungen Fußballer, der weiß, was er an seinem erfolgreichen und humorvollen Umfeld hat. Seine Vertragsverlängerung dürfte daher wirklich nur Außenstehende überraschen.

Dustin Singh (22) ist einer der Typen, die nicht gleich den „Larry machen“, weil sie viele und zum Teil spektakuläre Tore erzielen oder weil die größeren Adressen der Stadt ihm Avancen machen. Der Angreifer von Westfalia Huckarde geht zurückhaltend ins Gespräch, taut langsam auf und haut am Ende einen raus: den Insider.

Dieser Gesprächsverlauf passt auch auf die Entwicklung des Torjägers der Bezirksliga 10 in der 1. Mannschaft: vom schüchternen hochgezogenen A-Junioren zum 25-Tore-Mann, der erheblichen Anteil an der starken Saison der Huckarder hat. Sie sind Dritter, punktgleich mit dem Zweiten SC Weitmar. Alleine Tabellenführer FC Altenbochum mit neun Punkten Vorsprung könnte größeren Zielen im Wege stehen.

Bevor es nun um die Entwicklung dieses Huckarder Ausnahmetalents geht, hilft vielleicht eine kurze Situationsbetrachtung, um zu verstehen, warum das, was da gerade geschieht, für den begehrten Angreifer genauso sein soll. Treffen im Besprechungsraum des schmucken Vereinsheims am Bahndamm am Donnerstagabend: Co-Trainer Chris Meschede wirbelt rum, hört ein wenig zu, die beiden Kassierer Markus Gerstkamp und Christian Klecz kommen herein, natürlich gehen sie nicht ohne eine Frotzelei. Am Ende gesellt sich auch noch Trainer Mathias Tomaschewski dazu. Die Atmosphäre: gleichbleibend locker. Dustin Singhs Stimmung: gleichbleibend locker.

War er schon immer so? Dem jungen Torjäger eilte eher der Ruf voraus, schüchtern zu sein. „Ich war früher taubstumm“, setzt der mittlerweile zum Vizekapitän gereifte Youngster ein erstes bestätigendes verbales Ausrufezeichen. „Bei uns ist es zwar schon so, dass die Jüngeren Bälle oder andere Sachen tragen, aber im Umgang in der Kabine gibt es dann keine Altersunterschiede mehr. Daher habe ich mich dann öfter getraut, was zu sagen.“

Aus der eigenen Jugend

Dustin Singh war vor vier Jahren mit Felix Wagner die erste große Frucht, die Westfalias seit Jahren anerkannte Nachwuchsarbeit trug. „Ich durfte ja schon als A-Junior mitmachen, daher kannte ich einige der Spieler, aber trotzdem ist es etwas anderes, als in eine Kabine mit Gleichaltrigen zu kommen, die ich schon ewig kenne.“

Aber der gerade erwachsene Singh war angekommen. Er war noch eins der Kinder, die den Großen zugesehen und sich gewünscht hatten, irgendwann mal da mitkicken zu dürfen. „Vater Inder, Mutter Deutsche, ich überzeugter Huckarder.“ So einfach ist das für ihn, daher wollte er für seinen Verein spielen und möchte auch nicht weg. Bis auf ein Intermezzo beim TuS Eving-Lindenhorst hatte der Ur-Huckarder immer auf dieses Ziel hingearbeitet.

Dustin Singh (M.) hat bereits 25 Treffer in dieser Saison für Westfalia Huckarde erzielt.
Dustin Singh (M.) hat bereits 25 Treffer in dieser Saison für Westfalia Huckarde erzielt. © Stephan Schuetze

Und schon bald, im Seniorenbereich angekommen, veränderten sich die Begehrlichkeiten. Nicht mehr Singh musste unendlich dankbar dafür sein, dass er das rot-weiße Trikot tragen durfte. Der Verein durfte sich glücklich schätzen, wenn das Juwel nicht den durchaus vorhandenen Verlockungen der höherklassigen und finanzkräftigeren Konkurrenz nachgab. Aber so war es tatsächlich gar nicht: Singh blieb trotz seiner rasanten Entwicklung vom starken Linksaußen zum besten Stürmer der Liga total geerdet: „Ich brauche dieses Umfeld, um gut zu spielen“, sagt er. „Das ist wirklich wie eine Familie, in der die Trainer und andere mich immer wieder motivieren, mich auch mal kritisieren, mir aber auch Fehler verzeihen.“

Tomaschewski war es, der Linksfuß Singh wieder vorne in die Sturmspitze packte. „Das hat ihm noch einen weiteren Schub gegeben“, sagt der Coach. Und so besorgte der Offensive mehr als die Hälfte der 45 Huckarder Treffer. „Ich zähle sie mit“, sagt er. „25 kommt hin. Aber ich bin keiner, der sich noch jahrelang alle Tore merkt.“ Da er sich jetzt auf die Halle freut, kommt ihm aber noch ein Fallrückzieher-Tor aus der Endrunde vor ein paar Jahren in den Sinn. „Der passte genau. Wäre cool, wenn wir wieder weit kommen.“ Das Hallentor hatte Singh gegen Aplerbeck gemacht, was es für ihn noch besonderer machte.

