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Spieler lässt sich auswechseln, um bei Ebay einen Grill zu ersteigern – Kollege schreibt es auf
Fußball-Kreisliga
Wer den Liveticker der 11Freunde liebt, der sollte nun aufpassen. Denn was das Magazin kann, kann Christian Biehl vom TuS Freiheit Deusen schon lange – zur Not sogar aus dem Krankenhausbett.
Kreisliga C, sechs Punkte in dreizehn Spielen, Tabellenplatz elf – und das wohl auch nur, weil alle vier Teams dahinter zurückgezogen haben. Es ist wahrlich kein traumhafter Kombinationsfußball, den die dritte Mannschaft des TuS Deusen Woche für Woche auf den Platz zaubert.
Es entspricht eher der Kategorie des ehrlichen C-Liga-Pöhlens, Maloche statt Hochglanz. Doch so ausbaufähig manchmal die sportlichen Darbietungen sind, so überragend ist die mediale Präsenz, die Deusen III konstant an den Tag legt und damit das Internet erheitert.
In der Tabelle vor dem BVB und S04
Ein Klick auf die eigene Homepage verrät erst einmal nichts Außergewöhnliches. „Wir sind eine Mannschaft aus Freunden“, steht da. Im Hintergrund ein normales Teamfoto, zumindest auf den ersten Blick. Nun gut, die Fußballhosen sitzen wie bei Thorsten Legat im Jahr 2000 etwas hoch, ein bisschen Spaß muss eben erlaubt sein, es geht hier immerhin um die Kreisliga C. Aber sonst scheint es eine ganz normale Amateurfußball-Mannschaft zu sein – bis man einen zweiten, einen genaueren Blick auf das Geschriebene wirft.

Ein etwas anderes Mannschaftsbild beim TuS Deusen III. © Facebook TuS Deusen III
Die Freundesbotschaft geht nämlich weiter: „Wir sind eine Mannschaft aus Freunden, die mit 23 neuen Spielern und etwas Geld durchaus auch in der Bundesliga mitspielen könnte“. Auch eine Tabelle ziert die Homepage, Deusen III führt diese nach fünf Spielen mit fünf Siegen an, direkt dahinter der BVB und der 1. FC Köln – und auf dem letzten Platz, wie es sich in Dortmund gehört, natürlich der FC Schalke 04.
Wie bitte? Plant da ein Klub tatsächlich einen Durchmarsch wie einst RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim?
Nein, Deusens Dritte ist von solchen Visionen so weit entfernt, wie Lothar Matthäus von einem Job als Greenkeeper beim FC Bayern München und weiß das auch selbst ganz genau.
Denn direkt neben dem Klassement steht das wahre Saisonziel der C-Liga-Truppe: Es geht um einen „Nichtabstiegsplatz aus der Kreisliga. Weiterhin werden wir alles geben, um nicht über unser Ziel hinauszuschießen.“ All das sorgt schon für den einen oder anderen Lacher, die wahre Schatztruhe der Comedy versteckt sich aber hinter dem Button „Spielberichte“.
„The day after Mannschaftsabend“
„Humorlos und wahrheitsgemäß“ werden hier angeblich die Partien der „geliebten Rumpeltruppe“ vom Wochenende zusammengefasst, egal ob es für die „bestausehendste Mannschaft der Kreisliga“ gegen die DJK RW Obereving, den FC Fortuna oder den FV Scharnhorst III ging.
Die eklatanten Fehler der Spieler wie zum Beispiel Alexandros Skroblinski, dem „alten Griechen“, dessen Geburtsjahr in den Berichten auf 28 vor Christus datiert und der gerne mal als „Erfinder des Feuers“ oder als „Urgroßvater des griechischen Mathematikers Pythagoras“ bezeichnet wird, werden schonungslos angeprangert. Die Laufwege von „Rheu-Ma-Kai Mestermann“ haargenau analysiert und die Qualitäten des Teams exakt beschrieben. Ein Beispiel: „Hier ein Schuss über den Zaun, da ein Pass ins Nirgendwo und beim zweiten Sprint ein Schnaufen wie von Thomas der Lokomotive.“
Wer sich also die Essays mit Titeln wie „Das Leben des Pii“, „The day after Mannschaftsabend“ oder „Partyhut und Nagelknipser“ etwas genauer anguckt, der sieht schnell, dass die sportliche Bewertung eher sekundär ist. Verantwortlich für dieses Lesegold ist Christian Biehl, seines Zeichens Abwehrspieler in Deusen.

Christian Biehl schreibt die Berichte zur Not auch aus dem Krankenhaus. © privat
„Ich spiele alles, was hinten ist. Sobald es in die gegnerische Hälfte geht, bin ich hoffnungslos verloren. Hoch und weit bringt Sicherheit“, sagt der 27-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion.
Die Idee witzige Spielberichte zu verfassen, sei ihm vor zwei Jahren gekommen. „Ich habe mich nach einem Spiel zu Hause einfach mal hingesetzt und habe geschrieben.“ Zunächst wurden die Zeilen nur auf Facebook veröffentlicht, später folgte auch Instagram und somit eine ständig wachsende Reichweite. Die Ideen dazu kommen ihm in ruhigen Momenten, nach der Partie zu Hause oder auch unter der Dusche.
