Trainer aus Westfalen unter Pädophilie-Verdacht: Ein Klub holte ihn zurück und schweigt

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Trainer aus Westfalen unter Pädophilie-Verdacht: Ein Klub holte ihn zurück und schweigt

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Ein Juniorentrainer wird zweimal bei einem westfälischen Amateurverein angestellt. Zweimal klagen Eltern unabhängig voneinander über dessen Verhaltensweise. Sie verdächtigen ihn der Pädophilie.

Dortmund

, 26.08.2020, 08:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Als sie die Geschichte über Benjamin C. (Name geändert) lasen, fragten sie sich, wer denn da geplaudert hatte. Mehrere Eltern telefonierten miteinander, schrieben Kurz-Nachrichten, versuchten so des Rätsels Lösung zu finden. „Erst später ist uns in der Elternschaft klar geworden“, erzählt eine Mutter, „dass nicht unsere Mannschaft gemeint war, sondern es teilweise um Vorgänge in einer Mannschaft ging, die C. ein paar Jahre zuvor vom selben Verein anvertraut wurde“.

Die ersten Texte, die dieses Medienhaus über den Juniorentrainer aus Westfalen schrieb, beziehen sich auf Vorwürfe aus dem Jahr 2016. Der nun vorliegende befasst sich mit Anschuldigungen aus der Saison 2018/2019. C., der von mehreren Eltern und (ehemaligen) Kollegen der Pädophilie verdächtigt wird, war da zum zweiten Mal beim selben westfälischen Amateurklub angestellt – und verhielt sich (erneut) problematisch. Das zumindest behaupten die Eltern, die sich zusammenschlossen und eine — so nennen sie es — „Tatsachenliste“ verfassten.

Erinnerungen dürfen nicht verwischen

Auf dem Zettel, der dieser Redaktion vorliegt, sei C.s Verhalten dezidiert festgehalten worden, sagt ein Vater. Sie hätten aufgeschrieben, „was unsere Kinder erzählt haben“, erläutert er. „Als Elternschaft standen wir geschlossen hinter der Aktion. Uns ging es darum, dass die Erinnerungen nicht verwischen. Wir wollten die Aussagen der Kinder sofort festhalten, haben die Eltern gebeten, ihr Kind ergebnisoffen zu fragen, was mit C. passiert ist. Und dann haben wir alles zusammengetragen.“ Insgesamt 24 Stichpunkte.

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An dieser Stelle sollen ein paar Erwähnung finden. C., das wird ihm auch von diesen Eltern angelastet, habe sich Kindern ungebührlich genähert – und sie mehrfach belästigt. Er habe ihnen an die Brust gefasst, in die Brust gekniffen, habe deren Unterhosen „aus Spaß hochgezogen“, habe sich entgegen mehrmaliger Hinweise beim Duschen der Kinder in der Kabine aufgehalten, habe den Kindern beim Abtrocknen helfen wollen, habe sie auf dem Schoß gehabt – und den Kindern verboten, ihren Eltern zu erzählen, „was in der Kabine geredet wird“.

Eigentlich eine gute Arbeit geleistet

Sie hätten C. „zunächst als sehr engagiert erlebt“, berichtet der Vater, „er hat sehr viel bewegt, gut gearbeitet“. Was der Juniorentrainer allerdings ansonsten getrieben habe, hätten sie nicht gewusst. Erst als ein Kind zuhause von den Geschehnissen erzählte, sei das Thema ans Licht gekommen. Nach und nach hätten dann auch andere Kinder über ihren damaligen E-Juniorentrainer gesprochen. „Sie haben gemerkt: Die Eltern stehen hinter ihnen, schützen sie.“ C. habe seine Spieler „zuvor ganz bewusst unter Druck gesetzt – und damit eine Mauer des Schweigens erzeugt“, meint der Vater.

„Durch seine Art hat er uns fehlgeleitet“, sagt eine Mutter. „Er war nett, engagiert, deshalb haben wir erst keinen Verdacht geschöpft. Außerdem hat es uns auch irgendwie gefreut, dass er unser Kind ganz gern mochte. Unser Sohn stand oft im Fokus.“ Erst später sei ihr Wohlwollen in Misstrauen umgeschlagen. C., der in den vergangenen Jahren auffällig häufig den Verein gewechselt hat, sei schließlich „mehrmals körperlich übergriffig geworden“.