Der Straßenfußballer („ich habe im Käfig gespielt“) fühlt sich auch auf dem Kleinfeld wohl. Das denkwürdigste Tor dieser Spielzeit aber habe er beim 4:1 gegen den Spitzenreiter Altenbochum gemacht: diesmal nicht per Fallrückzieher, diesmal kaum in der Halle zu wiederholen: „Ich kenne keinen Spieler, der so oft Fallrückzieher probiert“, wirft der in den Raum zurückgekehrte Meschede noch ein. Gegen das Topteam der Liga bewies Singh allerdings anderen Mut: „Ich habe einfach mal einen rausgelassen.“ Das Ganze geschah aus 30 Metern und passte.

Singh weiß, was er besser machen kann

Aber Singh kann auch anders: Wenn er steilgeht, vollendet er. Wenn er Flanken erhält, vollendet er. Wenn er sich die Bälle selbst holt, vollendet er. Wenn der Ball auf dem Punkt liegt, vollendet er. Wenn ein Mitspieler besser postiert ist, vollendet er nicht. Die totale Vollendung als Stürmer sieht er in sich längst noch nicht. Selbst wenn es in diesen Textfluss nicht so passt, gebietet es die Fairness, zu erwähnen, dass Singh seine noch zu verbessernden Dinge ziemlich früh im Gespräch genannt hatte: „Ich will es manchmal noch zu schön machen.“ Sofort zeigt er ein Video, als er anstelle des Abschlusses den Schlenker zu viel machte. Meschede sagt: „Klar, kann er besser machen. Aber er macht so viel Gutes, da darf er das auch mal austesten.“ Sein Kopfballspiel, räumt Singh ein, sei auch noch steigerungsfähig.

Wäre dem nicht so, wäre entweder die Westfalia längst uneinholbar vorne oder wäre Singh tatsächlich doch schon in höheren Ligen. Dieses Thema kommt auf, als Tomaschewski zuhört. Er, der sich brüderlich mit seinem Top-Spieler die Freistöße teilt, gönnt ihm auch mehr: „Ich wäre der Letzte, der ihm Steine in den Weg legt. Wenn ich sähe, dass Dustin zu einem Verein zwei oder drei Ligen höher passte, würde ich ihm helfen. Aktuell aber glaube ich, dass er bei uns das hat, was er aktuell braucht.“

Wer das Treiben am donnerstäglichen Vereinsabend im Westfalia-Klubheim beobachtet, greift förmlich die Nestwärme, die Singh und Co. umgibt. Ältere, Eltern, Spieler und Junioren versammeln sich völlig entspannt an der Bar. Als wäre es das Normalste der Welt, erklärt der Leistungsträger im Nachbarraum, dass es für ihn wirklich normal sei, seinen Vertrag zu verlängern: „Ich finde es super, dass jedes Jahr Jungs aus der Jugend hochkommen. Ich bin jetzt sogar schon Vertretungskapitän und spüre so viel Vertrauen. Ich wohne um die Ecke und darf für meinen Verein spielen. Ich möchte wirklich nicht weg.“ Glaubwürdiger geht es nicht.

„Du musst mir was versprechen“

„Viele unserer Junioren sehen doch an Dustins Beispiel, dass sie es schaffen können, dass sie nicht als Kinder schon Starallüren haben müssen, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Dustin und die Jüngeren sollen einfach Fußball spielen. Mein Gott, wir sind hier nicht perfekt, aber wir wissen uns zu nehmen. Der Flachs ist auch ganz wichtig“, sagt Coach Tomaschewski. Spieler und Trainer drücken sich noch ein paar Sprüche. Kurz geht es noch um den Beruf. Es scheint ja Voraussetzung in Huckarde zu sein, etwas Ungewöhnliches zu praktizieren. „Ich bin Verfahrenstechniker für Kunststoff und Kautschuktechnik“, erklärt Singh. Tomaschewski lächelt ein Voilà-Lächeln. Dann verlässt er den Raum und lässt den Kunstschützen und Kunststofftechniker grinsend zurück.

Das Gespräch ist dann auch beendet, da ruft Singh den Gast zurück: „Du musst mir was versprechen.“ Der Journalist denkt nach. Aus Erfahrung vermutet er, er soll eine Passage der Unterhaltung doch lieber nicht schreiben. Nein: „Der Text darf auf keinen Fall an einem Donnerstag erscheinen. Sonst müssen wir es lassen.“ Gag, Aberglaube, Sperrfrist? Ehe sich eine Erklärung für diese unmissverständliche Aufforderung des sonst so bescheidenen Spielers finden lässt, taucht plötzlich Tomaschewski wieder auf: „Ich wette, Dustin hat dir noch gesagt, der Text darf nicht am Donnerstag erscheinen.“

Okay, Tomaschewski löst für uns auf: „Dann müsste er doppelt zahlen. Jede Geschichte über einen Spieler in der Zeitung oder online bei euch kostet die Jungs einen kleinen Beitrag. Erscheint sie am Donnerstag, unserem Vereinstag, ist eben mehr fällig.“

Dustin Singh darf sich beruhigt unter seine Teamkollegen mischen. Er hat nicht viel zu befürchten. Und sollte irgendwann eine Geschichte über Dustin Singh mal am Donnerstag erscheinen, nachdem er zuvor so sympathisch über sich, seine Erfolge und Dankbarkeit für seinen Verein gesprochen hat, zahlt der Autor. Versprochen!