
Endlich hat Türkspor Dortmund es hinbekommen. Nein, ich meine nicht den furiosen Durchmarsch in die Oberliga-Westfalen. Der war zwar auch beeindruckend, kommt für mich ob der Qualität des Kaders und Trainerteams aber nicht allzu überraschend daher. Vielmehr hat Türkspor Dortmund es noch rechtzeitig begriffen, als gesamter Fußballverein groß und breit zu denken.
Neben der starken ersten Mannschaft steckt der Klub nun auch Zeit, Muße und Geld in den Ausbau seiner Jugendabteilung. Elf Jugendteams schickt Türkspor für die Saison 2023/24 ins Rennen. Das ist ein Riesenerfolg für den Klub - und zeitgleich eine außergewöhnliche Chance, sich zur absoluten Supermacht im Dortmunder Amateurfußball aufzuschwingen. Am Ziel angekommen ist TSD aber bei weitem noch nicht. Der Weg ist lang und müßig. Den ersten richtigen Schritt hat Türkspor allerdings gemacht.
Man muss Ömer Kaya, Jugendleiter von Türkspor Dortmund, gratulieren und zugleich gehörigen Respekt zollen. Binnen kürzester Zeit hat er es geschafft, für jede Altersklasse eine Türkspor-Mannschaft aufzustellen. Im vergangenen Jahr verfügte TSD über zwei Jugendteams (nach drei Rückzügen) - für die neue Saison 23/24 sind es gar elf, zum Teil sind Altersklassen doppelt besetzt. Und all das ist in Zeiten geschehen, in denen Amateurklubs bekanntlich mit Nachwuchsproblematiken zu kämpfen haben. Chapeau, Türkspor. Chapeau, Ömer Kaya.
Dass Türkspor von seinem riesigen Einzugsgebiet - dem Dortmunder Norden - profitiert, ist nicht verwunderlich. Der Stadtbezirk bietet für den Klub vom Mendesportplatz ein außergewöhnliches Potenzial mit vielen talentierten Fußballerinnen und Fußballern. Türkspor hat die Chance, nach und nach Talente zu formen und kann zeitgleich auch noch eine wichtige, gesellschaftliche Aufgabe übernehmen: Integration und Sozialisation der jungen Fußballer, die zum Teil einen Migrationshintergrund haben, spielen in diesem Kontext eine Rolle.
Türkspor kann an der persönlichen Entwicklung des Nachwuchses partizipieren, Werte wie Fairness und Teamgeist vermitteln. Dies machen andere Dortmunder Klubs schon vorzüglich. Türkspor kann dafür der Vorreiter im Norden der Stadt werden. Gelingt das, profitiert neben Kindern und Verein auch die Gesellschaft - das Best-Case-Szenario.
Türkspors große Herausforderung
Die „Marke“ Türkspor Dortmund wird durch all die bisherigen Entwicklungen und die vielen Chancen, die der Verein künftig noch hat, um ein Vielfaches attraktiver. Türkspor hat die Möglichkeit, ein Vereinsleben zu kreieren, das in Dortmund seinesgleichen sucht. Dadurch entsteht Zusammengehörigkeit, dadurch entsteht Identität. Ich würde es gerne sehen, wie die Nachwuchskicker der TSD-Jugendabteilung die Oberliga-Mannschaft bei einem Dortmunder Derby lautstark und vielzählig anfeuern und später mit ihren großen „Idolen“ noch abklatschen. Das macht Vereinszugehörigkeit doch aus. Die geht über die eigene Mannschaft hinaus - und kitzelt aus jedem Vereinsmitglied noch ein, zwei Prozent heraus.
Überdies hat Türkspor die Chance, sportlich noch attraktiver zu werden. TSD kann sich über all die Jahre seine eigenen Top-Talente „erschaffen“ und muss nicht mehr ausschließlich außerhalb des eigenen Vereins nach Neuzugängen scouten. Darin liegt jedoch auch die große Herausforderung, die der Klub noch zu bewältigen hat.
Denn der Weg von einer Jugendabteilung zu einer sportlich erfolgreichen Jugendabteilung ist zäh und von vielen Begleitumständen abhängig. Man entwickelt sich nicht über Nacht zu einem Hombrucher SV oder zu einem TSC Eintracht Dortmund. Beide Teams sind für ihre formidable Jugendarbeit über die Dortmunder Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Türkspor hat den ersten Schritt gemacht
Nun beginnt der Kern der Arbeit. Türkspor muss dafür sorgen, qualifizierte Trainerinnen und Trainer zu verpflichten, die sowohl sportlich als auch menschlich den Kindern etwas vermitteln können. Gute Trainerinnen und Trainer müssen Anreize bekommen, sich dem TSD-Projekt anzuschließen. Damit meine ich nicht nur finanzielle Aspekte.
Ihnen muss zum Beispiel die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst weiterentwickeln zu können. Zum Beispiel in Form von Trainerlizenzen. Von guten Trainerinnen und Trainern profitieren die Kinder - und damit auch die gesamte Mannschaft. Dass TSD den Traum hat, mit all seinen Juniorenteams überkreislich zu spielen, zeugt von Selbstbewusstsein und von einer Vision.

Ein von Türkspor oft angeführtes Hindernis, eine gute Jugendarbeit aufzubauen, ist allerdings die Standortproblematik der Sportanlage. Der Mendesportplatz liegt bekanntlich im Fredenbaumpark. Der Weg von der U-Bahn-Station zum Platz ist vor allem in den kälteren, dunklen Monaten für Kinder schwerlich zu erreichen. Die Sorgen der Eltern und die Ängste der Kinder sind durchweg nachvollziehbar. Daran muss eine gute Jugendarbeit aber nicht scheitern.
Türkspor muss mit den Eltern der Kinder in den Dialog gehen. Wie kann eine Lösung aussehen? Austausch, Kommunikation und eine auf Problemlösung ausgerichtete Herangehensweise sind zentral. Eltern könnten abwechselnd ihre Kinder zum Sportplatz begleiten beziehungsweise fahren. Alternativ könnten die Jugend-Trainer einen Treffpunkt mit dem Nachwuchs vereinbaren, um gemeinsam zum Platz zu laufen. All das bedarf guter Organisation und Kommunikation und eben auch einer Vielzahl an helfenden Händen. Wie eingangs schon angeführt: Der Weg ist noch nicht vollendet und weiterhin schwerlich.
Wertschätzung und Geduld
Schafft es Türkspor jedoch, diesen Widerständen zu trotzen, dann ist eine positive Entwicklung, die tief bis in alle Vereinsstrukturen reicht, realistisch. Die Türkspor-Verantwortlichen benötigen Geduld, Zeit und müssen dem „Projekt Jugend“ viel Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegenbringen. Nur so kann es gedeihen. Diese Chance darf Türkspor aber unter keinen Umständen liegen lassen. Der Klub muss sie nutzen.