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Im Nachhinein komme ihr „fast die Galle hoch“, ergänzt eine andere Mutter. „Er hat es geschafft, dass sich die Kinder massiv benachteiligt fühlten. Einmal saß mein Junge weinerlich zuhause und sagte: ‚Er macht das immer nur bei anderen Kindern. Er nimmt immer nur die anderen auf seinen Schoß. Mich kitzelt der nie, mit mir kuschelt der nie.‘“

C.s Anwalt verweist alle Anschuldigungen ins Reich der Fabeln. Das hatte er schon nach der ersten Anfrage dieses Medienhauses gemacht. Er beschreibt seinen Mandaten erneut als vorbildhaften Fußballtrainer, der „eine ordentliche und professionelle Bindung zu den Kindern und Jugendlichen“ aufgebaut und sich nie fehlerhaft verhalten habe. C. „wurde und wird stigmatisiert“, betont der Anwalt. „Sobald man sich als Trainerpersönlichkeit in der ‚Schublade‘ befindet, gibt es aus dieser keinen ernsthaften Ausweg mehr, unabhängig davon, wie vorbildlich und fehlerfrei der Trainingsalltag gestaltet wird.“

Zweites Mal angestellt

Also alles nur ein Komplott? Mehrere Eltern widersprechen in aller Vehemenz – und fragen sich, warum C. nach den 2016er-Vorfällen überhaupt ein zweites Mal bei dem schon thematisierten Fußballklub aus Westfalen angestellt wurde. „Dafür habe ich nicht im Ansatz Verständnis. Wenn man nur den Hauch eines Verdachts hat, kann man das nicht machen“, sagt eine Mutter. „Es geht um unsere Kleinsten, die muss man schützen. Da muss man sofort Schranken setzen.“ Im Leben versuche man häufig, „wohlwollend zu sein. Aber in dieser Beziehung ist das definitiv falsch“.

Selber Meinung ist eine andere Mutter. Sie gibt zu Protokoll, derzeit „nicht gut zu sprechen“ zu sein auf den westfälischen Amateurverein. „Keiner von uns wusste von den Vorwürfen, die dem Verein schon Jahre zuvor bekannt wurden. Und keiner“, sagt sie, „hat auf C. geachtet, als er dann zum zweiten Mal angestellt wurde“.

Letztlich schnell gehandelt

Immerhin hätte der Klub letztlich schnell gehandelt, als die Anschuldigungen ein zweites Mal aufkeimten. Einem Verantwortlichen sei „die ganze Geschichte sofort bewusst“ gewesen. Der Verein habe C. erst „von unserer Mannschaft abgezogen und ein paar Tage später auch von der U16, deren Training er übernommen hatte“, berichtet eine Mutter.

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Der betroffene Klub will sich auf Anfrage nicht zu C. und den damaligen Vorfällen äußern. Auf eine detaillierte Mail-Anfrage reagiert er nicht. Und auch am Telefon ist der Erste Vorsitzende nicht gesprächsbereit, will lediglich über das inzwischen gesteigerte Engagement gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen sprechen. Ein ehemaliger Trainerkollege von C. meldet sich hingegen - und erzählt von seinen Erlebnissen.

Mit dem Trainer mehrmals gesprochen

Mit diesem Trainer, sagt er, sei in der Saison 2018/2019 „mehrmals gesprochen“ worden, „sein Verhalten hat er nicht geändert. Er hat es nicht gelassen, in die Kabine zu gehen und Kinder anzufassen“. C. könne „schnell eine recht enge Bindung zu Kindern aufbauen. Die überschreitet aber das normale Maß. Und wenn sich Eltern über sein Verhalten beschweren, behandelt er Kinder, die sonst eigentlich hoch im Kurs waren, plötzlich völlig anders. Er berücksichtigt sie weniger, grenzt sie fast aus“.

C. habe „ständig Kinder auf dem Arm gehabt, hat mit ihnen gekuschelt“. Die Eltern hätten sich letztlich gegen ihn gestellt, erst dann sei der umstrittene Coach entlassen worden. In Zukunft, davon ist sein einstiger Kollege überzeugt, solle er „keine kleineren Kinder mehr trainieren“.

Der Druck sei nicht auszuhalten

Was allerdings plant der ins Kreuzfeuer geratene Juniorentrainer? „Obwohl sich unser Mandant zu keiner Zeit ein wie auch immer geartetes Fehlverhalten vorzuwerfen hatte“, sei der Druck auf seine Person nicht kontinuierlich auszuhalten, teilt der zwischengeschaltete Anwalt mit. „Unser Mandant wird seine Trainertätigkeit daher bis auf Weiteres einstellen.“ Seine B-Lizenz sei derweil bis Ende 2021 verlängert worden.

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