Christina Hammer ist zurück. Gut eineinhalb Jahre nach ihrem letzten Kampf. Aber nicht im Ring, sondern am Ring. Bei der Coaching-Premiere der mehrfachen Dortmunder Box-Weltmeisterin sorgte dann gleich noch ein weiterer Dortmunder Athlet für mächtig Aufsehen. Refik Latifi vom BSV Mengede erkämpfte sich im italienischen Rimini den WBCO-Weltmeistertitel im Schachboxen im Schwergewicht bis 95 Kilogramm.
Christina Hammer ist zurück
Noch nie gehört, Schachboxen? Die Regeln sind schnell erklärt. Ein Kampf besteht aus insgesamt fünf Runden, drei Runden Blitzschach à drei Minuten und zwei dreiminütige Boxrunden. Los geht’s mit Dame, Bauer und Pferd auf dem Schachbrett. Vor jeder Schachrunde gibt es 60 Sekunden Pause, um die Handschuhe auszuziehen. Das Ende des Duells ist dann, wenn ein Kämpfer schachmatt auf dem Brett ist - oder eben K.o. im Boxring. Oder wenn die Zeit abläuft. Innerhalb von zehn Sekunden müssen die Züge ausgeführt werden.
Im Fall von Refik Latifi war es so, dass er im ersten Gruppenkampf gegen den favorisierten Russen Anatoli Schokin seinen Gegner drei Sekunden vor dem Ende schachmatt setzte. Latifi, für den BSV Mengede bereits Dritter bei der DM und Westdeutscher Meister, sprach von einer „Schlacht“, die anderen Athleten vom vorgezogenen Finale. Im eigentlichen Endkampf setzte sich der Dortmunder dann gegen einen Berliner Athleten durch. Latifi krönte sich damit zum ersten Schach-Box-Weltmeister in Deutschland im Schwergewicht.
Und welche Rolle spielte Christina Hammer dabei? Sie bereitete Latifi seit Monaten auf die WM vor, änderte dessen Ernährungsgewohnheiten, so dass er 15 Kilogramm bis auf sein Kampfgewicht von 95 Kilogramm verlor. „Wir haben Weizen- und Milchprodukte komplett weggelassen. Das reduziert krass die Entzündungswerte“, erklärte die mehrfache Box-Weltmeisterin, die als „Königin des Mittelgewichts“ über fast zehn Jahre hinweg die Massen begeisterte.
Als jüngste Boxweltmeisterin überhaupt hat sie eine Bilderbuchkarriere hinter sich. 2017 verteidigte sie vor 7000 Fans in der Westfalenhalle gegen die Schwedin Maria Lindberg ihren Titel, zwei Jahre später verlor sie im Mega-Kampf gegen den US-Star und Claressa Shields in Atlantic City ihre WM-Titel von WBO und WBC.

Danach wurde es ruhiger. Ihren letzten Kampf bestritt sie im April 2022 in Köln. „Die Corona-Krise hat viel kaputt gemacht, besonders im Boxsport“, resümierte die mittlerweile 33-Jährige. Die aber noch nicht an ihr Karriereende denkt. Man könnte sagen, Christina Hammer befindet sich in der Warteschleife und hofft auf einen günstigen Zeitpunkt zur Rückkehr in den Ring.
Auf jeden Fall konnte Hammer als Trainerin („das wird aber eine Ausnahme bleiben“) ihrem 1,92 m großen Schützling Latifi einiges mit auf den Weg geben. „Besonders die Atemtechnik ist im Schachboxen extrem wichtig“, so die Dortmunderin. Denn nach drei Minuten Boxen, mit dem Puls am Anschlag, setzen sich die Kontrahenten fast ohne Pause ans Brett. „Sicherlich immer noch mit Puls 150, da muss man erstmal einen coolen Kopf behalten“, erklärt Latifi, der seit 15 Jahren boxt und seit gut zweieinhalb Jahren Schach spielt.
Denksport mit Vollkontakt
Der in Kirchlinde wohnende Latifi investiert viel Zeit in seinen Sport. Täglich zwei Stunden Schach oder zwei Stunden Boxen. Trainiert wird mit dem BSV Mengede im neuen Box-Leistungszentrum an der Körnig-Halle unter Anleitung von Christina Hammer und Denno Probst.
Natürlich habe er auch einen eigenen Schachtrainer (Künstlername Orcachess), so Latifi, für den die Gemeinsamkeit vom Vollkontaktsport Boxen und dem Denksport Schach auf der Hand liegt. „Jeder Fehler wird bestraft. Wenn du die falsche Eröffnung wählst, bist du schnell schachmatt. Und im Ring gehst du auf den Boden. Es ist eine Symbiose aus mentaler und physischer Stärke gepaart mit Präzision.“
Beruflich ist der 34-Jährige als Dellendrücker mit gleichnamiger Firma in Dortmund unterwegs, entfernt Beulen und Dellen aus Luxuskarossen und Alltagsautos. Ein Widerspruch sei das nicht, so Latifi. Ganz im Gegenteil. Die ruhige Hand und Konzentration des Schachspiels gepaart mit der Kraft und Druck im richtigen Moment im Boxring sei auch für seinen Job als Dellendrücker ganz wichtig.