Ebay, der Grill und die Glitzerschuhe
Immerhin rund 700 Abonnenten kommen so Woche für Woche in den Genuss von Biehls Gehirnschmalz. Stets mit einem Augenzwinkern erzählt er die Geschichten. Zum Beispiel wie ein Mitspieler mit Partyhut und Glitzerschuhen direkt aus der Disco zum Treffpunkt erschien, wie die Freundinnen einiger Spieler die Trikots nach der Winterpause angeblich „enger genäht“ haben oder wie sich ein Mitspieler in der Pause auswechseln ließ, um in Hälfte zwei von der Bank aus einen Grill bei Ebay zu ersteigern.
„Das hat er wirklich gemacht“, so Biehl. Vor dem Spiel habe er den Trainer darum gebeten, nach der ersten Hälfte vom Platz gehen zu dürfen, weil in Abschnitt zwei eine wichtige Auktion endete. „Dann saß er mit dem Handy auf der Bank“, sagt Biehl und lacht herzlich. Man merkt: er fühlt sich wohl in der Mannschaft.
Dieses Potpourri aus Aberwitzigkeiten führte das winzige Deusen sogar bis in die riesige Bundeshauptstadt: „Die lustigste Aktion war, dass uns jemand aus Berlin angeschrieben hat, ob er eine gebrauchte Hose von uns haben kann. Er sagte, er würde getragene Sportutensilien von ganz vielen Vereinen sammeln und wollte auch eine von uns“, so Biehl immer noch ungläubig. Doch nicht nur in Deutschlands größter Metropole ist Deusen ein Begriff, auch in der Ultra-Szene von Bayer Leverkusen sollen die Spielberichte mit Freude gelesen werden, wie Biehl zu Ohren kam.
Die Mannschaft besteht aus Freunden
Dabei hat Biehl mit dem Schreiben an sich gar nichts zu tun, ist von Beruf Vermessungstechniker. „Es ist mehr ein Hobby, eine Nebensache. Ich will damit kein Geld verdienen, es soll einfach Spaß machen“, sagt der 27-Jährige. Die Freude am Spiel stehe im Vordergrund, bei seinen Beiträgen, wie auch innerhalb der Gemeinschaft.
„Das Schöne ist, dass wir eine Mannschaft sind, die aus Freunden hervorgegangen ist. Wir waren vorher schon 15 Leute, die in der Soccerhalle gekickt haben und wollten dann am Wettbewerb teilnehmen“, beschreibt Biehl den Weg zur Gründung der Equipe vor der Saison 2016/2017. Weil er selbst damals schon beim TuS aktiv war, fiel die Wahl des Klubs auf Deusen.
Und noch heute ist der „Großteil der Mannschaft immer noch der gleiche. Wir sind aber aktuell auch noch auf der Suche nach dem einen oder anderen Vernünftigen. Es muss einfach menschlich passen“, sagt Biehl und ergänzt, dass er und seine Freunde natürlich keine Clownsgruppe sind sondern auch den Anspruch haben, Spiele zu gewinnen, sich in der Tabelle nach oben zu robben.
Aber: „Der Großteil kann ja sowieso nicht mal ohne Ball geradeaus laufen.“ Biehls Spielberichte sind da bei der Suche nach neuen Akteuren sicherlich ein Bewerbungsschreiben für interessierte Möchtegern-Ronaldinhos.
Zur Not schreibt Biehl die Spielberichte auch aus dem Krankenhaus
Die Storys schreibt Biehl wenn nötig sogar aus dem Krankenhausbett, wie am vergangenen Sonntag. „Ich hatte im August einen Bandscheibenvorfall“, sagt er. Lange fiel er aus, wollte zum Rückrundenstart aber unbedingt wieder im Kreise seiner Freunde auf dem Feld stehen, lief dafür an Weihnachten und an Silvester den Deusenberg hoch. „Es war alles ausgeheilt, ich war topfit“, so Biehl.
Doch dann wurde er mit starken Schmerzen und Taubheitsgefühlen im Fuß ins Krankenhaus eingeliefert. Sogar eine Not-OP stand im Raum. Die konnte gerade noch abgewendet werden. „Ich bekam Schmerzmittel ohne Ende, es ist wieder die Bandscheibe, die auf einen Nerv drückt. Aktuell habe ich eine Lähmung im Fuß“, so Biehl, der aber optimistisch ist, dass die Heilung schnell wieder eintritt.
Von seinem Hobby hielten ihn die Probleme ohnehin nicht ab. „Wir haben ja eine Kamera in Deusen“, sagt er. Also schaltete er sich am vergangenen Wochenende aus dem Krankenbett zu, schrieb WhatsApp-Nachrichten mit den Kollegen an der Seitenlinie, streamte den 5:2-Erfolg über den Wambeler SV III, den Biehl mit den Worten „manchmal passieren eben auch Wunder“ kommentiert. „Die erste Hälfte habe ich mit einem Hotspot geguckt. Doch dann wurde das Datenvolumen zu sehr strapaziert, also bin ich mit meiner Freundin ins Krankenhauscafé gegangen und habe da das WLAN genutzt.“
Und danach die Tastatur zum Glühen gebracht - wie an jedem (nicht) ganz normalen Kreisliga-Sonntag. Liebe kennt eben keine Grenzen.