Die Interview-Anfrage kommentiert er höflich: „Jederzeit gerne, aber bitte nicht wegen Sonntag fragen.“ Das könnte schwierig werden, denn in der unbestrittenen Erfolgsgeschichte des Westfalenliga-Aufsteigers und jetzt Zweiten Türkspor Dortmund, der 2018 noch in der Kreisliga B kickte, wird dieses völlig verrückte 4:5 gegen YEG Hassel seinen Platz finden (müssen).
Nun gut, Onur Cenik (30), gegen Hassel Außen- und Innenverteidiger, ist nach dem Versprechen, auch über andere schöne Dinge zu reden, zu einem Interview bereit. Und sofort lösen sich alle Vorbehalte auf. Cenik gerät sogar später ins Schwärmen, das im Satz gipfelt: „Jeder, der das Besondere an Türkspor verstehen möchte, muss Türkspor erlebt haben.“
Damit meint er selbstverständlich nicht dieses denkwürdige 4:5 nach 3:0-Führung, inklusive 3:5-Rückstand und furioser Aufholjagd. „Aber ja, fragen Sie“, gibt Cenik den Startschuss zum für das Gespräch. Also: „Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?“ Und er hat: „Ich erinnere mich an ein Derby als A-Junior beim BVB gegen Schalke. Wir führten bis zur 90. Minute 2:0 und kassierten dann in der Nachspielzeit drei Stück.“
Jetzt mit TSD war es sogar ein 3:0-Vorsprung nach 24 Minuten gegen YEG Hassel. Einige der gut 200 Zuschauer am Fredenbaum fragten sich gar, ob es am Ende zweistellig werden würde. Schlag auf Schlag ging es auch weiter, nur in die andere Richtung. Cenik war mittendrin in der bis zu diesem Spiel drittbesten Abwehr der Liga. Erst verteidigte er in der Kette rechts, dann nach der Hereinnahme von Serdar Bingöl innen für den ausgewechselten Aldin Kljajic. Und doch verließ der erfahrene Cenik den Platz ratlos. Er legte sich abends ins Bett, schlief eine Nacht drüber, wurde wach. Und war? „Ratlos!“
Cenik findet einfach keine Erklärung, wie diese souveräne und stabile Türkspor-Organisation auseinanderbrechen konnte: „Ich bin mir sicher, Sie können jeden beteiligten Spieler anrufen und erhalten die gleiche Antwort: Ich weiß es nicht.“
Trainer Orhan Özkara hatte nach dem Spiel sehr ruhig erklärt, seine Mannschaft habe nach starkem Beginn das Ganze auf die leichte Schulter genommen. Wir machen die notwendigen Meter nicht, machen den Gegner unnötig stark, provozieren unnötige Foulspiele.“ Cenik ist bereit für eine offene Analyse mit dem Coach. „Denn wir müssen schnell dahin kommen, uns zu hinterfragen, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und den Mund abputzen. Gerade wir erfahrenen Spieler müssen jetzt ein Zeichen setzen, damit sich das nicht wiederholt.“ Wir wussten, dass wir nach unserer Niederlage im Februar irgendwann mal wieder verlieren werden. Aber nach einer 3:0-Führung darf das einfach nicht passieren.“
Sehr offene Worte eines Spielers, der bereit ist, den Karren sofort wieder aus dem allerdings nur sehr flachen Dreck zu ziehen. Ob da die Wortwahl des Teammanagers Mesut Aksoy nicht übers Ziel hinausschießt? Via Facebook fertigte der „fassungslose“ Aksoy seine Mannschaft ab (dazu folgt ein Kommentar) und warf ihr „Arbeitsverweigerung“ und eine „desolate Leistung“ vor, kündigte nach der ersten Saisonniederlage des Aufsteigers gar „Konsequenzen“ an. „Dazu sage ich gar nichts“, wollte Cenik überhaupt keine Rückschlüsse über eine eventuelle Meinung seinerseits zu diesem Post zulassen.
Die Aufarbeitung und der gemeinsame Blick nach vorne erfolgen aber auf alle Fälle, versichert Cenik. Keine Zweifel lässt er an des Trainers Plan mit ihm zu. „Ich bin seit meiner Jugend Innenverteidiger und Sechser. Wenn der Trainer sagt, er sieht mich auf der Rechtsverteidiger-Position, dann spiele ich da selbstverständlich. Der Trainer ist der Boss.“
Dieser Onur Cenik weiß genau, was er sagen möchte. Und selbst wenn er für dieses 4:5 noch keine Erklärung findet, ordnet er viele Dinge ein. „Ich weiß nicht, wer Ihnen gesagt hat, dass wir aufsteigen wollen“, entgegnet er auf die Frage, ob das 4:5 ein Rückschlag an der Tabellenspitze wäre. „Wir sind aufgestiegen, um drinzubleiben, uns erst in der Westfalenliga zu etablieren. Über andere Ziele sprechen wir gerne, wenn es soweit ist.“ Um Missverständnissen vorzubeugen: Er sagt das keineswegs gereizt, sondern möchte nur die Erwartungen relativieren.
Denn Türkspor, das ist genau sein Verein. Und den möchte er so darstellen, wie er sei: „Familiär, alle eng beieinander mit dem Präsidenten, dem Trainer und auch den wunderbaren Ehrenamtlichen. Und wir spielen dabei sehr guten Fußball. Da sind wirklich außergewöhnliche Jungs im Team.“ Und dann der Satz vom Anfang: „Jeder, der das Besondere an Türkspor verstehen möchte, muss Türkspor erlebt haben.“ Einige, bekräftigt der 2021 gekommene Verteidiger, seien seit gerade drei Monaten da. Und der ganze Verein habe sie sofort in ihr Herz geschlossen.“ Das sage doch schon sehr viel.
So hat Cenik am Ende doch ein Interview gegeben, das er „jederzeit gerne“ immer so ermöglichen möchte.
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